Bundesliga
Der BVB hat sich total verheddert
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| Montag, 12. März 2007Dortmunds Sinken als Spätfolge des Neureichtums der alten Vereinsführung? Jürgen Röber vor der Entlassung? / Huub Stevens Strenge, der Hamburger Erfolgsfaktor / Geteilte Meinungen über Christian Ziege, den neuen Gladbacher Sportdirektor
Freddie Röckenhaus (SZ) wertet den Sinkflug der Dortmunder als Spätfolge des Neureichtums unter Niebaum und Meier: „In diesen Wochen zahlt Borussia den erwartbaren Preis für die Sanierung der Finanzen. Geld regiert die Bundesliga, und der BVB hatte über Jahre (neben dem FC Bayern) an der Spitze dieser Bewegung gestanden – damit kam er auch bis in die europäische Spitze, solange die Kreditlinien das hergaben. Jetzt, da der Etat des Vereins nur noch auf Platz fünf oder sechs der Geldrangliste rangiert, rächen sich die Sünden der Vergangenheit. Anderthalb Jahrzehnte lang konnten Trainer und Manager des BVB die Politik verfolgen, mit hohen Millionengehältern und -ablösesummen wenn nicht die Welt, so doch die Bundesliga zu regieren. Jetzt, da die zerfledderte Rest-Mannschaft der goldenen Jahre scheinbar widerstandslos in den Abstieg trudelt, merkt man, daß man sich im Millionen-Poker mit den Profis von einigen hat über den Tisch ziehen lassen.“
Roland Zorn (FAZ) hingegen knöpft sich die aktuelle sportliche Führung vor: „Falsche Sofortmaßnahmen, falsche Zielvorgaben, falsche Personalwahl bei den Profis, falsche Planung im Verein: Borussia Dortmund hat in dieser Spielzeit taktisch, strategisch und konzeptionell so ziemlich alles falsch gemacht. Die Folgen der Fehlerkette sind inzwischen unübersehbar: Der Klub schwebt wie zuletzt 2000 in allerhöchster Abstiegsgefahr. Der Zuschauerkrösus der Bundesliga auf dem Weg zu den armen Schluckern zweiter Klasse? Nichts ist unmöglich in dieser Spielzeit, da die Hälfte aller Vereine Woche für Woche in einem Klima zwischen Bangen und Hoffen dem Ärgsten zu entkommen sucht. Der BVB hat sich total verheddert.“
Röckenhaus trifft, wenn auch in beiläufigem Ton, ein vernichtendes Urteil über Trainer Jürgen Röber: „Mit seiner wohlmeinenden, beinahe altväterlichen Ansprache, seinem begrenzten Repertoire und seinen überholten Trainingsmethoden ist Röber von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen. Zu kompliziert ist das Gefüge der zerrissenen BVB-Mannschaft, die sich aus einem Rest der Meistermannschaft von 2002 zusammensetzt, aus einigen viel zu schnell hochgelobten Talenten, aus scheinbar kopflos zusammengekauften Zugängen und einem Führungsspieler Christoph Metzelder, der an einen Wechsel zu Real Madrid und an die große Welt denkt. Insider bescheinigen dem größten Teil dieser heillosen Truppe ein Führungs- und Disziplindefizit. (…) Daß die Elf der Borussia, ihre Gruppendynamik und ihre Zusammensetzung, das eigentliche Problem darstellen, läßt sich so spät in der Saison nicht mehr korrigieren. Gesucht wird also ein Sklaventreiber mit Geschick für Zwischentöne.“ Auch Andreas Morbach (FR) rechnet stündlich mit einer Trainerentlassung: „Das Chaos vor der schwarz-gelben Haustür ist groß, an den aufwändigen Kehrarbeiten darf sich Röber wohl nicht mehr sehr lange beteiligen.“
Angst, der Antriebsmotor der Hamburger Profis
Jörg Marwedel (SZ) macht die Strenge Huub Stevens‘ für die neue Stärke des HSV verantwortlich, nicht ohne Thomas Doll noch etwas ins Stammbuch zu schreiben: „Tatsächlich ist offenbar immer mehr Profis bewußt, daß es sportlich auf Dauer wenig bringt, wenn der Trainer fast einer von ihnen ist. Einer, der sich auch mit vierzig noch anzieht wie ein Twen. Einer, der bei einer Auslandsreise schon einmal bis nachts um vier mit dem Team ausgegangen ist. Einer, von dem Spieler, die zu spät zum Training erschienen, oft nicht mehr befürchten mußten als einen Augenaufschlag des Chefs. Sie hatten keinen Respekt mehr vor ihrem Vorgesetzten. Stevens, der Mann mit den nach hinten gekämmten Haaren, machte dagegen schon am ersten Tag klar, welche Regeln bei ihm gelten.“ Frank Heike (FAS) stimmt zu: „Das Leben ist weniger süß, seit Stevens nach Hamburg gekommen ist. Disziplin steht bei allem Denken und Handeln an oberster Stelle, es gibt schlichtweg keinen Platz mehr für Alleingänge außerhalb des Feldes, für Faulheit, Sorglosigkeit und Gedankenlosigkeit. Der Antriebsmotor der Hamburger Profis heißt: Angst. Es ist nicht die Abstiegsangst, sondern Furcht vor dem neuen, respekteinflößenden Coach.“
Interview mit Stevens (TspaS): „Manche Profis sind fast noch Kinder“
Ein neues Gesicht auf einem Markt des Mangels
Richard Leipold (FAZ) verbindet wenig Hoffnung mit dem neuen Gladbacher Sportdirektor Christian Ziege: „Zehn Trainer und Manager in vier Jahren: Kontinuität war einmal. Helmut Grashoff, einst der Inbegriff des Bundesligamanagers, wirkte in Mönchengladbach, als wäre es ein Job auf Lebenszeit. Die Borussia brauchte in der Bundesliga zwei Jahrzehnte, bis in Wolf Werner im Herbst 1989 der erste Cheftrainer entlassen wurde. Das war noch zu jenen Zeiten, als Gladbach als sportlicher und gesellschaftlicher Gegenentwurf zum Münchener Establishment galt, nicht so proletarisch angehaucht wie Schalke 04 oder Borussia Dortmund, die lange Zeit auch das Zeug dazu hatten. Inzwischen gibt es in der kruden Personalpolitik des Klubs nur noch eine Konstante: den Rückgriff auf alte Borussen – wenn irgendwie möglich. Die meisten Trainer der vergangenen Jahre paßten jedenfalls in dieses Profil und auch der neue Manager Ziege. Wenn schon jemand auserwählt ist zu scheitern, dann, bitte schön, ein Borusse alter oder neuer Schule.“
Daniel Theweleit (taz) jedoch kann dieser Personalentscheidung etwas abgewinnen, zumal auch weil Stefan Effenberg dadurch verhindert worden ist: „In der Bundesliga, diesem Becken der alten Seilschaften und Klüngeleien, hätte der mitunter steinzeitlich denkende Effenberg (‚Arsch aufreißen, Gras fressen‘) beste Aussichten gehabt, wenn er einen alten Weggefährten auf dem Gladbacher Präsidentenstuhl angetroffen hätte. Der Textilunternehmer Königs aber fand einen, der sich zwar nicht beworben hat, der dafür aber in die Klinsmann/Löw-Line paßt: Christian Ziege. Vielleicht war das ein genialer Coup des Präsidenten. Er hat sich für die eloquentere, die besonnene und – mit Verlaub – intelligentere Alternative entscheiden. (…) In jedem Fall wird hier nun ein neuer Sportdirektor ausgebildet, ein neues Gesicht auf einem Markt des Mangels.“