Bundesliga
Reden ist Blech, Schweigen ist Gold
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| Montag, 20. November 2006Der 14. Spieltag im Pressespiegel: Schalke schweigt und siegt, die Beobachter müssen draus schlau werden / Bayern findet gegen Stuttgart zurück zu alter Dominanz / Ist Werder das Lob zu Kopf gestiegen? / Hamburg tritt auf der Stelle / Dortmund kann zuhause nicht gewinnen u.v.m.
Schalke schweigt und siegt – Roland Zorn (FAZ) kann bei dieser Mischung nichts vermissen: „Ihre Siege sprechen für sich und ihr Tabellenplatz auch. Schalke 04 ist zur Zeit Erster – da findet so mancher kaum noch die passenden Worte, zumal sich die Spieler seit mehr als zwei Wochen wie eine Trappisten-Bruderschaft geben. Das gesammelte Schalker Schweigen löste das Dauertheater-Getöse um den kultigen Revierklub ab und bestätigte nebenbei die alte These, daß in der Ruhe die Kraft liege. Fußballprofis nach getaner Qualitätsarbeit mal nicht schwadronieren, banalisieren oder lamentieren zu hören, empfindet mancher zur Abwechslung sogar als Wohltat. Was zuletzt zu sehen war bei den Schalkern, wirkte ohnehin authentischer und glaubwürdiger als so manches, was auf seiten der Spieler, des Trainers oder Managers zu hören war. Nichts geht über die pure Klarheit des Spiels, das mehr über die Verfassung eines Teams aussagt als jedes noch so plump oder geschickt angelegte Ränkespiel in der Kulisse. Reden ist Blech, Schweigen ist Gold.“
Katrin Weber-Klüver (FTD) weiß aber auch nicht, ob sie den Erkenntnissen, die sie daraus zieht, trauen soll: „Wenn Sie wissen wollen, was eine ziemlich sichere Sache ist, um im Fußball Erfolg zu haben: Betrachten Sie Schalke 04! Nicht Boltersdorf, nicht die ‚totale Dominanz‘ und definitiv nicht Kommunikation. Ganz im Gegenteil: Seit Schalkes Spieler mit niemandem mehr reden, läuft’s auf dem Platz wie von selbst. Direkt nach Abschaffung des Motivationstrainers haben sie jetzt die Tabellenführung übernommen. Das sagt doch alles. Zur Beruhigung aber all jener, die noch sprechen und an professionelle Motivationshilfen glauben: Auch da könnte was dran sein, denn von allem, was im Fußball stimmt, ist meist auch das Gegenteil wahr.“
Philipp Selldorf (SZ) relativiert die alten Schlagzeilen über die angeblich zerstrittenen Schalker, aber auch die Behauptungen, es sei alles immer in bester Ordnung gewesen: „Man muß wirklich kein Spielverderber sein, um dem Schalker Glück noch zu mißtrauen. Zu tief ließen die Unstimmigkeiten in den schweren Wochen blicken, als daß nun plötzlich alles zum Besten stehen kann. Andererseits ist die kleine Erfolgsbilanz aber auch der Beweis, daß die aggressive Berichterstattung über das Klubleben eher Ausdruck einer extrem aufgeregten Wahrnehmung war als eine sachgemäße Darstellung. Dazu kam eine manchmal schon an Agitation grenzende Auseinandersetzung mit Trainer Slomka, der als Bundesligaanfänger einer Menge Argwohn ausgesetzt ist. Sowohl durch die Medien wie durch das Publikum. Daß die Schalker Spieler durch ihr unkalkulierbares Verhalten auf und neben dem Platz den Eindruck schwer erziehbarer Kinder hinterließen, fiel allerdings auch auf den Trainer zurück. Diese kritische Phase hat Slomka mit festem Willen durchgestanden. Seine taktischen Erwägungen qualifizieren ihn als Fachmann. Doch der größte Streß steht ihm jetzt erst bevor: Die Tabellenführung im Heimspiel gegen Bochum zu verteidigen.“
NZZ: Allgemeine Verwunderung über die Tabellenführung von Schalke
BLZ: Cottbus fühlt sich erneut vom Schiedsrichter betrogen und läßt erstmals Angst vor dem Abstieg erkennen
Rückkehr der Siegermentalität
Der 2:1-Sieg der Bayern gegen Stuttgart belege die nach wie vor vorhandene Fähigkeit zur Dominanz – Elisabeth Schlammerl (FAZ): „Es ist offensichtlich: Beim FC Bayern kehrt langsam wieder Normalität ein. Das Selbstvertrauen scheint zurück, der Glaube an die eigene Stärke ebenfalls – und die Gegner haben wieder Respekt vor dem Rekordmeister. Der VfB, immerhin als Tabellenführer nach München gekommen und mit der Referenz einer erstaunlichen Erfolgsserie, lobte die Münchner nach der ersten Auswärtsniederlage in den höchsten Tönen. Von der ersten Minute an war bei den Münchnern jene Siegermentalität zu spüren, die ihnen noch vor ein paar Wochen gefehlt hatte. Zum zweiten Mal nacheinander hat die Mannschaft nach einem Rückstand die Partie noch gedreht, und das erinnert doch sehr an den FC Bayern in seinen besten Zeiten. Es ist aber auch typisch für den Meister, daß er sich mit einer knappen Führung begnügte. (…) Wieder einmal hat sich der FC Bayern innerhalb von nur wenigen Tagen von einem Krisenklub zurück zum Titelanwärter gewandelt.“
Frische Kräfte braucht Werder
2:2 in Aachen – Ulrich Hartmann (SZ) vermutet, daß Bremen zu viel gelobt worden sei: „Der Zauberfußball ist den Bremern ein bißchen zu Kopf gestiegen, hinzu kamen die Belastungen durch Champions League und Länderspiel. Nun droht ihnen einen Monat vor der Winterpause die Luft auszugehen. Das ist in dieser Phase gefährlich. In den letzten Wochen eines ereignisreichen Jahres drohen sie das Achtelfinale in der Champions League und eine glänzende Position in der tabellarisch dichten Bundesliga zu verspielen. Zur Wiederholung früherer Spitzenleistungen kommt das Heimspiel gegen Chelsea womöglich genau richtig.“ Sven Winterschladen (Kölner Stadt-Anzeiger) macht sich hingegen Sorgen über Werders Chancen: „Die Bremer Leistung war vor allem in der ersten Halbzeit so enttäuschend, dass den Verantwortlichen vor dem wichtigen Spiel gegen den FC Chelsea angst und bange werden könnte.“
Zorn fügt hinzu: „20.800 Zuschauer waren von so viel Hin und Her, so viel Rasanz und so viel Klasse, vor allem der Alemannia, hellauf begeistert. Bei Werder aber muß sich bis Mittwoch einiges ändern, wollen die Bremer gegen den FC Chelsea bestehen. Wie soll das gehen? Frische Kräfte braucht das Team, das durch den Oktober tanzte, als gäbe es kein Halten mehr für die allzeit angriffslustige grünweiße Spielschar. Inzwischen ist November, und der noch vor kurzem beschwingt daherkommende Liebling Werder trägt auffällig schwer an sich. Das Remis beim forschen Klassenneuling erkämpften sich die Norddeutschen eher mit mühsamer Hingabe denn mit dem Genius eines Möchtegern-Klassenprimus.“
Bernd Müllender (FR) rüffelt Markus Merk: „Der Titelaspirant hatte neben dem typischen Lässigkeitsvirus auch der tatenlosen Mithilfe des auffälligen Schiedsrichters bedurft. Merk hatte ein Foul von Miroslav Klose beim Ausgleich übersehen und auch Naldos Strafraumfoul an Aachens Wirbelwind Jan Schlaudraff kurz vor der Pause nicht geahndet. Im Gegenzug pfiff er einen ebenso klaren Sichone-Schubser gegen Borowski auch nicht, weshalb man in diesem Fall durchaus von ausgleichender Ungerechtigkeit sprechen kann. Komisch: Merk, ehemals der Weltbeste seiner Zunft, scheint seit seinem Versagen im WM-Spiel Ghana–USA an einem Elfmetertrauma zu leiden. Schon mehrfach übersah er in dieser Saison Strafraumfouls. Wenn es drauf ankommt, bleibt er stumm. Er ist vielleicht der einzige Referee, der ein Spiel ganz ohne Pfiffe zu lieben scheint. Merk war der einzige Verlierer des tollen Nachmittags.“
Ungerechtes Schicksal
0:0 – Michael Eder (FAZ) gesteht den Mainzern „kämpferischen Aufschwung“ zu, von den Hamburgern würde er jedoch gerne mehr erwarten: „Ein kleiner Schritt nach vorn für die leidgeprüften Rheinhessen, die dennoch wie festgefroren auf einem Abstiegsplatz stehen. Bei Doll und dem Hamburger SV hingegen sorgte der Auftritt für die wöchentlich immer wieder aktualisierte Enttäuschung und Ernüchterung. Am Ende der immer ausgegebenen Durchhalteparolen steht samstags zuverlässig eine Leistung, die jeder Beschreibung und vor allem dem Anspruch des HSV spottet, im Grunde eine Klassemannschaft zu sein, die ein böses, ungerechtes Schicksal in die Niederungen der Bundesliga verschlagen habe.“
Charme von Zahnarztbesuchen
Freddie Röckenhaus (SZ) stellt den Dortmundern nach dem 1:2 gegen Berlin ein schlechtes Zeugnis aus und erneuert seine Kritik am Trainer: „Dortmund fehlt derzeit fast alles, was man braucht, um Gegner auszuspielen: einstudierte Laufwege, geschickte Raumaufteilung, Ballsicherheit, Durchsetzungswille, Mut. Dazu kommt eine zum Teil erstaunlich naive Defensivarbeit. Während Trainer van Marwijk am Donnerstag noch einigen Journalisten im Hochgefühl des 3:1 in Bremen gönnerhaft erläutert hatte, wie seine Taktik zwischen 4-4-2 und 4-3-3 unwiderstehlich changiere, konnte man gegen Berlin erneut nur taktische Armut besichtigen. (…) Doch offenbar fehlt die Alternative zu van Marwijk. Wunschtrainer Thomas von Heesen ist in Bielefeld bis Saisonende gebunden. Ihn mit einer Ablösesumme schon zum Winter loszueisen, dazu scheint der Leidensdruck noch nicht groß genug zu sein.“ Richard Leipold (FAZ) stöhnt: „Für die Fans der Dortmunder Borussia bekommen Heimspiele allmählich den Charme von Zahnarztbesuchen.“
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Ohne Not aus der Hand gegeben
Ralf Weitbrecht (FAZ) läßt sich die Leistung der Frankfurter beim 3:4 in Bochum nicht gefallen: „Statt nach den beiden frühen Toren Treffer Nummer drei folgen zu lassen, glaubten die Hessen, die vermeintlich sichere Führung verwalten und über die Zeit bringen zu können. Den Lohn für derartige Schusseligkeit haben die Frankfurter erhalten. Sie haben ein Spiel, das man nicht verlieren konnte, nicht verlieren durfte, ohne Not aus der Hand gegeben.“
Ungewollte Rückkehr vermieden
Jürgen Höpfl (FAZ) notiert Nürnberger Erleichterung über den 3:2-Sieg gegen Leverkusen: „Wieder nicht zu gewinnen, das hätte für den bis zur Meyer-Ära traditionell abstiegsbedrohten 1. FC Nürnberg die ungewollte Rückkehr in jene Tabellenregion bedeutet, der er entkommen zu sein geglaubt hatte.“