Bundesliga
Kultur des Verhinderns und der Versagensangst
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| Freitag, 15. Dezember 2006Zwei kritische Texte fordern die Bundesliga dazu auf, ihre Schwäche einzusehen und zu analysieren / Eine neue Aufgabe für Jupp Heynckes: Abstiegskampf (FAZ)
Andreas Lesch (BLZ) läßt nicht viele gute Haare an allen Bundesliga-Vereinen, die in europäischen Wettbewerben spielen. An allen? Ja, an allen! „Die Bundesliga ist schon immer ein Meister des Selbstbetrugs gewesen. Die Liga nimmt die Wahrheit immer nur scheibchenweise wahr. Sie dreht die Fakten so lange hin und her, bis sie ihr passen. Die Wahrheit lautet: Deutschlands Vereine sind 2006 der internationalen Bedeutungslosigkeit ein stolzes Stück weiter entgegengeeilt. Die Wahrheit, die die Liga sich baut, klingt dagegen natürlich anders. Sie lautet so: Das Jahr ist eine nicht enden wollende Verkettung unglücklicher Umstände gewesen, eine Art europaweite Verschwörung. Böse Mächte sind da am Werk gewesen, gegen die die Bundesligisten chancenlos waren. Im März hat es den bedauernswerten FC Bayern erwischt. Er ist in der Champions League höchst unglücklich am AC Mailand gescheitert, und Felix Magath hatte prompt eine passende Erklärung: Der Schiedsrichter hat’s verbockt. Er hat den FC Ruhmreich nicht gewinnen lassen. Werder Bremen wurde in diesem Jahr gleich zwei Mal gebeutelt: in der vergangenen Saison gegen Juventus Turin ausgeschieden, durch einen Fehlgriff seines Torhüters Tim Wiese. Eine tragische Sekunde, so jaulte Fußball-Deutschland, reichte also, um zu verhindern, daß die Bremer weitere Punkte für ihre Liga in der Uefa-Rangliste sammeln. In der laufenden Spielzeit ereilte Werder das Holzhammer-Schicksal schon bei der Auslosung. Zwei der edelsten Gegner Europas wurden ihm zugeteilt, der FC Chelsea und der FC Barcelona. Das Urteil nach dem Aus mit Ansage war dann schnell gefällt: Pech gehabt. Das muß als Erklärung reichen. Wenn die Bundesliga es sich so überlegt, hat sie wirklich niemals Glück.“
Martin Freund (Passauer Neue Presse) vermißt Stil, Konzept und Nachhaltigkeit im deutschen Vereinsfußball: „Der globalisierte Fußball hat seine Grenzen. Nämlich dort, wo die Jagd nach dem schnellen Erfolg, dem gerade verfügbaren Wunschspieler, im babylonischen Sprachgewirr endet. Dort, wo im hitzigen Rhythmus des Hire and Fire Mannschaften keine Identitäten entwickeln können, die es aber braucht auf dem Weg zum Erfolg. Das Nationalteam 2006, die Bayern 2001 hatten ebenso klare Hierarchien wie fest umrissene Ziele. Sie hatten aber vor allgemeine Vorstellung davon, wie ihr Fußball aussehen sollte, den sie spielen. Einen Fußball, der auch nach Inhalten fragt und nicht nur nach dem Ergebnis. In der Bundesliga wird allein auf Ergebnis gespielt. Die Frage, wie es zu Stande kommt, können durchschnittlich begabte Mannschaften nicht stellen, Trainer unter maximalem Erfolgsdruck wollen sie nicht stellen. So hat eine Kultur des Verhinderns und der Versagensangst Einzug gehalten. Wer sie vertreiben will, wird viel Mut brauchen − und Zeit.“
Eine neue Aufgabe: Abstiegskampf
Über mangelnden Kredit dürfe sich Jupp Heynckes in Mönchengladbach nicht beschweren, meint Richard Leipold (FAZ): „Noch zehrt Heynckes von seinem Ruf als Gladbacher Jahrhundertstürmer, der den Klub auch als Trainer stark gemacht hat in Zeiten, die nicht mehr so gut waren wie die Fohlen-Ära der siebziger Jahre, aber noch lange nicht so schlecht wie die jüngere Vergangenheit. Die Fans halten sich mit Kritik oder gar Schmähungen zurück. Einem wie Heynckes spricht in Mönchengladbach niemand ohne weiteres die Fähigkeit ab, eine Lösung zu finden. Ihm wird schon etwas einfallen, mögen viele denken – oder wenigstens hoffen. Aber die Antworten des Meisters klingen altbacken. Mag sein, daß der Verein sich diese T-Frage wirklich nicht stellt, nicht stellen will. Dafür spräche, daß Heynckes in Mönchengladbach seit dem Wiederaufstieg vor fünf Jahren schon der sechste Trainer ist, der versucht, ein solides Fundament zu schaffen. Warum also nicht einmal mit einem Fußball-Lehrer eine längere Krise bewältigen, um gestärkt daraus hervorzugehen? (…) Auf Heynckes kommt eine Aufgabe zu, die er nur vom Hörensagen kennt: Abstiegskampf.“