Unterhaus
Aller Anfang als Messias ist schwer
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| Mittwoch, 6. Dezember 2006Daum verliert nach viel Tamtam die Premiere seines Köln-Comebacks gegen Duisburg mit 1:3; die Journalisten überrascht dieses Ergebnis wenig, auch der Hohn hält sich in Grenzen
Philipp Selldorf (SZ) befaßt sich mit dem Schock für die Kölner und weist auf die sportliche Stärke des Siegers hin: „Das Wunder war ausgeblieben, und die Wirklichkeit war furchtbar. Der Schrecken darüber ließ sich ablesen in den Gesichtern des Managers Michael Meier und des Präsidenten Wolfgang Overath, die entsetzt auf ihren Mittelrangplätzen verharrten wie nach einem Schicksalsschlag. Nur Sadisten empfanden kein Mitgefühl beim Anblick dieser gebrochenen Männer. Dabei brauchte man schon viel Abstand zu den wahren sportlichen Verhältnissen, um sich von der kompletten Überlegenheit der Duisburger überraschen zu lassen. Denn so viel war in geringfügig besser informierten Kreisen auch vorher klar gewesen: Der MSV verfügt über eine homogene, spielerisch reife und sinnvoll gemischte Mannschaft, die mit professioneller Klarheit ihren Auftrag verfolgt. Der 1. FC Köln dagegen unterhält ein mit viel Geld und vielen guten Absichten, aber ohne Sachverstand zusammengestelltes Team, das fußballerisch unter dem Niveau der gehobenen Gesellschaft in der zweiten Liga agiert. Diese Tatsache offenbarte sich ab dem ersten Pfiff des Schiedsrichters.“
Die FAZ rät den Kölnern zu Bescheidenheit und Fleiß: „Der FC erlebte tatsächlich ein Wunder, nämlich sein blaues. Die Mannschaft war dem MSV in allen Belangen dermaßen unterlegen, daß dem nach sechzehneinhalb Jahren zurückgekehrten Coach nicht mehr blieb als die Hoffnung, ‚daß wir nicht jeden Tag so einen starken Gegner haben‘. Deutlich verabschiedete sich Daum von jenen Ansprüchen, die sich in Köln derzeit ein gutes Stück von der Wirklichkeit entfernt haben: ‚Wir sollten das Wort Aufstieg nicht in den Mund nehmen, sondern wie Eichhörnchen Punkte sammeln.‘ Der 1. FC Köln, von den Duisburgern als Scheinriese entlarvt, fängt nach der dritten Heimniederlage in Folge wieder klein an.“
Die Kritik der Öffentlichkeit richte sich nun vermehrt an Spieler und Vorstand, beobachtet Erik Eggers (Tsp): „‘FC zu schlecht für Daum‘, titelt die Bild-Zeitung, die dem Trainer traditionell assistiert. Daß die Boulevardzeitungen nun, nachdem mit Daum die wichtigste Forderung erfüllt ist, spektakuläre Transfers von Overath erwarten werden, dazu bedarf es keiner großen prophetischen Fähigkeiten. Und auch die Mannschaft bekam nach dieser trostlosen Vorstellung einen Vorgeschmack darauf, wer in Zukunft für schlechte Leistungen verantwortlich gemacht wird: Einige Hundert Fans beschimpften die Profis, als sie mit betretenen Mienen zur Verabschiedung in Richtung Südtribüne schlichen.“ Die Stuttgarter Zeitung zwinkert mit dem Auge: „Aller Anfang als Messias ist schwer.“
Einen Bildsalat bereitet uns heute die FR: „Wir waren immer auf dem Boden der Tatsachen, aber von außen ist ein Schwebezustand herbeigeführt worden“, zitiert sie Daum und schreibt: „Ein Schwebezustand, in den Daum während der vergangenen Jahre hineinmanövriert worden war, an dem er selbst kräftig mitgezimmert hatte.“ Ein Schwebezustand also, in den man hineinmanövriert wird und an dem man zimmern kann. Das schlägt dem Faß die Krone ins Gesicht.
SZ: Über die U20, eine Quasi-U21
Tsp-Interview mit Béla Réthy über Wortmanns Sommermärchen
BLZ: Die Kinobetreiber ärgern sich über den WM-Film heute in der ARD
NZZ: Paris SG in einer Gemengelage von Hooligan-Problemen und sportlicher Baisse
NZZ: 100 Jahre AC Turin – 100 Jahre Drama
NZZ: Reading – Aufsteiger mit unerwartet blühenden Perspektiven