Bundesliga
Vertrauensverlust
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| Dienstag, 19. September 2006Die Diskussion um eine Indiskretion in Schalke und die Nichtnominierung Gerald Asamoahs verdrängt die Tabellenführung des Schalke-Bezwingers Hertha / Euphorie in Frankfurt
„Schalke 04, Hort der Denunziation?“, fragt die SZ plakativ. Fußballdeutschland diskutiert über Schalker Indiskretionen, also über Gerald Asamoah, dem niemand das zutraut, wofür die Vereinsführung ihn straft: die Drohung, dem Trainer öffentlich Ärger zu machen, wenn er ihn, Asamoah, nicht aufstellt. Doch in die Kritik geraten stattdessen Trainer und Manager, denen die Presse vorwirft, aus der Mücke einen Elefanten zu machen; im Verdacht, an den Strippen zu ziehen, steht Spielerberater Roger Wittmann, der einige Schalker Spieler als Kunden betreut, darunter Asamoahs Sturmrivalen Halil Altintop, der die „Schweigepflicht“ gebrochen haben soll. Der Financial Times entnehmen wir, daß es zwei Versionen gebe: „Die eine beschreibt die Kette über Altintop zu Lincoln, der den Inhalt an Kapitän Bordon weiterleitete, der wiederum beim Trainer vorstellig wurde. Ein anderer Ansatz zieht die Linie von Altintop zu Wittmann, der den Manager informierte.“
Philipp Selldorf (SZ) verteidigt Asamoah und kritisiert die Klubführung: „Nicht die Äußerungen Asamoahs sind Kern des Problems, sondern der Umgang mit ihnen und die von Manager Müller und Trainer Slomka zu verantwortenden Folgewirkungen für die Firma Schalke 04. Ein Zwiegespräch wird zu einem öffentlichen Vorgang erklärt und zum Anlaß einer demonstrativen Strafaktion durch die sportliche Leitung. Als Grundlage der Ermittlungen gegen Asamoah dienen Hörensagen-Berichte von Mannschaftskollegen und Hinweise aus Altintops Berateragentur Rogon, die acht Spieler in Schalke vertritt – darunter drei Fünftel des Mannschaftsrates. Dieser Vorgang ist definitiv nicht team- sondern zwietrachtbildend, und er schärft auch nicht die Autorität des Managers und des Trainers. Er schafft bloß Vertrauensverlust.“
Felix Meininghaus (FTD) kennt die alte „Schalker Wunde“: „Eigentlich gilt der vertrauliche Umgang mit Inhalt der Kabinengespräche unter Fußballern als Selbstverständlichkeit. Daß immer wieder gegen diesen Ehrenkodex verstoßen wird, ist eines der Schalker Grundübel der letzten Jahre.“ Zudem deutet Meininghaus an, was es für Schalke bedeuten könnte, wenn Wittmann hinter der Sache stecken würde, indem er das Beispiel Kaiserslautern ins Gedächtnis ruft: „Es würde ein Besorgnis erregendes Bild vom Machtgefüge auf Schalke ergeben. Wittmann, der mit Rogon wichtige Schalker Akteure wie Altintop, Kuranyi, Lincoln, Bordon und Ernst zu seinen Klienten zählt, hatte einst in Kaiserslautern Politik gemacht – was dem heutigen Zweitligisten nicht gut bekommen ist.“ Javier Cáceres (SZ) befaßt sich mit den wirtschaftlichen Folgen: „Nun muß das Millionen-Unternehmen Schalke fürchten, daß sich eine ursprünglich auf Kindergartenniveau abspielende ‚Affäre‘ aufgrund miserabler Verwaltung zu einer ernsten Geschäftskrise ausweitet.“ Über diese Sache wird sicher noch zu lesen sein.
Ein Lokalkolorit, den sonst kein Verein aufweisen kann
Michael Reinsch (FAZ) führt die Berliner Tabellenführung auf eine neue Offensive zurück: „Während der Weltmeisterschaft war Berlin mit seinen Spielen, mit seiner Fanmeile, mit seinen Fernsehstudios und mit dem Finale Mittelpunkt der Welt gewesen. Als wollten sie den Schwung der Nationalmannschaft im Olympiastadion behalten, setzen Hoeneß und Götz in dieser Saison auf zwei Stürmer.“ Süffisant daran ist die Behauptung, Trainer u n d Manager seien an dieser taktischen Entscheidung beteiligt; eigentlich ist das ja Trainersache. Der Hintergrund dieser Randbemerkung: In den Medien kursiert seit Jahren das Gerücht, Dieter Hoeneß diktiere seinen Trainern gerne mal in die Aufstellung.
Wo sind die Frösche hin? Cáceres notiert seinen Gefallen über die neue politische Kultur im Hertha-Block: „Der Wille, das Spiel gewinnen zu wollen, war bei den Berlinern weit erkennbarer als bei den Schalkern. Ebenso bemerkenswert: das Publikum. Als in der Halbzeit die Wahlübertragung eingeblendet wurde und die Hochrechnungen der Landtagswahlen aufschienen, wurden die Resultate aus Berlin interessiert, aber zurückhaltend verfolgt. Der Einzug der Nazis ins Parlament in Mecklenburg-Vorpommern hingegen wurde mit wütenden Pfiffen der 60.000 quittiert. Kein Fußbreit den Faschisten – bei Hertha BSC. Darauf wäre man vor ein paar Jahren auch nicht auf Anhieb gekommen.“
Matthias Wolf (FAS) stellt die Berliner Nachwuchsschule als vorbildlich und fruchtbar dar: „Ehrgeizige Jugendprojekte gibt es viele in Deutschland. Aber oft wird gut ausgebildet – und dann spielt doch der erfahrene Ausländer. In Berlin ist derzeit eine andere Tendenz sichtbar: 34 Herthaner waren vergangene Saison in den diversen DFB-Junioren-Teams im Einsatz. Seit dem Jahr 2000 hat Hertha 14 Spieler aus der eigenen Jugendakademie zu Erstliga-Einsätzen gebracht. Aktuell stehen 15 Spieler im Alter unter dreiundzwanzig Jahren im Kader. 10 Kicker sind waschechte Berliner – ein Lokalkolorit, den sonst kein Verein aufweisen kann.“
BLZ: Die Tabellenführung von Hertha BSC ist in erster Linie ein Zeugnis der schwächelnden Konkurrenz
Spielertrainer
Tobias Rabe (FAZ) weiß nicht so genau, was er von der Frankfurter Euphorie nach dem 3:1 über Leverkusen halten soll: „Bei so viel Begeisterung auf Seiten der Verantwortlichen und Spieler stellt sich fast die Frage, wie erfolgreich die Frankfurter spielen werden, wenn erst wieder die Verletzten und Gesperrten zurückkehren.“ Tobias Schächter (SZ) zählt 35 Ringe in Sergej Barbarez‘ Baumstamm: „Ihm liegt ein Angebot seines Verbandes vor, Spielertrainer der Nationalmannschaft zu werden. Das will er zwar nicht annehmen, dabei agiert Barbarez bereits wie ein Spielertrainer: wild gestikulierend, die Mitspieler anstachelnd, immer wieder in starken Momenten Klasse zeigend; doch sein Alter kann Barbarez nicht kaschieren.“
stern.de: „Das Post-Klinsmann-Syndrom“ – die Schwäche der Branchenführer als Folge der WM
NZZ: Hannover 96, Hort der Desperados, mit zarten Anzeichen von Besserung
SpOn: „Alemannia scheint auf dem Weg, die Nachfolge der Spaßclubs Freiburg und Mainz anzutreten. Aber am Tivoli ist alles anders. Aachen ist ein Traditionsclub mit einem einzigen verläßlichen Begleiter: der Tragödie“
Bild bemerkt: „Englischer Humor? Im Sender SKY News lief die Meldung vom Beinbruch bei Owen Hargreaves unter der Überschrift ‚Breaking News‘.“