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Alle Zutaten für eine gepflegte Eskalation
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| Dienstag, 15. August 2006Der Zwist zwischen Matthias Sammer und Oliver Bierhoff um Nachwuchspersonalien – Zeichen eines Dauerkonflikts im DFB oder nur eine Kommunikationspanne?
Die Zusammenarbeit zwischen Bundestrainer Joachim Löw und Manager Oliver Bierhoff auf der einen und DFB-Sportdiektor Matthias Sammer auf der anderen Seite gestaltet sich schwierig und wird sich schwierig gestalten. Sammer hat Erich Rutemöller und Horst Hrubesch in wichtige Positionen (U20- und U18-Coaches) gehievt, ohne Bierhoff und Löw nach ihrer Meinung zu fragen. Daß ihre Antwort über die Eignung der beiden Haudegen ablehnend ausgefallen wäre, läßt sich leicht ausrechnen. Bierhoff hat seinen Unmut über Sammers Entscheidung in einigen Medien anklingen lassen; der Geschäftsführende DFB-Präsident Theo Zwanziger übrigens versucht, den Konflikt als Kommunikationspanne darzustellen: „Der ganze Vorgang ist maßlos überbewertet. Es hat da vielleicht ein paar unvorsichtige Bemerkungen gegeben,“ zitieren ihn Agenturen. Doch wie in der Politik läßt sich nicht alles durch ein väterliches Wort in Harmonie auflösen; manche Interessen und Auffassungen sind nicht auf Dauer unter einen Hut zu kriegen. Jugendausbilder Sammer in der Klinsmann-Schule – kann das gutgehen? Michael Horeni und Jan Christian Müller, zwei Journalisten, die schon viele Jahre den DFB begleiten, haben in Gesprächen mit dem indirekten freistoss ihre Bedenken wegen Sammer geäußert.
Die Zeitungen nehmen sich dieses Themas an und unterziehen das Verhältnis zwischen den drei DFB-Spitzen einer kritischen Prüfung. Einige Kommentatoren glauben nicht, daß Löw und Bierhoff mit Sammer gemeinsam fruchtbringend säen werden. Andreas Lesch (BLZ) stellt heute die Vereinbarkeit der Ideen beider Antipoden in Frage: „Löw will, im Verbund mit Bierhoff, die Reformen auf die Jugendarbeit ausweiten. Er will mit dem geliebten frischen Offensivstil nicht nur die Köpfe der Nachwuchskicker erreichen, sondern auch ihre Beine. So ein Ziel braucht Zeit und viele Unterstützer. Das Problem ist, daß Sammer, der die Jugendarbeit koordinieren soll, nicht zu diesen Unterstützern gehört. Der Zwist zwischen den Kontrahenten ist grundsätzlicher Natur. Es fällt auf, wie scharf derzeit sogar die Dementis dieses Konflikts klingen.“
Akute Unstimmigkeiten zwischen den Rivalen
In seinem Kommentar vom Montag hat Lesch noch deutlicher den Gegensatz genannt: „Löw will die Neuerungen, die Klinsmann und er im A-Team etabliert haben, den Nachwuchsmannschaften des DFB näherbringen. Sammer unternimmt alles, um diese Absicht zu unterlaufen. Er hat Erich Rutemöller zum Coach der U20-Auswahl berufen – ausgerechnet jenen Übungsleiter, den Klinsmann im Mai 2005 wegen angeblich antiquierter Ansichten aus dem DFB-Trainerstab ausgeschlossen hatte. Dieser Affront zeigt, wie grundsätzlich sich die Auffassungen von Löw/Bierhoff und Sammer widersprechen. Im DFB duellieren sich Vorwärtsdenker und Rückwärtsdenker, Modernisierer und Traditionalisten. Der Konflikt, so scheint es, hat alle Zutaten für eine gepflegte Eskalation.“
Vorsichtiger, nämlich in Nebensätzen und in doppelten Verneinungen, formuliert Gregor Derichs (StZ) seinen Zweifel: „Problemfrei ist die Lage nicht. Bei der Entscheidung von Sammer, die Trainerstellen bei den Juniorenteams mit Rutemöller und Hrubesch zu besetzen, wurde Löw vor vollendete Tatsachen gestellt. Löw deutete nur an, daß Sammers Vorgehen nicht frei von Störungen blieb. Es ist ein Ziel des Bundestrainers, die Spielphilosophie der Offensivpower und die damit verbundenen Taktikstrategien auch im Nachwuchs durchzusetzen. Ob Rutemöller und Hrubesch, die als Vertreter alter Schule gelten, den Fußball moderner Prägung vermitteln können, wird kritisch gesehen.“ Die FAZ spricht in einem Vermittlungsversuch von „akuten Unstimmigkeiten zwischen den Rivalen Bierhoff und Sammer: Gute Freunde werden sie wohl nicht mehr; professionelle Partner aber müssen sie werden, soll die sportliche Leitung innerhalb des DFB auf Dauer überzeugend und synchron anmuten.“
Irritationen und Mißverständnisse
Der DFB hat nun, nach guter, deutscher Tradition, ein Kompetenzteam gegründet, dem neben Löw, Bierhoff, Sammer und Rutemöller auch DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt und der kommende Direktor Teammanagement, Wolfgang Niersbach, angehören; als externen Berater bringt Bierhoff Hockeytrainer Bernhard Peters ins Spiel. Ralf Köttker (Welt) pocht auf die Vorteile dieser Arbeitsgruppenbildung: „Daß sich die Gruppe um Bierhoff gegen die Berufung Sammers positioniert hat, belastet trotz aller gegenteiligen Bekundungen das Arbeitsverhältnis. Ein neues Gremium könnte Vorbehalte abbauen und Vertrauen bilden. Zumindest aber kann es verhindern, daß Kompetenzgerangel immer wieder öffentlich thematisiert wird. Damit wäre vor allem Löw geholfen. Er braucht ein ruhiges Umfeld, um die Mannschaft auf die EM-Qualifikation vorzubereiten.“ Andreas Lesch macht sich ebenfalls Sorgen um Löws Autorität: „Der neue Bundestrainer weiß, daß er diese Auseinandersetzung nicht als Verlierer beenden darf. Er muß jetzt sein Profil schärfen, er muß Stärke zeigen, er kann alles sein, nur nicht mehr der nette Herr Löw. Im September wollen die gegnerischen Lager sich treffen, um über die weitere Jugendarbeit zu sprechen. Es ist davon auszugehen, daß die Gesprächsatmosphäre wenig herzlich sein wird.“
Ob die Probleme damit behoben werden könnten, wenn Bierhoff und Sammer dauerhaft ein Büro in Frankfurt beziehen würden? Jan Christian Müller (FR) empfiehlt es zumindest: „Die Kräfteverhältnisse im DFB verschieben sich. Hier entsteht ein großes Machtvakuum, dort ein kleines. Kompetenzen sind noch nicht astrein verteilt, es kommt zu Irritationen und Mißverständnissen. Deshalb ist es gut, daß Bierhoff unterhalb des ebenso ehrenwerten wie ehrenamtlichen Präsidiums nun einen hauptamtlichen Sportvorstand bilden will und muß, der sich regelmäßig treffen soll. Bierhoff selbst muß sich dabei auch an die Kandare nehmen und öfter in Frankfurt auftauchen. Er hat sein Büro samt Assistentin am Starnberger See. Dennoch wundert er sich ein ums andere Mal, daß Entwicklungen aus der Frankfurter DFB-Zentrale an ihm vorbeilaufen – oder er, wie jüngst kritisiert, von Personalentscheidungen mit Verspätung erfährt. Nicht minder seltsam mutet an, daß Sammer bald nach Amtsantritt beim DFB von Stuttgart nach München zog und nicht nach Frankfurt, wo er an drei Tagen pro Woche seiner Arbeit nachgeht. Wenn man es nicht so leid wäre, könnte man glatt eine Wohnsitzdebatte inszenieren.“
taz: Über die Schweizer Prägung Löws – ein Gespräch mit Löws Mentor Rolf Fringer
Tsp: Wie Löw die Arbeit seines Vorgängers fortsetzen will – erster Auftritt als Bundestrainer
FR: Joachim Löw sucht in der Post-Euphorie-Ära noch immer nach einem Co
Welt: Bundespräsident Horst Köhler lobt die deutschen Spieler, was er in der Politik vermißt: Leidenschaft, Frische und Mut zur Offensive
faz.net: Die Nationalmannschaft bei Köhler: „Sie haben uns einen unvergeßlichen Sommer beschert“