Am Grünen Tisch
Die Südafrikaner zusammengestaucht auf einsfünfzig mit Hut
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| Donnerstag, 21. September 2006Schmiergeldfall in England, Einblicke in die deutsche Szene / Verhandeln die USA deswegen mit Jürgen Klinsmann, damit er sie 2010 bei der Heim-WM zum Titel führen soll?
Die BBC hat mit verdeckter Kamera und der Hilfe des Deutschen Knut auf dem Berge (das kann kein Pseudonym sein) eine Dokumentation gedreht, in der große Teile der Premier League der illegalen Geschäfte bezichtigt werden. Jan Christian Müller (FR) gibt Einblick in die Machenschaften der deutschen Szene, im konkreten, wie Transfers verhandelt werden können: „Jeder in der Branche weiß, wie es in der Praxis funktionieren kann: Wechselwillige Spieler werden Managern oder Trainern von dessen Beratern mitsamt sportlichen u n d finanziellen Argumenten angeboten. Sind die sportlichen Argumente nicht überzeugend, kann eine entsprechende Aufteilung des Beraterhonorars zwischen Spielerberater und Vereinsmanager/trainer den Willen zur Verpflichtung um ein Vielfaches erhöhen. Daß mitunter mittelmäßige Fußballprofis ihren Ex-Trainern karawanenartig von Klub zu Klub durch die Republik folgen, hat schon seit Jahren zu Verdächtigungen geführt, die freilich niemals bewiesen werden konnten.“
Müller reicht eine Leseprobe des Schwarzbuchs Fußball-Bundesliga dar: „Nur selten geraten schmutzige Geschäfte an die Oberfläche: Eintracht Frankfurts gesetzeswidriges Steuersparmodell mit Anthony Yeboah; unlautere Nebenabsprachen des 1. FC Kaiserslautern in mehrfacher Millionenhöhe mit Youri Djorkaeff oder Taribo West; im Zuge der Vertragsanbahnung als Darlehen deklarierte Zahlungen von Bayern München an Sebastian Kehl und Sebastian Deisler; die Schwarze Kasse bei Werder Bremen zur Finanzierung des Russen Wladimir Bestschastnich. Die Liste an Verstößen gegen die guten Sitten ließe sich fast beliebig fortführen – bis hin zum heimlichen 90-Millionen-Mark-Deal der Kirch-Gruppe mit dem FC Bayern als ‚Stillhalte-Prämie‘, in dessen Folge der Branchenführer plötzlich großzügig auf die Eigenvermarktung seiner TV-Rechte verzichtete – und später wenig reumütig drei Millionen Euro an die ebenso enttäuschten wie erbosten Liga-Konkurrenten zurückzahlte.“
SZ: BBC-Dokumentation belastet Chelsea, Tottenham, die Bolton Wanderers und einige andere aus Englands Fußball
NZZ: „Wir wissen über die Korruption im englischen Fußball gleich viel wie vorher, nämlich, daß sie sehr wahrscheinlich weit verbreitet ist. Aber eine genaue Adresse fehlt immer noch.“
SpOn: Schmiergeldskandal in England
SZ: 1860 München spricht mit der US-Bank Morgan Stanley über frisches Kapital – schon einmal wurden sie mit amerikanischer Hilfe gerettet
BLZ: Die neuesten Korruptionsgeschichten aus den Verbandsspitzen des Volleyballs, des Boxens und des Judos
Der beste Heimtrainer der Welt
Ein weiteres Indiz – Oskar Beck (Stuttgarter Zeitung), läßt sich nichts vormachen und schließt die Vermutung um einen WM-Ortswechsel von Südafrika nach USA mit dem Gerücht kurz, die USA verhandelten mit Jürgen Klinsmann, dem Spezialisten für WM-Patriotismus und -Euphorie: „Die Amerikaner haben ausgerechnet jetzt, wo Blatters Zorn auf die Südafrikaner stündlich wächst, offenbar die eiserne Absicht, sich bei der Qual der Wahl zwischen Sven Göran Eriksson und Jose Pekerman für Klinsmann zu entscheiden. Also für den besten Heimtrainer der Welt. Auswärts kocht Klinsmann auch nur mit Wasser und verbrüht sich die Finger, man hat es vor der letzten WM schmerzlich erleben müssen – aber vor dem eigenen Publikum springt sein Funke über, da sorgt dieser Feuerspucker für die zündende Aufbruchstimmung, und die US-Boys, die das Herzblut und die Hingabe schon mit der Muttermilch eingeflößt bekommen, werden ihm im Hexenkessel des Heimvorteils in den WM-Triumph willig folgen. Jedenfalls werden die Amerikaner ihrem Beuteschwaben ein Angebot machen, das er nicht ablehnen kann: Von der Revolverpresse droht kein Störfeuer, er kann in Ruhe arbeiten – und darf sogar ungestraft in Kalifornien wohnen bleiben. Er muß der WM beim nächsten Mal nicht hinterher fliegen. Die WM fliegt ihm zu.“
Ist Blatters Kritik an Südafrika überhaupt ernstzunehmen? Aber hallo, entgegnet Beck: „Der Fifa-Chef hat das südafrikanische WM-Organisationskomitee wegen des alarmierenden Bauverzugs in den Stadien nicht einfach kritisiert, sondern zusammengestaucht auf einsfünfzig mit Hut.“
Rechte und Pflichten
Friedhard Teuffel (Tsp) kommentiert die Entscheidung eines Berliner Arbeitsgerichts, die Suspendierung eines Spielers von Union Berlin aufzuheben: „Hohe Bezahlung und öffentliche Aufmerksamkeit sind kein Ausgleich für verletzte Arbeitnehmerrechte. Das hat schon der Europäische Gerichtshof vor elf Jahren in der Bosman-Entscheidung festgelegt. Seitdem dürfen Fußballspieler unter anderem nach Ende ihrer Vertragslaufzeit ohne Ablösesumme ihren Arbeitsplatz wechseln. Gegenüber ihrem Arbeitgeber haben Fußballspieler schließlich dieselben Pflichten wie andere – auch wenn wohl nur bei Fußballern an jedem Wochenende diskutiert wird, ob sie nicht gerade mal wieder ihre Arbeit verweigert hätten.“
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