Bundesliga
Nicht bereit für den Abstiegskampf
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| Montag, 2. April 2007Pressestimmen zum 27. Spieltag: Kopfprobleme in Dortmund? / Kahn-Bonus, schwaches Schalke / Klose und Bremen nicht mehr wiederzuerkennen / In Stuttgart treffen die Stürmer / Herthas schwache Bilanzen
Peter Penders (FAZ) empfiehlt den Dortmundern, die Augen zu öffnen: „Den Spielern darf man vorwerfen, die Zeichen der Zeit offenbar immer noch nicht erkannt zu haben – aber für die Vereinsführung gilt dies auch. Erst kürzlich hat Geschäftsführer Watzke die sportlichen Schwierigkeiten als Spätfolge der Ära Niebaum/Meier bezeichnet, weil eben zehn, fünfzehn Millionen Euro fehlten, um mit Mannschaften wie dem Nachbarn Schalke mithalten zu können. Wer in der Situation, in der die Borussia steckt, erklärt, warum er nicht mit dem Tabellenführer mithalten kann, ist tatsächlich nicht bereit für den Abstiegskampf, hält sich immer noch für etwas Besseres und kann eine Tabelle nicht lesen. Dortmund hat nichts zu beklagen, außer der eigenen Unfähigkeit, mit dem Geschenk des höchsten Zuschauerschnitts der Liga vernünftig umzugehen.“
Freddie Röckenhaus (SZ) bemitleidet den mittellosen Dortmunder Trainer: „Thomas Doll kann nichts dafür – im Gegensatz zu seinem Vorvorgänger van Marwijk, der die Mannschaft in einem bemitleidenswerten athletischen Zustand hinterlassen haben soll, und dessen Wunschspieler Nelson Valdez (22 Spiele, kein Tor) und Steven Pienaar als gescheiterter Spielgestalter zu den größten Problemfällen zählen. Das versammelte Mittelfeld gilt als das langsamste der Liga, der Angriff hat keine Durchschlagskraft und vor allem keine Torgefährlichkeit. Aber: Wer hat den Kader erfunden, der nach den Transferwerten der BVB-Spieler immer noch bei 77 Millionen Euro taxiert – auf Platz fünf der Liga? Mit der Suspendierung von Kringe und Ricken hat Doll auf ein allzu offensichtliches Mittel zurückgegriffen.“
Rüpel
In der deutschen Presse fällt der Groschen – Stichwort Oliver-Kahn-Bonus. Roland Zorn (FAZ) kritisiert dessen Ringeinlage gegen den Schalker Larsen und den fehlenden Mut des Schiedsrichters Fandel, Kahn Rot zu zeigen: „Zum Glück des Keepers war er im heimischen Stadion ausgerastet; dazu stand ihm in Herbert Fandel ein ‚Papa Gnädig‘ bei, der es bei einer Gelben Karte für Kahn beließ, der zweifellos im roten Bereich der Fußball-Sündenpalette angekommen war. Kahn aber wurden wie schon so oft in den wüsten Momenten seiner insgesamt glanzvollen Karriere wieder einmal mildernde Umstände zuteil. So verständnisvolle Schiedsrichter hätten auch andere Profis der Bundesliga gern in den kritischen Augenblicken, da die Contenance und der Benimm verlorenzugehen drohen.“
Mathias Schneider (Stuttgarter Zeitung) spricht Kahn Kardinaltugenden ab: „Noch schwerer als die fehlende Rote Karte wiegt, daß der Welttorhüter Oliver Kahn, der noch während der WM für seine Loyalität und Gelassenheit gerühmt wurde, nicht zum Vorbild taugt – aller nachdenklicher Interviews zum Trotz. Dabei spielt dieser Kahn längst nicht mehr allein um Titel, er ist eine Person der Zeitgeschichte, zu der die Jugend aufschaut, an der sich der Nachwuchs orientiert – orientieren will. Am Samstag ist er dieser Verantwortung nicht nachgekommen. Wieder einmal. Oliver Kahn bleibt bis auf weiteres nur ein starker Torwart. Ein großer Torwart ist er auch mit 37 Jahren noch nicht. Viel Zeit bleibt ihm nicht mehr, um dieses Bild zu revidieren.“
Andreas Burkert (SZ) ergänzt: „Daß jemand im hohen Sportleralter, der im WM-Sommer Frieden geschlossen zu haben schien mit der Welt und seinem Ego, sich bisweilen ‚nicht im Griff hat‘, wie sonntags auch Ottmar Hitzfeld einräumte, wird den Münchnern kaum gefallen. Kürzlich die Entgleisung samt Urinbecherwurf bei einer Dopingkontrolle nun die vom sonst nervtötend kleinlichen Spielleiter Fandel beschönigte Tätlichkeit – die Rüpelei bleibt partout im Repertoire des einstigen Welttorhüters, der vor einiger Zeit auf gutes Liganiveau zurückgefallen ist.“ Heinz-Wilhelm Bertram (Financial Times Deutschland) rät Kahns Arbeitgeber, das Arbeitsverhältnis zu überdenken: „Uli Hoeneß dürfte Kahns Ausraster als abermaliges Zeugnis seiner Unfähigkeit für einen zukünftigen Posten im Management des FC Bayern gewertet haben. Fürchtet Kahn, daß er ohne Ball und kurze Hosen ins Nichts fällt – und will er deshalb noch bis 2008 spielen? Hoeneß kann nicht verborgen geblieben sein, welch vorzüglichen, modern mitspielenden Torhüter der FC Schalke in Manuel Neuer (21) zwischen den Pfosten hatte. Oliver Kahn, der im Juni 17 Jahre älter sein wird als Neuer, ist die Inkarnation des viel zu unentschlossenen Umbaus des FC Bayern München.“
Gleichzeitig verweist Bertram auf die sportliche Überlegenheit der Bayern im Spitzenspiel: „Die Mannschaft von Hitzfeld hat ein Zeichen gesetzt. Sie hat dem FC Schalke vermittelt, wie die Methodik einer Meisterschaft auszuschauen hat. Sie umfaßt Verbissenheit und Zähigkeit, auch mal linkisches Hinlangen und die Hinnahme von Schmerz. Mit fletschenden Zähnen und aufgestellten Nackenhaaren haben sich die Münchner die naiv daherwatschelnde Schalker Stopfgans gepackt, die von einem reichen russischen Mütterchen gemästet wird.“ Thomas Becker (taz) fügt an: „Zu keinem Zeitpunkt des Spiels sah es aus, als hätte Schalke neun Punkte Vorsprung auf Bayern – eher umgekehrt. Ähnlich wie gegen Bremen dominierten die Münchner von Beginn an und versäumten es, Treffer nachzulegen.“
Stockend
Ronny Blaschke (FR) nimmt den Teil Miroslav Klose für das ganze Werder Bremen: „Klose ist derzeit mehr als ein Stürmer im Leistungstief. Er ist die Symbolfigur einer Mannschaft, die in der Hinrunde wie eine kraftvolle Lokomotive über ihre Gegner hinwegdonnerte, und die nun immer wieder ins Stocken gerät. Das Spiel in Cottbus kann als Beispiel für die Formschwankungen dienen. Die Bremer dominierten nach Belieben, sie gingen mit dem Ball über neunzig Minuten Gassi, spätestens aber an der Strafraumgrenze entwischte er ihnen.“
Getroffen
Bernd Dörries (SZ) schreibt die Stuttgarter nach dem 3:1 gegen Aachen noch nicht ab: „Die Leistung der Mannschaft war nicht so, daß man den VfB Stuttgart zwingend mit der Meisterschaft in Verbindung bringen müßte. Aber das läßt sich in dieser Saison wohl von keiner Mannschaft sagen. Und am Samstag zählten ohnehin ganz andere Dinge. Unter der Woche hatte es eine kleine Diskussion über den Sturm gegeben, es wurde gerätselt, wer nach dem Ausfall von Mario Gomez nun die Tore schießen sollte und über Verstärkungen für die nächste Saison nachgedacht. Am Samstag trafen nun alle drei Stürmer.“
Die rätselhafteste Elf der Liga
Jens Weinreich (Berliner Zeitung) errechnet bei Hertha, 1:2-Verlierer in Nürnberg, eine Kluft zwischen Investment und Ertrag: „Kein anderer Verein der Bundesliga erhielt in den vergangenen Jahren so viele offene und verdeckte Alimente von der öffentlichen Hand wie Hertha BSC. Wie bei fast allen Subventionsbetrieben läßt sich auch im Falle Hertha sagen, daß die Bilanzen bescheiden bleiben. Wirtschaftlich sowieso – zunehmend auch sportlich.“ Christof Kneer (SZ) tut zunächst so, als würde er aus Hertha nicht schlau werden, hat dann aber doch eine Antwort auf die Frage nach ihrer Schwäche: „Hertha ist die rätselhafteste Elf der Liga, in Nürnberg hat sich das Rätsel mal wieder in voller Schönheit entfaltet. Es ist ja nur schwer zu begreifen, wie es einer Elf Spaß machen kann, aus ihren Qualitäten so ein Geheimnis zu machen. So ein Tor wie das von Gimenez können nicht viele Teams, erst recht nicht gegen Nürnberg, die beste Abwehr der Liga. Wer Spielzüge wie diese in einem Video bündelt, der bekommt eine große Elf zu sehen. Allerdings müßte man sichergehen, daß alle anderen Szenen rausgeschnitten und aus allen Archiven getilgt werden. (…) Das Spiel läßt sich als kleines Saison-Trendspiel begreifen. Diese Saison meint es gut mit Mannschaften, die wirklich Mannschaften sind – und nicht Ansammlungen von Einzelsportlern wie Hertha BSC.“