Deutsche Elf
Fortsetzungsgeschichte des deutschen Konjunkturaufschwungs
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| Freitag, 18. August 2006Eine Nachlese zum 3:0-Sieg gegen Schweden
Joachim Löw ist von den deutschen Medien einhellig vorausgesagt worden, daß er im Kontrast zur WM-Euphorie nun im „grauen Alltag“ der EM-Qualifikation die Schwierigkeit, auch die Undankbarkeit seiner Aufgabe zu spüren bekomme. Doch es sei nach dem 3:0 gegen Schweden vor 53.000 freudigen Zuschauern in Gelsenkirchen mal die Prognose gewagt, daß das Fest weitergehen wird – zumindest bei Heimspielen, zumindest wenn der Erfolg im großen und ganzen anhalten wird. Wenn selbst in der Heimstätte der Schalker, die bisher nicht den Ruf hatten, ein großes Herz für die Nationalmannschaft zu haben, an den Sommer 2006 angeknüpft wird und dem Dortmunder David Odonkor Handküsse zufliegen, dann muß Löw und seinen Spieler nicht bange sein. In gut zwei Wochen geht es nach Stuttgart, das sich seit dem 8. Juli daran macht, Dortmund als Heimstätte der deutschen Elf abzulösen. Zur Erinnerung, das Stuttgarter Publikum machte das Spiel um Platz 3 zwischen Deutschland und Portugal zu einem gefühlten WM-Finale, viele Zuschauer wollten gar nicht mehr nach Hause gehen; in Dortmund, das in der Vorrunde gegen Polen noch seine Kraft bewies, ist das Publikum beim Halbfinale gegen Italien in der Verlängerung fast eingeschlafen.
Die deutschen Zeitungen empfinden, in Berücksichtigung des schwachen Gegners, Grund zum Optimismus. Philipp Selldorf (SZ) preist die Tugenden der Mannschaft und den Langmut ihres Trainers: „Die Mannschaft hat eine Haltung entwickelt, die außer auf Emotionen und klassischen Werten – Entschlossenheit, Engagement, Gemeinschaft – auf fußballerischen Kriterien gründet. Ihr Stil beginnt zu reifen. In diesem Sinn bedeutet auch der Trainerwechsel einen folgerichtigen Schritt zur Selbständigkeit. Joachim Löw steht für das souveräne Trainerprinzip, Jürgen Klinsmann war der Mann für den besonderen Augenblick.“ Auch Roland Zorn (FAZ) traut Löw zu, die Spur, die an der WM eingeschlagen worden ist, zu halten: „Unaufdringlich, unaufgeregt, aber keineswegs unauffällig und unspektakulär hat die Ära nach Klinsmann begonnen. (…) Löws Start war verheißungsvoll und läßt Raum für positive Phantasie. Da die Spieler sich augenscheinlich wohl fühlen mit diesem Coach und dessen bekannten Methoden aus dem Reformhaus des Fußballs, hat die Nationalmannschaft in ihrem ersten Spiel nach der WM auf Anhieb frische Neugier geweckt. So macht man sich daheim neue Freunde und verschafft sich auswärts neuen Respekt. Keine schlechte Basis für eine gelungene Fortsetzungsgeschichte im Zeichen des jüngsten deutschen Fußball-Konjunkturaufschwungs.“
Jan Christian Müller (FR) erweist sich als Fachmann, indem er die spektakulärste Szene des Spiels hervorhebt: Miroslav Kloses sehr athletischen Kopfball zum 3:0, nach Bastian Schweinsteigers schußähnlicher Flanke: „Schweinsteiger hat eine der besten Flanken eines Rechtsfüßers mit dem linken Fuß geschlagen, die je im deutschen Fernsehen live übertragen wurde, und Miroslav Klose ließ einen atemraubenden Kopfball folgen, den in dieser Form im Weltfußball kaum ein anderer Profi in ähnlicher Perfektion zu vollführen in der Lage ist.“ Bemerkenswert, daß Müller seine Worte erklärt: „So viel Lob muß mal sein.“ Dieser Nachsatz klingt ja so, als ob man jedes Lob rechtfertigen müsse. Gerät der Schreibende hierzulande in den Verdacht des Stichwortgebers oder des Fans, wenn man einen Fußballer würdigt, der nicht Ronaldinho oder Zidane heißt? Hieße das im Umkehrschluß, daß dem Tadel der Weg in die Berichte erleichtert wird?
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