Ascheplatz
Wer Geld braucht, kann sich seine Partner nicht aussuchen
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| Mittwoch, 11. Oktober 2006Weiterhin Skepsis über den Deal zwischen Schalke und Gasprom, das zuerst mit der Absage Borussia Dortmunds leben mußte, da die Dortmunder um ihren Ruf fürchteten / „Welcher Teufel reitet eigentlich Gasprom, sich ausgerechnet Schalke herauszusuchen?“ (BLZ)
Wladimir Putin, dessen Besuch keinen deutschen Demonstranten auf die Straße treibt, spricht heute mit der SZ unter anderem über die Georgien-Frage, den zugedrehten Gashahn für die Ukraine, den Mord an der russischen Journalistin Anna Politkowskaja, die gegenseitige wirtschaftliche Abhängigkeit zwischen Rußland und Deutschland und über die Partnerschaft zwischen Gasprom und Schalke: „Ich glaube, sie sollten sich darüber freuen. Was Schalke 04 betrifft, so geht es nicht um einen Kauf des Vereins. Es gibt den Wunsch einer Partnerschaft zwischen Schalke und dem St. Petersburger Verein Zenit, der ebenfalls von Gasprom gesponsert wird. Soweit ich weiß, sind die traditionellen Fans von Schalke 04 Bergleute. Das gehört ja auch zum Energiebereich. Für Gasprom ist Schalke also ein natürlicher Partner.“
Die SZ veröffentlicht noch einmal den Putin-kritischen Text der ermordeten Anna Politkowskaja aus dem Mai 2005 in einer Kurzfassung: „Rußlands Präsident hat den Weg des Landes zur Demokratie, den sein Vorgänger Jelzin eingeschlagen hatte, längst verlassen.“
Aus den Zeitungen erfahren wir heute auch, daß Gasprom zuerst, und zwar im letzten Jahr, an einem Sponsoring bei Borussia Dortmund interessiert gewesen sein soll. Die Dortmunder Vereinsführung um Hans-Joachim Watzke habe jedoch aus Sorge um den Ruf des Vereins abgelehnt. „Die Dortmunder Sanierer fürchteten, als leichte Beute osteuropäischer Investoren weiteren Image-Schaden zu erleiden, nachdem der Größenwahn der Dortmunder Vorgängergeschäftsführung den BVB an den Rand der Insolvenz getrieben hatte“, schreibt Richard Leipold (FAZ). Watzkes Vorgänger, der zwischendurch größenwahnsinnig gewordene Gerd Niebaum, hätte zugeschlagen, zitiert Leipold die Behauptung eines anonymen Insiders.
Schuldenmeister
Erstaunlich offen goutiert Leipold die Vorzüge der Dortmunder jetzigen Sponsoren, die er beim Namen nennt: „Die neue Geschäftsführung des börsennotierten Klubs, der viel zu lange viel zu hoch geflogen war, entschied sich für die bodenständige Lösung und gewann drei Partner, die nicht so mit dem Geld um sich werfen wie die Russen, aber hohes Ansehen genießen: das Investmenthaus Morgan Stanley ermöglichte als Kreditgeber den Rückkauf des Dortmunder Stadions; der Essener Energiekonzern RAG (der zunächst mit Schalke verhandelt hatte) und der Versicherungskonzern Signal Iduna wurden die wichtigsten Sponsoren.“
Was Dortmund und Schalke vereine, das sei die Attraktivität für einen Sponsoren: „Die Tradition, die Hingabe der eigenen Fans und die hohe Aufmerksamkeit auch beim sportlichen Gegner sind ein werthaltiger Standortfaktor in einer sonst strukturschwachen Region. Auch die wirtschaftliche Verfassung sprach für den einstigen deutschen Schuldenmeister Dortmund und seinen Nachfolger Schalke als Werbeträger für Gasprom. Wer dringend Geld braucht, kann sich seine Partner oft nicht aussuchen. Hier trennen sich die Wege von Dortmund und Schalke.“
Armen, reiche Russen
Jan Christian Müller (FR) bekundet sein Mißtrauen gegen den neuen Investoren wegen der Höhe dessen Einsatzes: „Weil Gasprom mehr als das Doppelte dessen zu zahlen bereit ist, was das Engagement marktüblich eigentlich kosten dürfte, fragt man sich, ob der vom Kreml kontrollierte Energiemulti nicht mehr vorhat, als nur den Namen auf einem königsblauen Fußballtrikot schillern zu sehen. Eine feindliche Übernahme des Kultklubs aus dem Pott lassen gleichwohl die Statuten der DFL nicht zu. Und doch: Die Schalker Verantwortlichen machen sich nun zwar von den Schechter-Millionen, deren Kapitaldienst ihnen wie ein Klotz am Bein hängt, unabhängiger. Aber sie begeben sich in einer neue, unbekannte Abhängigkeit. Ausgang ungewiß.“
Matti Lieske (BLZ) dreht den Spieß um: „Welcher Teufel reitet eigentlich Gasprom, sich von allen Klubs, die sich auf jenem europäischen Markt tummeln, den der Konzern erobern möchte, ausgerechnet Schalke 04 herauszusuchen? Gibt es denn keine hoffnungsvolleren Kandidaten, die möglicherweise noch nicht über alle Ohren verschuldet sind und nebenbei sogar noch besseren Fußball spielen? Sollten die armen reichen Russen tatsächlich auf ihr deutsches Aufsichtsratsschmuckstück hereingefallen sein, Gerhard Schröder? Einen Mann, der in seiner dunklen Vergangenheit als Fußballfan Klubs wie Hannover 96, Borussia Dortmund und Energie Cottbus hofierte? Immerhin waren die Gasprom-Leute so klug, leistungsbezogene Zahlungen in den Vertrag aufzunehmen, was die Kosten drastisch reduzieren dürfte. Andererseits haben sie sich einen Sitz im Aufsichtsrat ausreden lassen. Schade eigentlich, denn diesen Posten hätte – Möllemann läßt grüßen – gewiß der brave Herr Schröder übernommen, als eine Art Teutonen-Abramowitsch sozusagen. So aber können die russischen Gasmänner für ihr vieles Geld nicht einmal mitreden und müssen tatenlos zusehen, wie ihre schönen Euros im Schalker Pott verpuffen.“
SZ: Daß Schalke 04 in Zukunft im Stile von Roman Abramowitschs FC Chelsea den Transfermarkt abgrast, gilt als unwahrscheinlich
NZZ: Anrüchiges Geld aus der Taiga vom sibirischen Samariter?
Am Tropf des Kremls – das bevorstehende Geschäft zwischen Gasprom und Schalke weckt die Skepsis und eine diffuse Furcht in der deutschen Presse; sie warnt vor dem russischen Versuch, ungebeten Einfluß zu nehmen