Champions League
Vorbote einer möglichen Krisensaison
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| Mittwoch, 13. September 2006Hamburg gegen Arsenal – zwei Teams mit Problemen treffen aufeinander
Die deutsche Fußballpresse schildert das Leiden des Hamburger Trainers Thomas Doll an der Mentalität seiner Mannschaft und die notwendige Geduld, die Arsenals Trainer Arsene Wenger mit seiner jugendlichen Auswahl aufbringen muß, kann und darf
Jörg Marwedel (SZ) macht die mangelnde Bindungskraft und den fehlenden Mannschaftsgeist des HSV als großes Problem aus: „Ausgerechnet das Team des erklärten Teamfreaks Doll ist derzeit kein echtes Team. Es leidet unter einer Krankheit, die sich unter dem Begriff ‚Morbus legeonaris‘ zusammenfassen läßt und zersetzende Wirkung haben kann. Das Konzept des HSV, überwiegend junge Profis mit internationalen Perspektiven zu verpflichten, lockt eben auch Spieler an, die Hamburg nur als Durchgangstation betrachten auf dem Weg zur ganz großen Karriere und die geäußerte Identifikation mit dem Klub ablegen, sobald ihnen ein noch attraktiveres Angebot ins Haus flattert. Kontinuität läßt sich so schwer in die ambitionierten Aufbaupläne bringen.“ In der Rückschau auf die Entwicklung Khalid Boulahrouz‘ in Hamburg, für dessen Verkauf die Hamburger viel Kritik und Häme hören mußten, verdeutlicht Marwedel: Boulahrouz habe sich „bald nach seinem rasanten Aufstieg beim HSV kaum noch unter Kontrolle halten lassen. Das kann einen Trainer Autorität kosten. “ Nun wird der Holländer mit lieben Grüßen aus London zitiert: „An Hamburg verschwende ich keinen Gedanken mehr. Gegen die Premier League ist die Bundesliga wie Schach.“ Marwedel sieht Doll eine brenzlige Situation: „Weil Doll zuletzt auch mit einigen Aufstellungen und Auswechslungen wenig Glück hatte, ist der bislang Unantastbare zum ersten Mal in seiner zweijährigen Amtszeit in die Kritik geraten.“
Nicht ganz so pessimistisch, aber in der Hauptaussage ähnlich, wertet Frank Heike (FAZ) die Lage des Trainers: „Für die meisten der kickenden Kollegen auf Zeit mit der Raute auf der Brust ist der HSV nicht mehr als ein gut zahlender Arbeitgeber. Für Thomas Doll ist er Leidenschaft und Herzenssache. Es wird zu seiner Reifeprüfung, aus dem immens teuren Kader der Hamburger ein Team mit Siegermentalität zu machen.“
Mag die Gegenwart enttäuschen, Arsenal hat immer ein Team mit Zukunft
Christian Eichler (FAZ) trifft eine andere Diagnose. Er macht für die Schwäche des HSV und die Schwäche Arsenals deren Neigung zu Schönheit und Stil verantwortlich: „Derzeit zeigen Arsenal wie der HSV die Kehrseite der ‚kreativen‘ Mannschaften: die Anfälligkeit für Schwankungen. Mächtige Rivalen, die sich ausgereifte Kader leisten können und Teams mit breitem Fundament, schaffen es auch, am unteren Rand ihrer Leistungskurve Beute zu machen. Sie kratzen zur Not krumme Tore nach Standardsituationen zusammen und verwalten damit knappe Siege gegen Mannschaften mit ähnlich vielen oder gar mehr Spielanteilen und Torchancen. Arsenal dagegen mit seiner Fixierung auf das Dreieck aus Tempo, Bewegung und Ballkunst muß immer dominant sein, um zu gewinnen, muß eine Abwehr immer auseinandernehmen und scheint dabei mitunter allzu besessen vom ‚perfekten‘ Spielzug, vom ‚traumhaften‘ Tor, als zählte das mehr als ein Abstauber. Und dann kommen solche Spiele zustande wie zuletzt gegen Middlesbrough: 17:1 Torschüsse, 67 Prozent Ballbesitz, Endstand 1:1.“ Das Spiel heute könne eine Wegmarke der jungen Saison sein: „Der Elfte der Bundesliga trifft auf den Siebzehnten der Premier League. Es ist nur eine Momentaufnahme, aber eine, in der der erste Spieltag der Champions League schon mehr ist als nur ein leichter europäischer Aufgalopp: nervenbelastender Vorbote einer möglichen Krisensaison.“
Eichler bewundert Trainer Arsene Wenger aber auch für seine Treffsicherheit bei der Talentsichtung und die Konsequenz, junge und unbekannte Spieler zu engagieren und zu entwickeln: „Als wäre Arsenal nicht schon letzte Saison jung genug gewesen, als man mit einer ‚Baby-Abwehr‘ in der Champions League 995 Minuten ohne Gegentor blieb, zeigt man nun: Es geht noch jünger. Da muß man Rückschläge im Reifeprozeß in Kauf nehmen. Wohl kein anderer Toptrainer in Europa hat dazu so viel Geduld wie Wenger – und so viel Rückhalt: Nach zehn Jahren Arsenal genießt er bei dem Londoner Traditionsklub so etwas wie eine Lebensstellung. Dafür kann er eins garantieren: Mag die Gegenwart manchmal enttäuschen, Arsenal hat immer ein Team mit Zukunft.“ Raphael Honigsteins (Tsp) Urteil über die Lücke in Arsenals Führung wird man in Hamburg gerne lesen: „Wengers sportliche Omnipotenz hat ihn zumindest phasenweise seine puristischen Ideen verwirklichen lassen, sie hat aber auch einen entscheidenden Nachteil: Ihm fehlt ein fähiger Sportdirektor wie Dietmar Beiersdorfer, der Jahr für Jahr versierte Verteidiger ausfindig macht.“
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