Ball und Buchstabe
Suche in den Krümeln
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| Donnerstag, 14. Dezember 2006Fortsetzung: Der falsche Meinungsführer
Die Vorfälle in Schalke (Presseboykott) und Hamburg (Rauswurf der Journalisten durch die Mitglieder) füttern die Diskussion über den Ruf der Sportjournalisten und über Einfluß und Anziehungskraft der Bild-Zeitung. Jan Christian Müller und Andreas Morbach (FR) haben sich in der Branche mal umgehört, wie sie das Schalker Schweigen wertet: „Als Speerspitze der respektlosen Berichterstattung gilt die Bild-Zeitung, deren fürs Revier verantwortlicher Sportchef Benno Weber sich zu dem pikanten Thema ebenso wenig öffentlich äußern will wie der Berichterstatter vor Ort, Peter Wenzel. Weber, das alte Schlachtschiff des Boulevardjournalismus mit dem charakteristischen Lockenkopf, gilt als Spezi des Ex-Managers Rudi Assauer und kann dem Vernehmen nach mit dem wenig Bild-affinen Assauer-Nachfolger Andreas Müller ebenso wenig anfangen wie mit dem ewig lächelnden Mirko Slomka.“
Gleichzeitig geben Müller und Morbach zu bedenken: „Nach dem frühen Aus in Uefa-Cup und DFB-Pokal wurden die Verantwortlichen indes nicht nur in Bild genüßlich zerlegt, auch in anderen Medien bekamen die Schalker manche schmerzhafte Breitseite ab. Sie lieferten mit hausgemachten Problemen wie den ‚Maulwurfaffären‘ zum Schaden von Stürmer Gerald Asamoah und Torwart Frank Rost zudem Schlagzeilen auf dem Silbertablett. (…) Insider gehen davon aus, daß den Schalker Verantwortlichen die nur mit dem Vereinsmagazin Schalker Kreisel brav redenden Spieler nur allzu recht sind. So käme nicht ans Licht, heißt es, daß sich ein tiefer Graben durch den Kader zieht. So werde auch ausgeschlossen, daß sich die Bankdrücker Rost und Lincoln um Kopf und Kragen redeten. Die Berater manches Profis empfinden das Schweigen, das längst nicht alle Spieler unterstützen, inzwischen als imageschädigend für ihre Klienten.“
Klar, die Schalker benehmen sich manchmal wie ein Sauhaufen (sind halt Fußballer). Aber die Journalisten suchen oft in den Krümeln. Über die Jubel-Story in Gladbach (if v. 10.11.06), die angeblich den Trainer Slomka bloßgestellt habe und die nicht nur die Bild-Zeitung ausgeschlachtet hat, kann man nur den Kopf schütteln. Erstens handelte es sich, gemäß den TV-Bildern, nur um den Torschützen Varela, einen zweiten Spieler und ein paar Umstehende, die sich um Rost versammelten – von einer Solidaritätsbekundung der „ganzen Mannschaft“ konnte keine Rede sein. Zweitens ist es doch unüblich, nach dem Tor seinem Trainer an den Hals zu springen; das würde sich mancher Trainer sogar verbitten. Drittens muß man dem Torjubel von Fußballern nicht unbedingt so viel Bedeutung beimessen, sondern ihn als das betrachten, was es ist: der Ausbruch von Adrenalin.
FR/Feuilleton: Über den ramponierte Ruf der Sportjournalisten
Schulterschluß mit dem Kampagnenjournalismus
allesaussersport regt sich über die Dünnhäutigkeit der Journalisten auf, mit der sie auf die Hamburger Abstimmung reagiert haben: „Hyperventilation beschreibt das mediale Echo. Es hat offensichtlich die Journalisten schwer in der Berufsehre getroffen, daß sie aufgrund eines satzungsgemäß verankerten Vereinsrecht von Kartoffelsalat und Würstchen ausgeschlossen wurden. Grundsätzlich ist es natürlich unschön, wenn gerade auf so einer wichtigen Hauptversammlung die Medien ausgeschlossen werden und die Vorkommnisse intransparent werden. Auf der anderen Seite kann es nach der Bild-Berichterstattung der letzten Wochen nicht erstaunen, daß ein kleiner Funke zur Eskalation ausreichte, nicht unähnlich der Lage auf Schalke und seinem Presseboykott. Vielleicht stünde es ‚den‘ Journalisten auch mal gut zu Gesichte, interne Selbstreinigungsprozesse in Gang zu setzen und sich bewußt von einigen Berufsvertretern abzugrenzen. Wer als Journalist keine Differenzierung betreibt und selber nur von ‚den Journalisten‘ schreibt und damit Schulterschluß zu dem üblen Kampagnenjournalismus der Bild Hamburg betreibt, wer meint, er kann die Scheiße eines Kai-Uwe Hesse oder Babak Milani mit ‚ihre Finger in offene Wunden legen‘ rechtfertigen, muß sich nicht wundern, wenn aufgeregte und nervöse Vereinsmitglieder alle in einen Sack packt und mit dem Abstimmungsknüppel draufhauen. Die schiefgegangene Hauptversammlung hat viele Schuldige und viele Ursachen. Die HSV-Offiziellen müssen sich fragen lassen, wieso die Vorbereitungen (nicht genügend Wahlunterlagen, Essen) und der Ablauf so unzureichend gewesen sind. Wer professionelles Verhalten von Fans fordert, sollte erst einmal selber zusehen, daß er die Latte nicht reißt.“
Ich hab mit einigen HSV-Fans aus meinem Bekanntenkreis, die wahrlich nicht im Verdacht stehen, die Misere ihres Klubs schönzureden, über die Bild-Berichte gegen den HSV gesprochen und gemailt. Ich war fast erschrocken, welcher Haß sich in 30-Jährigen bilden kann.
Tsp-Interview mit dem Chef der HSV-Supporters Scheel über den Rauswurf der Journalisten bei der Hamburger Mitgliederversammlung
Raphael Honigstein (taz) gibt Einblick in die Entwicklungen im englischen Klubfußball: „Englands Fußball hat sich vor langer Zeit dem Markt geöffnet. Jetzt, da die Weltwirtschaft boomt und privates Großkapital nach Geschäftsideen sucht, nimmt sich der Markt das, was er kann. Die mittelständischen Unternehmen mit dem kickenden Personal bieten zwar kein rasantes Wachstum – sie können auch keine Filialen eröffnen –, aber die stabilen Besucherzahlen und der märchenhafte Fernsehvertrag (3,6 Milliarden Euro bis 2010) garantieren einen Cash-Flow, mit dem sich die Investition gegenfinanzieren läßt. Das Geschäftsklima in der Branche ist also günstig wie nie. Die alten Eigentümer, die den Crash um die Jahrhundertwende überstanden haben, kommen nun überall in Versuchung.“
Welt: Ausverkauf im britischen Fußball – sechs von zwanzig britischen Erstliga-Klubs gehören inzwischen ausländischen Geldgebern. Die managen die Vereine wie Unternehmen
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