Bundesliga
Personalpolitisches Armutszeugnis
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| Donnerstag, 1. Februar 2007Die Entlassung Felix Magaths rückt die Führung des FC Bayern in die Kritik der Presse; den zurückgetretenen Jupp Heynckes zeichnen die Zeitungen als Mann der guten alten Zeit
Jan Christian Müller (FR) kann die Entlassung Felix Magaths verstehen, kritisiert aber die Verpflichtung Ottmar Hitzfelds: „Er hat es nicht geschafft, dem Team einen erkennbaren Spielstil zu vermitteln und aus begabten Profis wie dem frustriert nach nur einer Saison wieder entschwundenen Torsten Frings, oder aus Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski das Maximum ihrer Leistungsfähigkeit herauszuholen. Zudem ist es ihm gemeinsam mit Uli Hoeneß nicht gelungen, mit einer strategischen Planung sinnvolle Verstärkungen zu holen. (…) Daß die Bayern Magaths unmittelbaren Vorgänger Hitzfeld als dessen Nachfolger präsentieren, ist allerdings ein weiteres personalpolitisches Armutszeugnis. Damit treten sie nämlich den Beweis an, daß sie sich auf dem Trainerkarussell ähnlich uninspiriert und phantasielos bewegen wie zuletzt auf dem Spielermarkt.“
Jörg Schallenberg (SpOn) schreibt entgeistert: „So wie ein ganz normaler Fußballverein, sagen wir mal Hannover 96 oder Borussia Dortmund, haben die Bayern nach einem mißglückten Rückrundenstart einfach das getan, was auch jedem Dorfmanager als Erstes einfallen würde: Sie haben den Trainer gefeuert. Das ist nicht nur einfallslos, sondern auch eine sportliche Bankrotterklärung.“
Machtdemonstration
Der Tagesspiegel moniert die Übervorsicht der Bayern-Führung in Geldfragen: „Die können Magath, Hitzfeld, Heynckes oder Meiermüller heißen, über kurz oder lang bekommen sie alle beim FC Bayern das immer gleiche Problem, nämlich das strukturelle. Da sind einmal die drei Macher des Klubs, Franz Beckenbauer, Uli Hoeneß, Karl-Heinz Rummenigge, die haben in den siebziger Jahren den Fußball erfunden. Und dann sind da die Finanzstrukturen des Vereins. Der FC Bayern ist der mit Abstand finanzstärkste Klub hierzulande, aber eben nur hier. Auch ist der FC Bayern der mit Abstand progressivste Klub in Deutschland. In Europa, verglichen mit den anderen nationalen Spitzenklubs, ist er der konservativste. Er gibt das Geld für die Spieler nämlich erst aus, wenn er es hat. Das ist gewiß vernünftig. Allerdings schießt Vernunft keine Tore, sondern nur die besten Spieler der Welt, und die sind zu teuer für eine konservative Finanzpolitik.“
Auch Schallenberg rügt den großen Einflußwillen der Vereinsoffiziellen: „Magath wollte sich gegenüber seinen Vorgesetzten nicht verbiegen – eine Eigenschaft, die ihn schon bei seinen bisherigen Vereinen trotz guter Resultate am Ende immer den Job kostete. Als er öffentlich bekannte, daß die Meisterschaft abgehakt sei, übte er – ob gewollt oder nicht – Majestätsbeleidigung. Beim FC Bayern geht es immer um den Titel – und wenn nicht, dann dürfen das allenfalls Hoeneß oder Franz Beckenbauer aussprechen. So gesehen war Magaths Rauswurf weniger eine Schadensbegrenzung als eine Machtdemonstration. Wer auch immer in der kommenden Saison Trainer des FC Bayern werden soll – er wird sich genau überlegen, ob er zu diesen Bedingungen wirklich in München arbeiten will.“
Trainer verzweifelt gesucht
Felix Reidhaar (NZZ) hält den Entscheidern vor, die Information über die Bild-Zeitung verbreitet zu haben: „Von einer panischen Reaktion des FC Bayern kann nach fünf Punktverlusten in den ersten beiden Rückrundenspielen nicht die Rede sein. Schon eher von einer nicht dem hohen Stand entsprechenden Kommunikationsarbeit. Daß die große Boulevardzeitung (Mitautor Beckenbauer) den Stabwechsel verbreitete, bevor Magath an den Geschäftssitz einbestellt worden war, verrät schlechten Stil. Angesichts der personellen Konstellation im FC Bayern mit Platzhirschen in allen Führungsorganen (Präsidium, Vorstand, Operatives) und einem entsprechenden Basar an Eitelkeiten überrascht dies nicht.“
Christof Kneer (SZ) vergleicht die die beiden Entlassungen von gestern: „Felix Magath und Jupp Heynckes haben auf unterschiedliche Weise Probleme gehabt mit dem Transfer ihrer Werte in die Neuzeit. Wer die Bayern zuletzt spielen sah, dem drängte sich der Eindruck auf, daß Magaths strategisches Potential vor allem darin bestand, wie Happel zu schweigen und aufs strategische Potential der Spieler zu vertrauen. Magath hat die Spieler zu wenig entwickelt, er hat darauf vertraut, daß sie sich schon von selbst entwickeln, wenn man ihnen nur die Fitness zur Verfügung stellt. Heynckes dagegen hat den Schritt auf die moderne Strategie-Ebene mit Leichtigkeit geschafft; es war eher die pädagogische Ebene, die diesem veranlagten Taktiker Schwierigkeiten bereitete. Für ihn waren Fußballer stets Fußballer, keine Unternehmer mit eigenen Interessen.“
Roland Zorn (FAZ) sieht ähnliche Gründe: „Heynckes’ freiwilliger Abschied von seiner Borussia und damit auch von seinem Trainerjob war eher abzusehen als die abrupte Trennung der Bayern von Magath. Hier kam ein traditionsbewußter Gentleman, dessen Denken und Handeln sich an den Werten seiner aktiven Zeit orientierte, nicht mehr mit den Verhältnissen von heute zurecht.“
Zorns Fazit Trainerfindung: „Daß die Bayern ihren alten Cheftrainer noch einmal becircen mußten und auch die Gladbacher mangels Auswahl kaum eine andere Wahl als Luhukay haben, zeigt, wo es klemmt in der Bundesliga: Trainer verzweifelt gesucht.“
NZZ: Gefragt, gefeiert, gechaßt – Hitzfeld für Magath im FC Bayern, Heynckes weg von Mönchengladbach
FAZ: Magath gefeuert – Hitzfeld übernimmt
SZ: Hitzfeld neuer Bayern-Trainer – Vorgänger als Nachfolger
Morgen auf indirekter-freistoss.de: Pressestimmen zum nächsten Trainerrauswurf