Ball und Buchstabe
Abkehr vom Gewohnheitsrecht
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| Sonntag, 11. März 2007Die Neue Zürcher Zeitung geht einem neuen Trend im deutschen Tor auf den Grund
Stefan Osterhaus (NZZ) liest die Torwartwechsel in Leverkusen (Adler für Butt) und Schalke (Neuer für Rost vor rund einem halben Jahr) als neue Antwort auf die deutsche Generationenfrage: „Gemeinsam verkörpern sie die Abkehr zweier Klubs von der sakrosankten Nummer 1, die in den meisten Fällen auch noch die Patina von Hunderten von Bundesligaspielen in den Strafraum schleppen muß. Und vielleicht stehen sie auch für einen kleinen Mentalitätswandel. Denn während Jahrzehnten, als Gestalten wie Maier, Schumacher und Kahn dem Torhüterspiel weltweit den Stempel aufdrückten, hat sich der Irrglaube etabliert, daß allein ein Keeper kurz vor Eintritt ins Pensionsalter der Abwehr die nötige Sicherheit gewährleisten kann. Kahn, Schumacher, Maier und Köpke war der Platz im Tor nur durch höhere Gewalt zu nehmen; ihre Legitimation war oft mehr das Gewohnheitsrecht als die gegenwärtige Verfassung.“
Gerade im internationalen Vergleich steche der deutsche Hang zur Routine hervor: „Zu ihren Keepern unterhielten die Deutschen stets eine besondere Beziehung. Hier war Weltklasse quasi garantiert. Zwar verfügt noch immer keine europäische Spitzenliga über eine derartige Anzahl an passablen Goalies aus dem eigenen Land wie die Bundesliga. Doch in der Auswahl junger Spitzenkräfte sind die Trainer mitunter weniger von Skrupel getrieben als die deutschen Kollegen. In Spanien trug Iker Casillas schon früh die Verantwortung bei Real Madrid und im Nationalteam. Gianluigi Buffon hütete bereits in seinen frühen Zwanzigern das Tor der Squadra Azzurra. Petr Cech galt bis zu seiner schweren Kopfverletzung keineswegs zu Unrecht als einer der sichersten Torleute des Erdballs. Als er 2004 nach einer überragenden EM beim Chelsea FC unterschrieb, war er 22 Jahre alt. Das alles geschah, während sich Oliver Kahn jenseits der 35 und des eigenen Zenits stoisch weigerte, Konkurrenten auch nur als solche wahrzunehmen.“
Auch die gegenwärtige und künftige Besetzung im Tor der deutschen Elf nimmt Osterhaus in den Blick und macht sich für diejenigen stark, die nicht nur mit der Hand gut sind: „In Deutschland hatten die Bundestrainer stets die Qual der Wahl. Allein die Jugend mancher Kandidaten schien ein Ausschlußkriterium. Jens Lehmann, 36 Jahre alt, ist auch beim besonnenen Reformer Joachim Löw noch gesetzt. Auch hier geht es um Verdienste, doch vordergründig spielt der alte Herr von Arsenal einer Eigenschaft wegen, die dem Kombattanten Kahn Zeit seines Fußballerlebens ein Mysterium blieb: Der Ball am Fuß ist ihm kein Fremdkörper, er spielt stets den ersten Paß. Neuer und Adler als Vertreter der jüngsten Generation versprechen gegenüber den ehedem hoch gehandelten Reflexwundern wie Roman Weidenfeller und Tim Wiese genau diesen Vorzug – weswegen die Chancen gar nicht so schlecht stehen, daß im deutschen Fußball auch in der Zeit nach Lehmann die Spieleröffnung mit dem Torhüter beginnt.“
Hallo Herr Fritsch,
ich wäre Ihnen dankbar gewesen, wenn Sie in Ihrer Nachlese zum Spiel Bayern-Real auf das wieder mal großspurige Auftreten Karl-Heinz Rummenigges eingegangen wären. Seine Schiedsrichter-Schelte gegenüber Lubos Michel war ja wieder ein Lehrstück bajuwarischer Arroganz. Natürlich ging dem Elfmeter kein Foul voraus – geschenkt. Aber dem Schiri bei den beiden Platzverweisen mangelndes Fingerspitzengefühl vorzuhalten, war schon recht abenteuerlich. Zu harmlos seien die Vergehen gewesen. Die Deutung dieser Aktion müßte wohl eigentlich richtig heißen: Warum gehe ich als ein mit Gelb vorbelasteter Leistungsträger (van Bommel) ein derartiges Kindergartengerangel ein und zwar so lange, bis ich vom Platz fliege? Zudem war der Elfmeter in meinen Augen ausgleichende Gerechtigkeit, denn Michel hatte Real kurz zuvor eine glasklare Chance genommen, als er fälschlicherweise auf Abseits entschied. Aber diese Szene wurde in der Nachbesprechung im Premiere-Studio mit dem Ex-Premiere-Experten Hitzfeld natürlich weder gezeigt noch überhaupt erwähnt. Was lernen wir daraus? Die Bayern haben zwar schwierige Monate hinter sich, aber ihr Selbstverständnis hat keinen Schaden genommen. Wer hätte auch anderes erwartet …
Frank Lübberstedt
OF: Mir ist eher Rummenigges belehrende Wortwahl aufgefallen: „Hier ist vom Schiedsrichter schlecht gearbeitet worden.“