Am Grünen Tisch
Wenn nur diese verdammte Organisation nicht wäre
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| Mittwoch, 20. September 2006Die Presse verfolgt mit Spannung, ob die WM 2010 tatsächlich in Südafrika stattfinden wird; zu deutlich sind die Organisationsmängel. Die SZ meldet heute, daß Deutschland eine Art Kolonialhilfe senden werde, Horst Schmidt, und lacht sich leise ins Fäustchen, liegt Afrika schließlich dem geliebten Fifa-Präsidenten so sehr am Herzen. Spekulationen sehen die USA als Ausweichort vorne
Wo wird die WM 2010 stattfinden? Daß diese Frage, die seit vier Jahren beantwortet schien, seit Monaten wieder gestellt wird, ist auf die Skepsis gegen den Ausrichter Südafrika zurückzuführen. Nun hat sich auch Fifa-Präsident Joseph Blatter („Ich habe noch niemanden mit Spitzhacke und Spaten gesehen“) vor die lange Reihe der Zweifler gestellt, denen drei allgemeine Organisationsmängel ins Auge stechen:
Stadionbau: ungesicherte Finanzierung und Stillstand der Neubauten sowie schlechte Bausubstanz der alten Stadien
mangelnde innere Sicherheit
rückständige Infrastruktur, etwa öffentliche Verkehrsmittel betreffend.
Die SZ meldet heute den Vollzug einer Personalentscheidung, über die schon lange gemunkelt worden ist: Horst Schmidt, Vizepräsident des deutschen WM-OKs, wird als Leiter eines Krisenstabs in Südafrika zu Hilfe gebeten. Thomas Kistner stellt in Frage, ob der Deutsche dort willkommen ist: „Organisatorischen Austausch gibt es seit längerem, die Zeit wurde vor allem genutzt, um Animositäten aufzubauen. Unvergessen ist die hauchdünne Abstimmungsniederlage gegen die Deutschen im Juli 2000 – trotz Blatters Schützenhilfe. Seither wird den Deutschen gönnerhaftes Auftreten nachgesagt.“
Doch mit der Frage, wo und wie die deutsche Kolonialhilfe ansetzen könnte, hält sich Kistner nicht lange auf; vielmehr spekuliert er über Ausweichorte. Dem Gastgeber 2006, auf deren Zuschlag die Bild am Sonntag hofft, räumt Kistner schlechte Karten ein, da Blatter, dem ein schwieriges Verhältnis zu den Deutschen nachgesagt wird, dieser Apfel zu sauer wäre. Stattdessen habe die USA beste Karten: „Nichts spricht technisch gegen die USA, zugleich sportpolitisch alles dafür. Den Gesichtsverlust, nach 2006 gleich wieder nach Europa gehen zu müssen, diesmal als bettelnde Asylsucher – die Peinlichkeit will sich der Weltpräsident Blatter ersparen. Asien 2002 war kein nachhaltiger Erfolg, der Fußball profitierte kaum von der WM, die Stadien blieben leer. Südamerika ist gemäß Rotationsprinzip 2014 dran, mit Brasilien. Dies vorzuziehen, ist jedoch illusorisch, auch beim fünfmaligen Weltmeister müssen zwölf Stadien erst noch gebaut werden.“ Fazit: „Für 2010 dürfen sich die USA warmlaufen – es sei denn, Krisenhelfer Schmidt kriegt die Karre am Kap noch flott.“
Allein die Mutmaßung, Südafrika könnte die WM 2010 entzogen bekommen, provoziert Schadenfreude in Fifa-kritischen Kreisen. So lacht sich Kistner ins Fäustchen, wenn er an die Entschiedenheit denkt, mit der Blatter ein afrikanisches Gastgeberland durchgesetzt hat: „Mehr als jeder andere sorgte er dafür, daß die WM ans Kap gelangte. Zweimal ließ er sich zum Fifa-Boß wählen, zweimal rekrutierte er einen entscheidenden Anteil Stimmvolk aus Afrika – da gilt es, vollmundige Versprechen einzulösen. Zudem können sich die Kickerfürsten, die ja stets auf den Friedensnobelpreis schielen, als moralische Supermacht profilieren, wenn sie den Fußball in Afrika und mithin für ‚eine bessere Welt einsetzen‘. Wenn nur diese verdammte Organisation nicht wäre (wäre spannend gewesen, die WM 2006 in Südafrika zu sehen).“