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Bundesliga

Der Fußball macht mit uns, was er will

Oliver Fritsch | Montag, 26. Februar 2007 Kommentare deaktiviert für Der Fußball macht mit uns, was er will

Pressestimmen zum 23. Spieltag: Über Trainerfragen in Frankfurt und Bielefeld, neue Freude beim FC Bayern, Dortmunder Hadern, eine schnelle Hamburger Sättigung und die Unberechenbarkeit der Liga

Thomas Kilchenstein (FR) räsonniert über Gegenwart und Zukunft von Eintracht Frankfurt: „Das Grummeln in Frankfurt ist bereits vernehmbar, aber noch genießt Friedhelm Funkel Vertrauen. Es ist aber nicht endlos. Bruchhagen, so viel dürfte sicher sein, wird nicht sehenden Auges den vierten Abstieg so einfach hinnehmen wie 2004 mit Willi Reimann. Dafür hat die Eintracht zu viel investiert, dafür wäre der Weg zurück zu beschwerlich.“ Roland Zorn (FAZ) knöpft sich ungewöhnlich direkt die Trainer von Frankfurt und Bielefeld vor: „Die Mannschaft verbreitet nicht das Feuer, die Kraft und den Widerstandsgeist, Tugenden, die ein Bundesligateam braucht, um der Gefahr nachhaltig zu begegnen. Bei diesem Klub, der dank Bruchhagen inzwischen für Seriosität und ausgewogenes Handeln steht, stellt sich jetzt oder sehr bald die Trainerfrage. Die Mannschaft, an der der Trainer chronisch herumbastelt, scheint als hierarchisch amorphes Gebilde einen letzten Frische-Impuls zu brauchen. Schlimmer noch sieht die Lage in Bielefeld aus. Frank Geideck ist, weil der ideale zweite Mann, kein tauglicher Ersatz für die Chefposition. Der Mann leidet fast noch mehr als seine abstiegsangsterfüllten Spieler an der von ihm nicht gebremsten Pleitewelle. Wie sie beim Fahrstuhlverein Arminia angesichts des schon unter Thomas von Heesen negativen Laufs darauf kommen konnten, dessen loyalsten Zuarbeiter mit der Krisenbewältigung zu beauftragen, ist ein Rätsel. So aber könnten sich die Verantwortlichen in Bielefeld, voran der seltsam konturlose Sportgeschäftsführer Reinhard Saftig, schon in Kürze gezwungen sehen, ihren Fehler zu korrigieren.“

Aufflammende Leidenschaft

Heinz-Wilhelm Bertram (BLZ) deutet die ausgelassene Freude des FC Bayern gegen Wolfsburg als Methode: „Im taumelnden Zustand, in dem sich der FC Bayern seit Jahresbeginn befindet, reichen Fußballkonfirmanden, um einen halben Weltjubel auszulösen. Ottmar Hitzfeld stört das nicht, seinetwegen könnte morgen der FC Hintertupfingen aus der fünften Kreisklasse kommen. Auch gegen den würde der FC Bayern derzeit die Arme vor Jubel kaum wieder herunter kriegen. Vorausgesetzt natürlich, er würde gewinnen. Das macht vielleicht das Geheimnis der derzeitigen Bayern-Mannschaft aus: Hitzfeld trägt seine innerste Freude über kleine Besserungen und seine Zuversicht nach außen – und motiviert auf diese Weise selbst die Verzagenden. (…) Hitzfeld hat seinem Team wieder eine Seele mit einer aufflammenden Leidenschaft eingehaucht.“

Felix Meininghaus (Tsp) nimmt alle Dortmunder Offiziellen für das Tief in die Verantwortung: „Das eklatante Schnelligkeitsdefizit und der Mangel an Persönlichkeiten im Kader waren von Anfang an offensichtlich. Eigentlich hätte sich das Ziel, einen Startplatz im internationalen Wettbewerb anzustreben, verboten. Sportdirektor Michael Zorc für den schlimmen Ist-Zustand an den Pranger zu stellen, scheint legitim; er muß eine verfehlte Transferpolitik verantworten. Andererseits haben auch Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und Ex-Trainer Bert van Marwijk die Zugänge für gut befunden. Und soll man Zorc und den anderen ernsthaft zum Vorwurf machen, sie hätten ahnen müssen, daß ein hochgelobter Stürmer wie Nelson Valdez eine Katastrophensaison hinlegt? Die Vorstellung, daß der im Winter verpflichtete Jürgen Röber eine Mannschaft mit so wenig Ausstrahlung (und aktuell vielen Verletzten) allein mit knackigen Parolen zu neuen Perspektiven führen würde, scheint reichlich naiv. Was bleibt? Nur der Vorsatz, eine verkorkste Saison mit möglichst wenig Schaden zu Ende zu bringen, um danach den personellen Umbau einzuleiten.“

Endlich beweist jemand Härte beim HSV

Mit ihrem Trainer liest Frank Heike (FAZ) den – wenn auch siegreichen – Hamburgern die Leviten: „Es wird wieder eine anstrengende und unangenehme Woche werden für die Profis des Hamburger SV. Überhaupt sind alle liebgewonnenen Bequemlichkeiten des behaglichen Lebens als Angestellter des HSV gestrichen, seit Huub Stevens in die Trainerkabine eingezogen ist. Man mag es kaum glauben: Nur zwei Siege nacheinander hatten manchen Hamburger Profi schon wieder satt und überheblich werden lassen – obwohl die Mannschaft Vorletzter der Bundesliga war. Diese lässige, bisweilen uneinsichtige Haltung hätte beinahe das glückliche 3:1 gegen Eintracht Frankfurt verhindert. Sportchef Dietmar Beiersdorfer und Vorstand Bernd Hoffmann freuen sich über jede Disziplinarmaßnahme von Stevens und reiben sich im Hintergrund die Hände: Endlich beweist jemand Härte beim HSV, Härte und Durchsetzungsvermögen. Stevens ist im Moment genau der richtige Mann für den HSV, und es wird noch einmal deutlich, woran Thomas Doll scheiterte: Er war zu nett.“

Alles Wackelbilder, alles vergänglich

Andreas Lesch (BLZ) läßt sich irritieren von der Unberechenbarkeit der Tabelle: „Es gibt in der Bundesliga keine Sicherheiten mehr. Es gibt keinen Trend mehr, der das Geschehen dauerhaft prägt. Die Liga ähnelt einer Geisterbahn: Keiner weiß, welcher Schrecken hinter der nächsten Ecke lauert – oder welche Erleichterung. Das ist gut, weil es die Liga spannend hält und allzu frühzeitige Entscheidungen verhindert. Es ist aber auch schlecht: weil die Ausgeglichenheit kein Qualitätsmerkmal ist. Nicht die schwachen Vereine sind stärker geworden, sondern die starken Vereine schwächer. Die Liga hat sich auf einem Einheitsniveau eingependelt, das jede Vorhersage unmöglich macht.“ Auch Oskar Beck (Welt) wird aus der Liga nicht schlau: „Der Fußball macht mit uns, was er will. Die beste Antwort auf alle Fragen stammt von Descartes, der als Philosoph und Mathematiker auch den Fußball durchschaut hat: Alles, was lediglich wahrscheinlich ist, ist wahrscheinlich falsch. Alles Wackelbilder. Alles vergänglich. (…) Stellen Sie sich vor, die Saison wäre erst mit der Rückrunde losgegangen. TV-Teams und Sonderkorrespondenten aus aller Welt wären am Samstag am Bruchweg erschienen, um das vorgezogene Endspiel um die Deutsche Meisterschaft zu erleben.“

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