Bundesliga
Frischer Wind
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| Montag, 16. Oktober 2006Der 7. Spieltag: Die Presse ergötzt sich an den vielen Toren und dem neuen Elan in Bremen, München, Stuttgart und anderen Orten / Lob den Hamburgern für ihre Treuebekundung zu Thomas Doll
35 Tore an einem einzigen Spieltag, Bremen entdeckt die Offensive wieder, jugendlicher Elan in Stuttgart, selbst die Bayern stürmen – leugnen hilft also nicht, schreiben Michael Horeni und Richard Leipold (FAZ) denjenigen Trainern (also Felix Magath) ins Stammbuch, die den Einfluß und die Einflußmöglichkeiten der Nationalmannschaft auf die Bundesliga bestreiten: „Kann die Liga tatsächlich nichts von Joachim Löw und von den Methoden seines Vorgängers Jürgen Klinsmann lernen und rein gar nicht vom neuen deutschen Elan profitieren? Ist es daher bloß ein Zufall, daß am siebten Spieltag auf einigen Plätzen des Landes endlich ein frischer Wind durch die edlen Arenen zu wehen schien – nach bisher arg enttäuschenden Wochen, in denen von Mut und internationalen Erfolgen bei den Vereinen fast nichts zu sehen war? Erste Zweifel am dauerhaften Fortbestand der fußballerischen Parallelwelten sind jedenfalls erlaubt, da die Klubs die Vorbildfunktion der Nationalelf mittlerweile immer weniger ignorieren können. Attraktiv und erfolgreich – diese zuschauerfreundliche Kombination läßt sich drei Monate nach dem Sommermärchen nicht mehr nur mit dem Sonderfall WM im eigenen Land erklären. Das Konzept funktioniert auch im scheinbar mühseligen Qualifikationsalltag. Diese locker und leichte Fortsetzungsgeschichte würde daher auch mancher Verantwortliche gerne im eigenen Verein verwirklicht sehen.“
Hamburger schwören Thomas Doll die Treue
Frank Hellmann (FR) hält der Beteuerung der Hamburger Offiziellen und Fans, Thomas Doll die Treue zu halten, entgegen: „In Wahrheit weiß niemand genau, ob der ein Jahr lang gefeierte Jung-Trainer überfordert ist oder der Klub nur eine schwere Episode im branchenübliche Auf und Ab erlebt. Fakt ist, daß der Coach Nerven zeigt und mitverantwortlich ist. Dafür, daß der HSV viel zu viel Fluktuation zuließ und nun einen überbezahlten Kader beschäftigt, der überschätzt wird. Daß Dolls neue Mannschaft noch keine Hierarchie hat, ist offensichtlich. Hinzu kommen personelle Fehleinschätzungen: Daß Joris Mathijsen seinen Landsmann Khalid Boulahrouz ersetzen kann, ist ein Irrglaube. Und daß David Jarolim künftig fast zwei Millionen Euro verdienen will und wird, ist Irrsinn. Beim HSV krankt es an vielen Stellen.“
Peter Heß (FAZ) findet die Ursache des Hamburger Stolperns hauptsächlich in der Transferpolitik: „Die Führung der Hamburger macht nach einem Denkfehler in der Transferpolitik in diesem Sommer aber im Herbst eines richtig – sie vertraut Trainer Doll, der seine Fähigkeiten über zwei Jahre bewiesen hat. Daß die Hamburger auf Rang 17 dümpeln, ist nicht dem Trainer anzulasten, sondern der Undiszipliniertheit der Spieler. Nach Jarolims Gelb-Roter Karte beendete der HSV das zwölfte Pflichtspiel dieser Saison zum sechsten Mal in Unterzahl. So fallen Siege unendlich schwer. Nach den personellen Umwälzungen des Sommers hätten es die Hamburger ohnehin schwer genug gehabt, in Tritt zu kommen. Für jeden einzelnen Transfer der Stammkräfte gab es Argumente, aber es wurde dabei außer acht gelassen, daß der Umbruch der Mannschaft in seiner Gesamtheit zu schnell und zu radikal erfolgt sein könnte. Vor allem, wenn viele die verbliebenen Führungsspieler noch von Verletzungspech betroffen sind.“
Karikatur einer Bundesligamannschaft
Richard Leipold (Tsp) beschreibt den 6:0-Sieg der Bremer in Bochum als ein Wettrennen zwischen Könnern und Stümpern: „Die Bremer hatten ihren Gegner beherrscht, wie es selbst bei Pokalspielen auf dem Dorf nicht immer gelingt. In der Leichtigkeit des Seins lag die einzige Schwierigkeit, die Werder zu bewältigen hatte. Im zweiten Durchgang zelebrierten die Bremer ihren Angriffsfußball auf mitreißende Art, so, wie es sonst nicht einmal im Training möglich ist – weil dort eine B-Mannschaft auf dem Platz steht, die mehr entgegenzusetzen hat als der VfL, der nur die Karikatur einer Bundesligamannschaft abgab. Die ersten Minuten nach der Pause ausgenommen, wirkten die Bochumer jederzeit wie Statisten, die bei der Produktion eines Lehrfilms nicht stören wollten.“ Ulrich Hartmann (SZ) hat von Herbert Grönemeyers Anwesenheit wohl Beflügelung erhofft, doch „die Bochumer spielten keinen Doppelpaß. Sie machten keinen Bremer naß.“
Spaß, Spannung Unterhaltung
4:2 gegen Hertha – Elisabeth Schlammerl (FAZ) empfiehlt den Bayern, ihre neue Aktivität beizubehalten: „Nicht nur allein taktisch, wie gegen Inter Mailand, hat die Mannschaft funktioniert, auch haben die Spieler offenbar endlich erkannt, daß sie mit Standfußball nicht weiterkommen, nie die große Sehnsucht nach Spaß und Unterhaltung erfüllen können. Die Zuschauer erlebten nicht nur ein großartiges, kurzweiliges Fußballspiel, sondern obendrein eine Partie, die bis zum Schluß spannend blieb und einen ganz großen Sieger hervorbrachte: Lukas Podolski war zwar nicht der Matchwinner, denn der Auftritt war in erster Linie einem offensichtlichen Sinneswandel der Mannschaft zuzuschreiben. Aber es war der glückliche Abschluß einer glänzenden Woche für den Nationalstürmer.“
Vorfahrt für die Jugend
Oliver Trust (FAZ) sieht den VfB Stuttgart, 3:0-Sieger gegen Leverkusen, an gute Tradition anknüpfen: „Die 35.000 Zuschauer zeigten Gefühle, die man in Stuttgart zuletzt bei der WM gesehen hatte und in der Ära Magath. Nun sitzt seit geraumer Zeit Armin Veh als Trainer auf der Bank. Seit den ersten Tagen sieht er sich einer ganzen Reihe von Nörglern ausgesetzt, die sich einen namhaften Trainer und damit wie selbstverständlich schnellen Erfolg wünschten. Veh hatte um Geduld geworben, oft vergeblich. Diesmal saß er mit einem Lächeln bei der Analyse. (…) Beim VfB von Veh hat die Jugend wieder Vorfahrt.“ Auch Bernd Dörries (SZ) betont die Einseitigkeit des Geschehens: „Der VfB Stuttgart zaubert sich zum ersten Heimsieg. Bei Bayer Leverkusen stellt sich die Frage, wie es diese Mannschaft geschafft hat, die nächste Runde des Uefa-Cups zu erreichen.“
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