Deutsche Elf
Der Egon Krenz des Sportjournalismus
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| Freitag, 29. September 2006Das DFB-Kompetenzteam gründet sich, doch die Presse nimmt das Verhältnis der Beteiligten kritisch unter die Lupe; besonders Matthias Sammer wird mit Argusaugen betrachtet / Die Sport Bild wendet ihren Hals und verliert ihr Gedächtnis: Sie fordert die Liga auf, sich an Klinsmann zu orientieren / Trend zur Jugend in der Bundesliga?
Das erste Treffen des DFB-Kompetenzteams hat zur Folge, daß die Redaktionen das Verhältnis der Beteiligten beäugen, in erster Linie das zwischen Oliver Bierhoff und Joachim Löw auf der einen und Matthias Sammer auf der anderen Seite. Michael Horeni (FAZ) berichtet gestern von Bierhoffs Skepsis an Sammer: „Sammers konzeptionelle Befähigung für den Sportdirektorposten bezweifelte Bierhoff von vornherein. Öffentliche Auseinandersetzungen haben die beiden Europameister von 1996 bisher jedoch vermieden, sie pflegen ein demonstratives Nichtverhältnis.“ Hoffnung, der neue Ausschuß könnte den deutschen Fußball voranbringen, hegt Horeni nicht: „Wie angesichts des latenten Mißtrauens und der unterschiedlichen Anschauungen eine wirklich ergebnisoffene Diskussion nach dem besten Weg des deutschen Fußballs möglich sein soll – diese Kernfrage könnte selbst für das stattliche Kompetenzteam ein auf ewig ungelöstes Geheimnis bleiben.“
Jetzt wollen alle mitreden
Auch Joachim Löw sagen die Fußballmedien nach, daß er mit Sammer auf nicht viele grüne Zweige kommen werde. Das Monatsmagazin Rund schlägt sich auf die Seite der „Klinsmänner“ – so heißen die Befürworter und das Gefolge des Ex-Bundestrainers – und vermutet, daß die Verbindung zwischen Löw und Sammer wegen der lumpigen Umstände von Sammers Inauguration für die Zukunft gestört sei: „Das Schwierige an Löws Job hat rote Haare, Sommersprossen, hört auf den Namen Matthias Sammer und wurde von den Besitzstandswahrern des deutschen Fußballs und deren Verbündeten auf den Job des Sportdirektors gehievt. Wie wichtig der bei Borussia Dortmund und dem VfB Stuttgart gescheiterte Trainer für die Entscheidung Klinsmanns war, seinen Vertrag mit dem DFB nicht zu verlängern, ist noch zu klären. Sammer profitiert aber davon, daß Klinsmann, Löw und Bierhoff den Job des Sportdirektors – im Vertrauen darauf, daß es Bernhard Peters wird – mit vielen Kompetenzen ausgestattet hat. Doch während Klinsmann in diesem Fall wohl die Machtfrage gestellt hätte, ist Löw vorsichtiger. Ob er mit Sammer jemals vertrauensvoll zusammenarbeiten kann, ist gleichwohl fraglich.“
Horeni fragt sich, was Sammer eigentlich will und vorhat und zieht noch einmal sarkastisch über das Establishment her, das Anfang des Jahres mit der Verpflichtung des neuen Sportdirektors nur Klinsmanns „fachfremden“ Peters verhindern wollte: „Fast fünf Monate ist Sammer nun in einem Amt, das der DFB über hundert Jahre lang nicht vermißt hat. Aber als kurz zuvor ein Hockey-Bundestrainer für diese Aufgabe vorgeschlagen wurde, ist der Schreibtischjob des DFB-Sportdirektors so wichtig geworden, daß jetzt alle mitreden wollen – und das dürfen sie nun auch ganz offiziell.“ Horenis Fazit: „In zentralen Fragen wurden die Gemeinsamkeiten zwischen Sportdirektor und Nationalmannschaftsführung nicht oder nur ganz schwach sichtbar.“
Ich bin Sportdirektor – ich bin Stratege
Von Löw erwartet Rund große Dinge: „Die Revolution ist nicht vorbei, sie wird permanent. Klinsmann forcierte mit seiner kompromißlosen Art die Umwälzungen im deutschen Fußball im Schnelldurchgang. Mit Löw setzt der zweite, der stille Teil der Revolution ein, die den deutschen Fußball jetzt nachhaltig ändern soll. Während Klinsmann es verstand, das Team zu motivieren und bei den Nationalspielern im Ruf steht, ein emotionaler Hexer zu sein, hat sich Löw den Respekt durch seine fachliche Kompetenz erworben.“
Zwei sehr lange, fast identische Interviews mit Sammer in der FR und in der SZ, aus dessen Weisheiten man nicht so recht schlau wird, auch weil alles so verbissen klingt: „Eines wird in tausend Jahren noch Bestand haben: Das sind Regeln des Anstands und des Durchsetzens. Und wenn wir diese Regeln nicht mehr an unsere Jugendlichen weitergeben, wenn wir ihre Persönlichkeiten nicht mehr in diese Richtung entwickeln, dann habe ich Angst, daß wir die falschen Botschaften vermitteln.“ Freilich findet man in den Aussagen wenig, dem sich widersprechen ließe. Der Gipfel ist allerdings eine Behauptung, die die SZ auch noch in den Titel hebt: „Ich bin Sportdirektor – ich bin Stratege.“ Als stünde er vorm Spiegel, zöge sich eine Offiziersuniform an und sagte zu sich innerlich: „Kleider machen Leute.“
Tsp: Peters soll für das Kompetenzteam querdenken
FAZ: Peters soll den DFB beraten
Gewendete Hälse
Aus Sammers Trainerzeit wissen wir: Gegen ihn ist Rumpelstilzchen ein Phlegmatiker, und gegen Pit Gottschalk, den Chefredakteur der Sport Bild, ist Egon Krenz ein standhafter Sturkopf. Noch zu Zeiten, als die deutsche Elf an der WM die Vorrunde erfolgreich hinter sich gelassen hatte, ließ Gottschalk, oft in Verbund mit Offiziellen aus der Liga und dem DFB, an Klinsmann kein gutes Haar; nach der WM hat die Sport Bild, die sich selbst für ihre wahnsinnige gelungene WM-Berichterstattung feierte, in einem Nebensatz Klinsmanns Berge an Errungenschaften knurrend abgetan; einem Medienmagazin, das vor der WM erschien, hat ein anderer hochrangiger Sport-Bild-Reporter auf die Frage, worauf er sich freue, grimmig geantwortet: „auf den Tag, an dem Ottmar Hitzfeld Bundestrainer wird.“
In der vorletzten Ausgabe wendet die Sport Bild nun ihre Hälse.
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