Ball und Buchstabe
Torwartdämmerung
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| Samstag, 9. Dezember 2006Christof Kneer (SZ) nimmt Notiz von dem eigenartigen Phänomen, daß zurzeit viele Bundesliga-Trainer ihre Torhüter tauschen, und führt es auf den Klinsmann-Sog zurück: „Eine gute alte Regel besagt, daß man auf jeder Position die Spieler tauschen darf, bloß nicht im Tor. Man hat das zwar nie so recht verstanden, weil die Begründung irgendwie in die Richtung ging, daß man einem Torwart nicht sagen darf, wenn er Fehler macht, weil er sonst noch mehr Fehler macht. Bei Torhütern handelte es sich offenbar um geheimnisvolle Wesen, in deren Kraftmeierkörpern sehr empfindsame Seelen wohnten. Wenn man das richtig verstanden hat, war das der Grund, warum ein Torwart-Stammplatz immer so unantastbar war wie der Wohnsitz von Jürgen Klinsmann. Wenn man das richtig verstanden hat, ist die Bundesliga im 45. Jahr ihres Bestehens gerade dabei, eines ihrer letzten Tabus zu brechen. Erstmals ist wirklich Gefahr im Verzug für die Stammtorhüter der Liga, die 44 Spielzeiten unter Artenschutz standen. Der Torwart durfte ja fast alles bisher, er durfte die Hand zu Hilfe nehmen, ein bißchen seltsam sein und im Fünfmeterraum nicht gefoult werden, aber sein schönstes Privileg haben sie ihm jetzt einfach weggenommen. Es ist offenbar der Trend dieser Spielzeit, daß die Torhüter inzwischen das vielzitierte schwächste Glied in der vielzitierten Kette sind. Nach knapp der Hälfte der Saison hat die Liga nur einen Trainer (Neururer) entlassen, statt der Trainerstühle wackeln die Torwartstammplätze. (…) Vermutlich ist es kein Zufall, daß die Torwartdämmerung gerade jetzt über die Liga gekommen ist. Es hat wohl erst ein respektloser Mensch kommen müssen, um Deutschland die Heiligengläubigkeit auszutreiben. Der Torwart ist jetzt keine Einzelsportart mehr, er ist endgültig im Mannschaftssport angekommen.“
Ernst, todernst
Paul Ingendaay (FAS) spricht über den Unterschied zwischen spanischem und deutschem Fußballfernsehen und uns allen aus der Seele: „Unsere elende deutsche Ironie bei der Fußballkommentierung. Man kann den Spaniern vorwerfen, daß sie zuviel Sportpresse lesen, zu viele Schimpfwörter verwenden und auf den Stadionrängen zu laut brüllen, aber eines werde ich ihnen immer zugute halten: daß sie keine Witze brauchen, um Fußball interessant zu finden. Sie brauchen auch keine Kerners und Beckmanns, Leute also, die längst ins Talk- und Showgeschäft abgewandert sind und nach strengen Professionalitätsstandards gar nicht mehr ans Fußballmikrofon gelassen werden dürften. Folglich sitzen in spanischen Pressekabinen nur Fußballkommentatoren, deren Leben aus Fußball besteht, wie es sich für diesen Job gehört. Fußball ist ernst, todernst. Fußball bedarf in Spanien keiner Show-Elemente, man muß ihn nicht anpeppen, aufmotzen oder ‚farbiger gestalten‘, schon gar nicht durch TV-Moderatoren, die werktags Popstars, Schauspieler, Politiker und Köche interviewen.“
SZ: Atouba: Opfer oder Täter?
SZ-Kommentar: Wie weit dürfen Fans gehen? Es besteht ein Unterschied zwischen den üblichen Schmähungen des Gegners und Diskriminierungen mit ethnischem Hintergrund, kurz gesagt: fremdenfeindlichen Ausfällen
FR-Interview mit dem Sozialwissenschaftler Gerd Dembowski: „Rassismus gibt es natürlich auch in westdeutschen Stadien, nur tritt der Rassismus im Osten um einiges offener zutage als im Westen“
FR: Was drei schwarze Spieler des Chemnitzer FC Woche für Woche auf dem Fußballplatz erleben
taz: Der deutschen Nationalmannschaft der Menschen mit Behinderung wurde der dritte Platz bei der WM aberkannt; der Streit um die psychologischen Tests geht vor allem zu Lasten der Sportler
BLZ: Einheitsparteitag in Weimar – der deutsche Sport will über seine Position im Anti-Doping-Kampf abstimmen; ob es eine Debatte gibt, ist fraglich