Ball und Buchstabe
Gescheiterte Integration
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| Samstag, 4. November 2006Drei Pressetexte zum Thema Gewalt und Ausländerpolitik
Michael Horeni (FAZ) diskutiert das Gewaltproblem auf deutschen Fußballplätzen als Integrationsproblem und macht darauf aufmerksam, daß zu wenige Migranten einen Funktionsposten innehätten: „Auf der anderen Seite der Fußball-Gesellschaft, in der kickenden Unterschicht, entladen sich die Integrationsdefizite immer wieder in Gewalt. Mit einseitigen Schuldvorwürfen allerdings kommt man da schon lange nicht weiter – auch wenn sich wie im Fall der Spielabsetzungen im Kreis Siegen-Wittgenstein populistische Vereinfachung wegen zweier, wie es politisch korrekt heißt, auffälliger ‚ethnischer Vereine‘ geradezu anbietet. Auf der einen Seite wollen sich auch viele ‚ausländische‘ Klubs nicht öffnen – das aggressive Klima unter der kulturellen Glocke entsteht aber auch dadurch, daß Migranten immer wieder Ausgrenzungen und Ungerechtigkeiten auf und jenseits des Fußballplatzes erleben. Zwanziger hat daher klug auf die Verantwortung auch in den eigenen Reihen verwiesen. Zum einen auf kulturelle Unterschiede und Empfindlichkeiten im alltäglichen sportlichen Begegnungsfall – zum andern aber eben auch auf die Defizite in den Verbänden, in denen sich die Mitgliederstruktur nicht mehr abbildet. (…) Aus seiner Verantwortung gerade für Klubs, bei denen Gewalt historisch gewachsen ist, wird der mächtigste deutsche Sportverband nicht mehr herauskommen. Der Präsident steht im Wort.“
Auch Thomas Kistner (SZ) pocht auf die Pflicht der Politiker und Funktionäre: „Der Fußball unter Theo Zwanziger sagt nicht mehr achselzuckend: Das sind Randalierer, keine Fans. Er bekennt sich zur Mitverantwortung für das zentrale Marktsegment der Unterhaltungsindustrie. Fußball ist ein von Politik und Medien hofierter Teil der Gesellschaft, der ein Höchstmaß zivilisierter Erregung aushalten muß. Da ist das Zuviel nicht weit, weshalb Randale, Rassismus und pure Freude am Zerstören in den Stadien zyklisch wiederkehren. Keine Frage, die Verbände müssen bei der Dämmung von Gewalt mehr in die Pflicht genommen werden. Die Steuerzahler finanzieren ja schon den allwöchentlichen Sicherheitsbetrieb rund um die Profi-Ligen mit, auch solche, die dem Volkssport nur wenig abgewinnen können. Die Kraftanstrengung nach dem schlimmen Auftritt deutscher Hooligans bei der WM 1998 in Frankreich hat den Mob zwar aus den Bundesligastadien verscheucht, aber nicht ausgemerzt. Er ist in die Niederungen ausgewichen.“
Jürgen Böcking, der letztens einen gesamten Spieltag seines Fußball-Kreises Siegen-Wittgenstein wegen zunehmender Gewalt abgesagt aht, sagt der FAZ: „Wo man auch hinkommt, man hört überall das Gleiche: Die Hemmschwelle sinkt, die Gewaltbereitschaft nimmt zu. Der DFB und die untergeordneten Verbände haben sich zu wenig darum gekümmert. Deutschland fährt immer noch mit dem WM-Sonderzug durch die Gegend. Natürlich, die WM war toll. Aber was sich Sonntag für Sonntag auf den Plätzen abspielt, will man nicht wahrnehmen. Manche Funktionäre haben seit Jahren kein Spiel mehr auf einem Aschenplatz gesehen. Damit, daß man sich in einem schönen Stadion in den VIP-Raum setzt und es sich gutgehen läßt, löst man das Problem jedenfalls nicht.“ Ob das Problem in Siegen etwas mit Rassismus zu tun habe? Böcking verneint: „Überhaupt nicht. Die Gewalt geht ja eher von den ethnischen Vereinen aus, das sind für mich Beispiele für eine gescheiterte Integration. Der DFB und seine Sportgerichte tun sich schwer, dagegen entschieden vorzugehen, weil man ja gleich in den Verdacht gerät, ausländerfeindlich zu sein. Aber damit hat das nichts zu tun. Man muß doch das Problem beim Namen nennen. Vor einigen Jahren gab es bei uns einen albanischen Verein, mit dem es immer Probleme gab. Da haben sich dann viele Mannschaften geweigert, gegen ihn anzutreten, sie haben ihm lieber die Punkte überlassen. Der Verein ist dadurch bis in die Bezirksliga aufgestiegen.“
zwei Portraits der Fan-Szene Dynamo Dresdens, einmal im Tagesspiegel, einmal in der Berliner Zeitung