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Bundesliga

Eine Mannschaft spielt für den Trainer – und verliert

Oliver Fritsch | Donnerstag, 9. November 2006 Kommentare deaktiviert für Eine Mannschaft spielt für den Trainer – und verliert

Das Pech der Hamburger in Stuttgart und die anderen Spiele vom Dienstag im Pressespiegel

Die Hamburger verlieren 0:2 in Stuttgart, dürften aber aus der Leistung und der restlichen Spielstatistik neuen Mut schöpfen, bestätigt ihnen Roland Zorn (FAZ): „So stand der HSV zwar wieder einmal mit leeren Händen, aber wenigstens mit der Erkenntnis da, einem Spitzenteam immer noch gewachsen zu sein – was Sekundärtugenden wie Ballbesitz, gewonnene Zweikämpfe, gelungene Pässe, Torschüsse angeht. Acht gestandene Spieler fehlten wegen Verletzungen – und dennoch präsentierte sich der HSV nach Wochen der spielerischen Dürre mal wieder als eine robuste Einheit in der Abwehr und im Mittelfeld. Wenn die Hamburger jetzt noch einen Stürmer hätten, der das Toreschießen nicht nur vom Hörensagen kennt, es wäre viel gewonnen. Von einem wie Mario Gomez können sie nur träumen.“

Christof Kneer (SZ) gefällt weniger die A-Note des Duells als der künstlerische Wert und die intellektuelle Kraft, die von ihm ausgeht: „Nach handelsüblichen Kriterien ist das kein gutes Spiel gewesen, aber in einem höheren Sinn war das eine sehr kostbare Partie. Sollte irgendein Wortmann auf die Idee verfallen, die geheimen Gesetze dieses Sports zu verfilmen, sei ihm diese Partie dringend ans Herz gelegt. Es war ein Spiel, in dem Binsenweisheiten zu Bildern wurden. Selten hat man besser sehen können, wie das aussieht, wenn die eine Elf einen Lauf hat und die andere nicht. Die eine Elf, das ist der VfB, der sich ein wenig erschrocken hatte an all den Lobeshymnen, die er über sich lesen durfte. Wer aber einen Lauf hat, der gewinnt solche Spiele trotzdem,weil er zum Beispiel über einen Stürmer verfügt, der ebenfalls über einen Lauf verfügt. Der wiederum von der anderen Elf profitierte, von der, die keinen Lauf hat. Der HSV hat gut gespielt, trotz acht verletzter Leistungsträger, aber das Fatale ist, daß die Pechsträhne offenbar dabei ist, sich von der Leistung abzukoppeln.“ Ein ermunterndes Fazit: „Es ist nicht zu übersehen gewesen, daß hier eine Mannschaft – Achtung Wortmänner! – für den Trainer spielte, auch wenn sie am Ende für ihn verloren hatte.“ Daß es zu Spielbeginn Handelfmeter für Hamburg hätte geben müssen, schreiben heute alle Zeitungen im Einklang.

Schwächephase ohne größeren Schaden

Gerd Schneider (FAZ) verkühlt sich beinah die Finger, als er den Bremer 2:1-Sieg in Nürnberg schildern soll: „Was die Münchner beunruhigen wird, ist das Gefühl, der Konkurrent habe tatsächlich zu ihnen aufgeschlossen – wenn nicht sogar sie schon überholt. Eine Schwächephase ohne größeren Schaden zu überstehen, das war bis dato eine typische Qualität für den Fußball der Bayern, also ein Meistermerkmal. In Nürnberg zeigten die Bremer, daß sie sich inzwischen auch auf diese Kunst verstehen. Zwei Chancen, zwei Tore, drei Punkte: Das war alles, was vom Auftritt der Hanseaten übrigblieb.“

Der seltsame und auffällige Jubel des Nürnbergers Ivica Banovic, der seinen unbedeutenden Elfmetertreffer in der Nachspielzeit feierte wie ein Gockel, ist den Journalisten eine Story wert. Volker Kreisl (SZ) erkennt ein schlechtes Zeichen für das Nürnberger Wir-Gefühl: „Vorausschicken muß man, daß Banovic ein aufgeschlossener Profi ist, an einem ungehobelten Charakter kann es nicht gelegen haben. Auch ist von ihm bekannt, daß er sich stets anstrengt, Überheblichkeit entfällt also auch. Genauso wenig kann es Kalkül gewesen sein, jeder weiß, daß solche Provokationen gegen Trainer nichts bringen, und wenn Banovic nur ein bißchen nachdenkt, muß ihm klar werden, daß es gerade Trainer Hans Meyer ist, der an ihm festhält. Bleibt als Grund für die fast schon obszöne Selbstbejubelung kurz vor dem Schlußpfiff nur jene Eigenschaft, die man Fußballprofis pauschal nachsagt, obwohl es doch in Wirklichkeit sehr viele sehr gescheite Spieler gibt. Immerhin eines hat Ivica Banovic erreicht – versehentlich. Sein Auftritt hat die inneren Gefahren verdeutlicht, die einer Mannschaft wie der Nürnberger drohen, sie können schlimmer sein als unglückliche Niederlagen.“

In spielerischer Armut erstarrt

0:0 gegen Aachen, Tristesse in Dortmund – Freddie Röckenhaus (SZ) lastet sie auch dem Trainer an: „Dortmunds Südtribünen-Fans wissen angesichts der Heimbilanz mit fünf Unentschieden gegen Mainz, Bochum, Hannover, Bielefeld und Aachen auch nicht mehr recht, wo sie die Schuld nun suchen sollen. Verfehlte Personalpolitik mit den lukrativen Transfers von Rosicky und Odonkor, für die Spieler kamen, die bisher im besten Falle Mittelmaß abliefern? Falsche Taktik, falsche Aufstellung, falscher Trainer? Van Marwijk scheint einem Gutteil der Fans ans Herz gewachsen zu sein. Es gab sogar Sprechchöre für den Holländer. Fragt sich nur, wie lange Dortmunds Management diesem Votum noch folgt. Für Freitag, wenn Dortmund beim Liga-Schönling Bremen spielt, rechnen sie beim BVB mit der Wende. (…) Es handelt sich eher um eine Hochrechnung.“ Felix Meininghaus (StZ) ergänzt: „Auch nach den Treueschwüren der Dortmunder Entscheidungsträger kehrt im Revier keine Ruhe ein, weil sich van Marwijks Mannschaft von Runde zu Runde quält und dabei in spielerischer Armut erstarrt.“

Kein Erstligaformat

1:2 gegen Wolfsburg, dem FSV Mainz prophezeit Uwe Martin (FAZ) trübe Aussichten: „Nach einem Saisondrittel ist Mainz 05 der zweiten Liga erheblich näher als dem Klassenverbleib. Und die Wahrscheinlichkeit, daß alles wieder gut wird, ist mit dem zehnten sieglosen Spiel in Folge erheblich gesunken. Bleibt es in etwa bei dem aktuellen Leistungsstandard, ist das dritte Bundesligajahr vorläufig auch das letzte. Denn in dieser zur Hälfte neu zusammengestellten Mannschaft paßt seit Wochen nur wenig zusammen, auf die Mitspieler ist kaum Verlaß, einige Profis haben schlichtweg (noch?) kein Erstligaformat (Bakary Diakité, Chadli Amri), andere sind auf unerklärliche Weise außer Form (Markus Feulner, Mimoun Azaouagh). Da kann Klopp wechseln und rotieren, wie er will, das Produkt genügt bis jetzt bestenfalls ansatzweise erstklassigen Ansprüchen.“ Selbst das Mainzer Prunkstück verkomme: „Über das Mainzer Mittelfeld und den Angriff sind bereits ganze Abhandlungen geschrieben worden, eine neue Negativerfahrung ist die noch in der Vorsaison hochgelobte Viererkette um Nationalspieler Manuel Friedrich.“

Mainz stehe und falle mit Jürgen Klopp, findet Andreas Lesch (BLZ): „Zu Recht traut die Klubführung ihrem Trainer zu, die Misere früher oder später zu beenden. Der Mainzer Erfolg ist Klopps Erfolg. Klopp ist vom Spieler zum Trainer dieses Teams geworden, noch heute klingt er wie ein Spielertrainer – so direkt, wie er spricht. Durch Klopp ist Mainz gewachsen, und obwohl der Verein gerade wieder ein wenig schrumpft, ist es nicht vorstellbar, wer seine Rolle übernehmen soll. Das Mainzer Modell würde mit den Neururers, Lienens und Augenthalers dieser Welt niemals dauerhaft funktionieren.“

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