Ascheplatz
Verschlungene Laufwege des schmutzigen Geldes
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| Montag, 25. September 2006Handaufhalten beim Spielerhandel, gefährlicher als Spielmanipulationen? – Das Wahlprogramm Michel Platinis, ehrlich und realistisch? – Die wiederentdeckte Liebe der Pfälzer zum FCK – Börsengänge nun auch für französische Klubs erlaubt
Wird das Fußball-Business immer finsterer? Die BBC-Dokumentation über fragwürdige Praktiken in England bringt eine eher unbekannte Form der Mißwirtschaft ans Tageslicht: Trainer, Manager und andere Vereinsmitarbeiter verdienen an Spielertransfers, denen sie sonst nie zustimmen würden. Christian Eichler (FAZ) nennt das Korruptionspotential durch den Handel mit Spielern „das dunkelste und lukrativste des Fußballs“ und hält dieses Delikt für kapitaler als Ergebnismanipulationen. Ihm fallen einige Spielerkäufe aus der jüngeren Bundesliga-Vergangenheit ein, die er gerne noch mal aus dieser Perspektive betrachten würde: „Was Bolton-Coach Sam Allardyce und anderen in England vorgeworfen wird, dürfte auch in anderen Ligen passieren. Im Rückblick auf manch unsinnigen oder überteuerten Transfer stellt sich die Frage, ob es nur an der Dummheit des Klubs lag. Oder auch daran, daß irgendwo die Hand aufgehalten wurde.“ In den Verdacht geraten auch Scouts: „Das muß nicht mal der Trainer sein. Es kann ein korrupter Scout sein, der doppelt kassiert: bei den Klubs, die sich von ihm irgendeinen kommenden ‚Star‘ andrehen lassen – und bei denen, die diesen Spieler unterbringen wollen. Vielleicht sogar ein drittes Mal: bei denen, die von ihm die wahren Perlen bekommen.“
Den Fall West Ham United greift Eichler heraus, um seine Furcht vor der totalen Verdunklung des Fußballgeschäfts zu unterstreichen: „Hier wäre er, der Königsweg der Korruption: Vernetzung der Vertriebswege, Bündelung der Besitzverhältnisse – Zukunft des Fußballs. Klubs, die Investoren gehören, mit Spielern, die Investoren gehören, und diese Besitzverhältnisse so geheim und verschachtelt wie all die zwischen Briefkastenfirmen und Offshore-Banken bewährt verschlungenen Laufwege des schmutzigen Geldes.“ Hintergrund: West Ham United beschäftigt zwei argentinische Spieler, die angeblich auf Druck ihrer Besitzer, denen nachgesagt wird, eine Übernahme des Klubs zu planen, über eine Stammplatzgarantie verfügen.“ Eichlers bekümmertes Resümee: „Im Fußball wird man auch in Zukunft die Tore sehen und die Ergebnisse. Man wird aber wohl nicht immer wissen, wem sie nützen.“
Sehnsüchte als Wahlpropaganda?
Felix Reidhaar (NZZ) wälzt das Wahlprogramm Michel Platinis, der für den Vorsitz der Uefa kandidiert: „Er bleibt ganz, aber nicht ausschließlich, der Kandidat und Hoffnungsträger der ‚Kleinen‘, um deren Gunst er seit geraumer Zeit mit intensiver Reisediplomatie erfolgreich buhlt – ganz nach dem Vorbild seines Protektors auf dem Zürcher Sonnenberg.“ Doch sind Platinis Pläne glaubhaft und realistisch? Reidhaar äußert Skepsis in Details und im Ganzen: „Vor allem mit dem Hinweis, die hoch lukrative Champions League behutsam aus den Fesseln der ‚geschlossenen Klubs‘ zu lösen, schmiert er den Vertretern kleinerer Verbände und Vereine Honig um den Mund. Diese in einigen Programmpunkten erkennbare Rückwärtsgewandtheit des einst begnadeten Technikers auf dem Rasen, so sehr sie Nostalgiker entzückt und so wenig man sie als verwerflich bezeichnen kann, steht im scharfen Gegensatz zur galoppierenden Kommerzialisierung des Metiers. Vielleicht sind fußballerische Sehnsüchte à la Platini nur taktische Wahlpropaganda und deshalb nicht besonders dauerhaft.“
taz: Warum Jack Warner, ein offensichtlich korrupter Fifa-Funktionär, ungestraft Karten verschachern darf und Joseph Blatter daran keinen Anstoß nimmt
Abkehr von Mißwirtschaft und Rationalismus
Tobias Schächter (SZ) geht der Frage nach, warum die Fans den 1. FC Kaiserslautern, dem Abstieg zum Trotz, ihren Klub wieder lieben. Den wichtigsten Grund findet er in der Abkehr vom Rationalismus der letzten Jahre und der Großmannssucht in der Zeit davor: „Die Nachfolger des radikal sanierenden Vorstandsbosses René Jäggi suchen die Nähe zu den Fans. Der Verein ist bemüht, Demut zu zeigen. Vorstandsmitglied Arndt Jaworski hat die Image-Kampagne ‚Das Herz der Pfalz‘ ins Leben gerufen. Es gab einen Diskussionsabend mit Vereinsgrößen, und auch die Spieler gehen wieder raus zur Basis: Fabian Schönheim und Daniel Halfar verteilten zuletzt an 40 Erstklässler der Betzenberg-Grundschule Geschenktüten. Solche Aktionen gab es in den vergangenen Jahren nicht, als die alte Führung um Jürgen Friedrich den FCK als Projektionsfläche der eigenen Eitelkeit mißbrauchte und finanziell abwirtschaftete.“ Die vier durch Grabenkämpfe gezeichneten Jahre der Ära Jäggi, die den Klub zwar vor dem Ruin bewahrten, aber sportlich mit dem Abstieg endete, waren ein Martyrium für die Fans. Mehr als 1.000 Neueintritte zeugen von Solidarität mit der neuen Führung.“ Zudem schätzten die Leute das Vertrauen der Führung in die Jugend der Region, wodurch „Talente aus der Pfalz die Protagonisten geben und so neue Identifikationsmöglichkeiten schaffen.“
Liebhaberobjekte
Anläßlich der Genehmigung für französische Fußballklubs, an die Börse zu gehen, prophezeit Christian Schubert (FAZ/Wirtschaft) eine Zunahme an Börsengängen europäischer Fußballvereine. Er beruft sich auf den Bloomberg European Football Club Index und zieht ein kritisches Fazit: „Den Klubs verschafften die meisten Börsengänge Millioneneinnahmen, den längerfristig orientierten Anlegern dagegen in der Regel nur hohe Verluste.“ Die Ursachen der Probleme für Fußballaktiengesellschaften, Dividenden auszuschütten, lägen vor allem an Mängeln in der Vereinsführung, aber auch in der Natur der Sache: „Analysten weisen darauf hin, daß den Vereinen oft ein solides, langfristig ausgerichtetes Finanzmanagement fehlt. Neben schwankenden Ergebnissen auf dem Rasen stört viele Anleger die Unfähigkeit, vom sportlichen Erfolg unabhängige Einnahmen zu erzielen. Der Kauf teurer Spieler wird dann oft zum unbegrenzten Risiko.“ Fußballaktien seien daher in erster Linie Liebhaberobjekte: „Am Ende bleiben fast nur die glühenden Fans als Aktionäre übrig, die nicht aus Rendite-Überlegungen zugegriffen haben. Die Liquidität der Aktien ist damit entsprechend gering. Institutionelle Anleger gehen daher nur mit spitzen Fingern an die Titel heran, wenn überhaupt.“