Champions League
Spektakulär unspektakulär
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| Freitag, 24. November 2006Die deutsche Presse huldigt Werder Bremen nach dem 1:0-Sieg gegen Chelsea – und bekommt rote Ohren wegen der Kritik José Mourinhos an Michael Ballack
Ralf Wiegand (SZ) fühlt sich von der Leidenschaft und Ursprünglichkeit des Bremer Spiels angefaßt: „Es war gar nicht mal einer dieser Festtage, an denen die Bremer einen Gegner aus den Schuhen spielen und sich an ihrer eigenen Schönheit berauschen. Es war viel besser. Ein Gefühl wie in den Europacup-Tagen längst vergangener Zeiten ergriff das Publikum, als es in den letzten fünf Minuten des Spiels auf den Sitzen stand und seine Elf vor Leidenschaft glühend aufforderte, den Ball auf die Tribüne zu bolzen oder besser gleich in die Mitte der Weser, wo sie am tiefsten ist. Und wie gewünscht lieferten die in der Bundesliga für ihre austarierte Feinmechanik gerühmten Filigrantechniker in der Schlußphase eine Abwehrschlacht erster Güte, die sie sich aber in der ersten Halbzeit mit einer taktisch und spielerischen Leistung auf oberstem Niveau verdient hatten.“
Andreas Lesch (BLZ) schätzt die taktische Finesse und die Robustheit der Bremer: „Der Reifeprozeß der Bremer läßt sich an der Art ablesen, wie sie Chelsea bezwungen haben: Sie haben entschlossener gespielt als im Hinspiel. Sie haben aber keinen Hurrafußball gezeigt, sondern sie haben den Sieg nüchtern und nicht ohne Härten herbeigegrätscht. Sie haben für ihre Verhältnisse spektakulär unspektakulär gespielt; sie haben so gesiegt, wie sonst Chelsea gern siegt. Sie haben gezeigt, daß sie Spiele nicht nur im Sturm gewinnen können, sondern auch in der Abwehr – das war die Nachricht des Abends, das war eine neue Qualität.“
Frank Heike (FAZ) nimmt einem möglichen Einwand die Kraft: „Natürlich waren die durch diese knappe Niederlage schon für die Runde der letzten Sechzehn qualifizierten Londoner nicht an ihre Grenzen gegangen, doch mit Absicht hatten sie sicher nicht verloren.“ Die Nüchternheit der Sieger wertet er als gutes Zeichen: „Das schnelle Abwenden von den Ereignissen des intensiven, aber nicht hochklassigen Aufeinandertreffens zeigte, daß Werder solche Siege nicht mehr aufgeregt bestaunt und bejubelt, sondern rasch abhakt und die nächste Aufgabe anpackt.“ Wer hätte gedacht, daß Bremen in dieser starken Gruppe am letzten Spieltag als Zweiter nach Barcelona fahren darf? Heike jedenfalls nicht: „Allein das ist ein großer Erfolg für Werder.“ Lesch fügt an: „Die Tatsache, daß sie trotz ihrer mächtigen Gegner für dieses kleine Endspiel gesorgt haben und den edelsten Klubs der Welt auf Augenhöhe begegnen, ist eine Sensation und spricht für ihre positive Entwicklung.“
Mitglied der Gilde der Zuarbeiter
Ein Zitat José Mourinhos nach dem Spiel sorgt in den Zeitungen für Wirbel: „Heute haben wir Frank Lampard vermißt. Er bestimmt unser Mittelfeldspiel und hat großen Einfluß auf die Leistungen seiner Kollegen.“ Diese Aussage über den gesperrten Lampard verstehen die Journalisten als klare Kritik an Michael Ballack. Roland Zorn (FAZ) schreibt: „Was Mourinho sagte, machte überdeutlich, daß der in Deutschland als internationaler Superstar angesehene Görlitzer nur einer unter vielen Profis von Welt beim FC Chelsea ist. Mit anderen Worten: Lampard ist und bleibt neben Kapitän und Abwehrchef John Terry Chelseas Boß auf dem Platz, Ballack gehört zur Gilde der Zuarbeiter.“ Wiegand (SZ) stimmt ein: „Rrrrrrums, da war der Hammer gefallen, und niemand widersprach. Sollte es noch Zweifel daran gegeben haben, daß Ballack mit dem Wechsel vom FC Bayern München zum FC Chelsea jeglichen Sonderstatus in einer Teamhierarchie verloren hat – seit Mittwoch gibt es keinen mehr. Für Mourinho ist der Deutsche nur ein Baustein seiner übers Kollektiv funktionierenden Mannschaft, ist eben nur die eine Hälfte von Lampard/Ballack, die zusammen den Mittelfeld-Reaktor der Blues darstellen. Alleine, ohne den gesperrten Lampard, konnte Ballack in Bremen das Spiel von Chelsea nicht mit genug Energie versorgen.“
BLZ: José Mourinho, der Dauergereizte