Internationaler Fußball
Paßt er ins System?
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| Dienstag, 28. November 2006Nach dem 1:1 Chelseas in Manchester richten sich die Blicke der Kritiker vermehrt auf Michael Ballack
Christian Eichler (FAZ) faßt die Zweifel der englischen Presse an Michael Ballack und Andrej Schewtschenko zusammen: „Ballack als Ballast? Mehr und mehr äußern die in Englands Medien allgegenwärtigen ‚pundits‘, die Experten mit eigener Fußballvergangenheit, die Ansicht, die beiden Neueinkäufe paßten einfach nicht ins System von Chelsea. Der Versuch, durch die zusätzliche Zentrumskraft Ballack Zug zum Tor zu erreichen, durchs Mittel-Trio Lampard-Essien-Ballack, hat Chelsea mehrfach in die Enge geführt. Erst als Mourinho umstellte und den Flügelmann Robben brachte, öffnete und wendete sich das Spiel. Diesmal mußte dafür der Rechtsverteidiger Geremi weichen, dessen Rolle Essien übernahm. Doch Ballack kann nicht mehr sicher davor sein, daß die nächste Auswechslung ihn erwischt.“ Markus Lotter (Welt) hält Ballack seine Kosten/Nutzen-Kalkulation vor: „Vor kurzem noch hatte der Kapitän der deutschen Nationalmannschaft vorgegeben, daß er sich nach anfänglichen Schwierigkeiten angepaßt hätte. Aber auch diesmal war alles wieder einmal zu schnell für Chelseas Topverdiener.“
Differenzierter urteilt Raphael Honigstein (SZ): „Der Fehler schien, nicht zum ersten Mal, auch im System zu liegen. Chelseas diamond, das ausschließlich aus vier zentralen Mittelfeldspielern bestehende Quartett, hat sicherlich die höchste Schleifhärte in Europa, doch er verströmt wenig Glanz. Die zwei vorigen Meisterschaften wurden souverän mit einer 4-3-3-Taktik errungen, weswegen nun eine Debatte um die Neuverpflichtungen losbricht. Andreij Schewtschenko, der Hauptgrund für die taktische Umstellung, sucht weiterhin seine Form, und auch Michael Ballack wird zunehmend kritisch betrachtet. In Wahrheit war der Deutsche nicht schlechter als seine Kollegen, er wirkte jedoch etwas überspielt, kam nicht so recht aus dem zweiten Gang und auch nicht in gefährliche Positionen.“ Honigstein würde, dem Tabellenstand zum Trotz, eher auf Chelsea wetten: „Die Red Devils führen weiterhin mit drei Punkten Abstand, aber am Ende dürften sich doch wieder die Londoner durchsetzen – mit gewaltiger Energie unterfütterter Positionsfußball läßt sich leichter reproduzieren als die Geistesblitze von Wayne Rooney oder Cristiano Ronaldo, von denen Uniteds Spiel zehrt.“
Hanspeter Künzler (NZZ) untersucht die Wirkung des herrischen und kühlen Tonfalls des Chelsea-CEOs Peter Kenyon auf die Fans: „Braucht Größe nicht auch Geschichte? Und so fügen die alten Chelsea-Fans, wenn sie sich heute in neutraler Gesellschaft outen, sogleich hinzu, sie seien schon in den bitteren achtziger und den noch keineswegs großartigen neunziger Jahren auf den Tribünen gesessen. Das Protzen von Kenyon und Co. paßt schlecht in ein England, wo Bescheidenheit da und dort immer noch als Tugend erachtet wird. Ein ähnliches Protzen brachte die Mehrheit vor noch nicht so langer Zeit gegen Manchester United auf. Nun haben sich die Dinge geändert. In vielen Londoner Pubs hoffte man am Sonntag auf einen Sieg der United.“
NZZ: Fabio Cannavaro – Maradonas Ballbub wird Fußballer des Jahres
faz.net: Vom Balljungen zum Weltmeister (mit Bildstrecke)