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Bundesliga

So visionär wie der russische Adel zur Zeit der Oktoberrevolution

Oliver Fritsch | Freitag, 26. Januar 2007 Kommentare deaktiviert für So visionär wie der russische Adel zur Zeit der Oktoberrevolution

Zum Rückrundenbeginn knöpfen sich drei Journalisten die Führung des FC Bayern vor; sie vermissen ein Konzept und eine Leitidee

Heinz-Wilhelm Bertram (Berliner Zeitung) stört sich am Einkauf: „Die Bayern schlingern und wanken und trudeln nur noch durch die Jahre. Keine Linie, kein Konzept, keine Nachhaltigkeit. Jedes Jahr möchten sie Meister sein, doch einen Masterplan für eine wettbewerbsfeste Zukunftsmannschaft auf europäischem Niveau haben sie schon lange nicht mehr. Das Konzept reduziert sich auf populistische Einkäufe bei den Liga-Konkurrenten. Ein pfiffiger Heber, ein rassiger Alleingang genügen – und schon ist Jan Schlaudraff ein Bayern-Profi.“ Stefan Osterhaus (Neue Zürcher Zeitung) fügt hinzu: „Schlaudraff ist das personifizierte Zukunftskonzept des FC Bayern, ein kickendes Eingeständnis: Der FC Bayern dürfte sich zukünftig am Mittelmaß des internationalen Fußballs orientieren – und in der Bundesliga genügsam den Meistertitel anstreben.“

Michael Horeni (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung) zieht eine negative Handelsbilanz und wird aus den Zukunftsplänen nicht schlau: „Bei den Bayern ist es schon fast zur Regel geworden, daß zum Teil teuer eingekaufte Stars (Ballack, Zé Roberto, Robert und Nico Kovac, Kuffour, Lizarazu) den Klub ablösefrei verlassen. In den vergangenen fünf Jahren haben die Bayern daher bei Transfers ein Minus von neunzig Millionen Euro aufgehäuft, Werder Bremen im Vergleich nur rund drei Millionen. Aber es ist weniger die teure Abgabe- als die weitgehend konzeptlose Einkaufspolitik, die bei den Bayern auch intern immer stärker in die Kritik gerät. Was die Bayern in Zukunft wollen, ist weiterhin nur schwach zu ahnen. Hoeneß vertröstet darauf, daß in den kommenden Monaten mit den Transfers die neue Linie der Bayern zu erkennen sei. Bisher aber wirft der Rekordmeister nur mit Namen von Stars um sich wie Kinder beim Fußballquartett: Luca Toni. Ribery. Riquelme. Robben. Bastürk. Altintop. Klose. Aber genauso schnell wie die Namen Schlagzeilen machen, werden sie im internen Hin und Her wieder verworfen. Die einstige Stärke der Bayern, Spieler nur zu verpflichten, wenn sich Manager, Vorstandsvorsitzender und Trainer einig sind, wirkt mittlerweile auch als Hemmnis.“

Bertram wirft einen sehr kritischen Blick auf den Manager: „Dem neuen Mittelmaß entspricht ganz und gar die seit längerem zu beobachtende schwache Außenpolitik des FC Bayern. Im Hier und Heute fehlen die Argumente. Stattdessen häufen sich Hinweise auf Erfolge von gestern. Der große Rest ist Schimpfen, Poltern, trotzige Drohgebärde. Unter den Fans rumort es längst. Der Stolz, dem Ausnahmeverein anzugehören, bröckelt. Ist Uli Hoeneß ein Yesterday’s Hero? Die unantastbare Leuchtfigur ist der Manager für viele längst nicht mehr.“ Osterhaus ergänzt: „Das Dilemma ist hausgemacht. Die Scouting-Abteilung der Bayern? Ein Totalausfall. Binnen weniger Jahre verbrannten die Bayern bei der Fahndung nach einem Innenverteidiger von Weltklasse beinahe zwanzig Millionen Euro. Die Baustelle besteht immer noch. Die Integration der Nachwuchskräfte? Schleppend bis verschleppend.“

Allerdings gibt Osterhaus Bayerns erfolgreiche Ausbildung zu bedenken, kommt aber zu keinem guten Schluß: „Es gibt freilich eine Kehrseite davon: Münchens Nachwuchsarbeit ist prächtig. Kaum ein Klub, einmal abgesehen von der Berliner Hertha, schleudert so viele Nachwuchskräfte in das Profikader – siehe Schweinsteiger, siehe Ottl, siehe Rensing. Nirgendwo werden der Bundesliga so viele Jungprofis zugeführt wie aus dem Münchner Quell. Bleibt einzig das Problem der konsequenten Förderung: Fast alle stagnieren, mitunter auf ganz ordentlichem Niveau, weswegen gern aus der Bundesliga gehobener Durchschnitt hinzugekauft wird. Jenes Konzept, mit dem die Münchner den Herausforderungen begegnen wollen, ist ungefähr so visionär wie die verzweifelten Versuche der Besitzstandswahrung des russischen Adels zur Zeit der Oktoberrevolution. Und mindestens so erfolgversprechend.“

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