Am Grünen Tisch
Wie groß ist seine Integrationskraft tatsächlich?
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| Montag, 11. September 2006Kommentare zur Wahl Theo Zwanzigers zum DFB-Präsidenten und zum Abschied Gerhard Mayer-Vorfelders
Christian Tretbar (Tsp) befaßt sich mit den zu erwartenden Änderungen durch die Wahl Theo Zwanzigers und den Abschied Gerhard Mayer-Vorfelders: „Es wird ein anderer Ton herrschen. Ein leiserer. Zwanziger pflegt einen anderen Stil als sein Vorgänger. Das hat er schon in seinen ersten beiden Jahren bewiesen. Er polarisiert nicht, er moderiert und begleitet. Durchsetzungsvermögen hat er trotzdem. Er muß jetzt unter Beweis stellen, wie groß seine Integrationskraft tatsächlich ist. Und der DFB muß zeigen, wie ehrlich das Wahlergebnis von 100 Prozent für die neue Solo-Spitze tatsächlich war.“
BLZ: Zwanziger, der Brückenbauer und Zusammenfasser
SZ: Zwanziger erhält alle Stimmen – bis auf eine aus Bochum
Stück für Stück aus dem Amt gedrängt
Daß Mayer-Vorfelder vor zwei Jahren durch die Installierung der „Doppelspitze“ langsam, aber zielgerichtet von Zwanziger entmachten worden sei, meint Andreas Rüttenauer (taz): „Der Abgang des streitbaren Funktionärs ist alles andere als glanzvoll. Daß so viel Schatten auf den betagten Sonnenkönig aus dem Ländle gefallen ist, dafür hat sein Nachfolger gesorgt. Theo Zwanziger gibt gerne den braven Funktionär, der sich dem Amateurlager verpflichtet fühlt und dessen weiches Herz vor allem für den Frauenfußball schlägt. Der brave Jurist hat Gerhard Mayer-Vorfelder Stück für Stück aus dem Amt gedrängt. Ein machtpolitisches Meisterstück. (…) Nun regiert Zwanziger im DFB. Ein leiser Machtmensch folgt dem lauten Funktionärstrampel.“
Früher hätte Mayer-Vorfelder den Regierungsbeamten Zwanziger in der Pfeife geraucht
Josef-Otto Freudenreich (StZ) beleuchtet Mayer-Vorfelders Stärken: „Gerhard Mayer-Vorfelder war einfach schlau. Als Jurist wußte er, wo die Fallgruben versteckt waren. Als Politiker wußte er, wie das Netz darüber zu spannen war. Als Mensch wußte er, wie es tragfähig zu halten war. Es klingt unglaublich angesichts der Heerscharen von Feinden, aber es war das herausragende Talent des Badeners und einstigen VfB-Präsidenten: Menschen gewinnen, jene, die er brauchte, um seine Macht zu sichern. Man kann das Seilschaften nennen oder, heute gängiger, Netzwerk, das ihn die ganzen Skandale, die manchmal auch nur Skandälchen waren, haben überleben lassen.“ Die Ablösung durch Zwanziger wertet Freudenreich als tiefe Niederlage Mayer-Vorfelders: „Am Ende hat dieses Talent gelitten. Sein kräftezehrender Lebenswandel – der Riesling und die Roth Händle – hat ihn geschwächt. Der Instinkt für die Intrige, die Trittsicherheit auf dem schmalen Grat des Machterhalts waren weggebrochen. So blieb er nur noch ein halber Präsident bei seinen Fußballern, widerwillig ertragen von Theo Zwanziger, einem ehemaligen Regierungspräsidenten, den er früher in der Pfeife geraucht hätte.“
Zuverlässiger Produzent von Possen jeglicher Couleur
Christof Kneer (SZ) versucht, Mayer-Vorfelders Vita zu zählen: „Sagt man nicht, dass man Scheidenden nur das Beste nachrufen soll? Kann man das bei einem wie EmmVau, dessen chronique scandaleuse gehaltvoller ist als ein guter Trollinger? Kann man sie einfach verschweigen, die Lotto-Affäre 1994, die Graf-Affäre 1996 – oder auch den Hoyzer-Skandal 2005, für dessen zögerliche Aufarbeitung er der politisch Verantwortliche war? Kann man verschweigen, daß er 2001 den DFB-Vorsitz übernahm und nur bis 2004 brauchte, um den Verband in zwei Lager zu spalten, wobei das eine Lager aus dem Verband bestand und das andere aus ihm? Kann man verschweigen, daß aus seiner Amtszeit kein nachhaltiges gesellschaftliches Programm überliefert ist, im Gegensatz zu Zwanziger, dem die soziale Seite des Spiels ein dominierendes Anliegen ist?“
Stefan Osterhaus (NZZ) ergänzt: „Noch immer, in den Stunden des Abschieds, polarisiert er nicht nur. Nein, Mayer-Vorfelder stößt nach wie vor auf offene Ablehnung. Vorwürfe bekommt er von vielen Seiten zu hören. MV hat sich auf seinem Weg durch die Institutionen als zuverlässiger Produzent von Possen jeglicher Couleur einen Namen gemacht.“ Auf Spiegel Online liest man: „Auf dem Spielfeld der Politik gab er am liebsten den Rechtsaußen, als Fußballfunktionär polarisierte er wie kein zweiter.“
FAZ-Interview mit Theo Zwanziger(vor der Wahl)