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Selten hat es so ungerecht ein so gerechtes Ergebnis gegeben

Oliver Fritsch | Donnerstag, 5. April 2007 Kommentare deaktiviert für Selten hat es so ungerecht ein so gerechtes Ergebnis gegeben

Die Zeitungen schreiben nach dem 2:2 der Bayern in Mailand eher über die Schwächen beider Teams, nehmen jedoch anerkennend zur Kenntnis, daß die Münchner aus wenig viel gemacht haben: nämlich ein sehr gutes Ergebnis. Kritik gibt es am russischen Schiedsrichter, Lob für den Bayern-Torwart Michael Rensing, aber auch eine Warnung

Peter Heß (FAZ) hat vor allem für die Mängel beider Teams Worte übrig: „Das Hinspiel hat gezeigt, daß die zwei Mannschaften in dieser Saison nicht zur absoluten europäischen Spitze zählen. Milan überzeugte zwar eine Stunde lang, aber der Glanz war nur gepumpt. Die in die Jahre gekommenen Mailänder, die in der Meisterschaft oft den Schongang einlegen, überdrehten den Motor. Daß solch eine Fehleinschätzung der Kräfte einer routinierten Mannschaft unterläuft, zeigt deren angeschlagenes Selbstbewußtsein – quasi das Eingeständnis: In Normalform sind wir nicht gut genug für die Bayern. Auch das war eine Fehlinterpretation.“ Vincenzo Delle Donne (rund-magazin.de) fügt hinzu: „Es war das Duell zweier mittelmäßiger Mannschaften, die beide von sich behaupten, zur europäischen Elite zu gehören. Deutlich offenbarte die Partie, daß beide Traditionsklubs gegenwärtig eine Identitätskrise durchmachen.“

Boris Herrmann (Berliner Zeitung) betont die wiedergewonnene Münchner Fähigkeit, ein gutes Resultat zu erzielen: „Die neue Sachlichkeit ist und bleibt Hitzfelds größtes Verdienst seit seiner Rückkehr. Ein spielerischer Quantensprung läßt weiter auf sich warten. Die Art von Fußball, die der FC Bayern vorführte, ist nicht besonders progressiv, sie ist auch keineswegs schön anzuschauen, aber sie ist immerhin effizient und funktional. Es geht nicht ohne ein wenig Glück, auch Bayern-Dusel genannt, aber es geht auch nicht ohne das Gespür für den Moment, an dem den Gegnern die Luft ausgeht, um dann mit ein, zwei Aktionen und viel Willenskraft das Spiel zu drehen.“

Auch Andres Burkert (SZ) besteht auf der Differenz zwischen Leistung und Ertrag: „Wohl nur eine Laune des Schicksals und die Atemnot der Mailänder Seniorencombo hat den Münchnern ein ‚wunderbares Ergebnis‘ (Karl-Heinz Rummenigge) beschert. Aber die Bayern wären nicht diese in aller Welt berüchtigte Ergebnismannschaft, wenn sie im Moment eines doch irgendwie verblüffenden Teiltriumphes alle Zweifel beiseite schöben und wie selbstverständlich an ihrer eigenen Legende fortschrieben. (…) Man kann die Münchner kritisieren für ihr dramatisches Mittelfeldloch, weil sie dort einfach keinen kreativen Parkettleger besitzen. Man würde sich dann aber nur wiederholen. Deshalb sollte man sie vielleicht loben für ihre Fähigkeit, in diesem Loch den lange Zeit starken Gegner versenkt zu haben – und zwar trotz eines lächerlichen Elfmetergeschenks der russischen Spielleitung.“ Peter von Becker (Tagesspiegel) bringt die Münchner Mischung aus nachteilhaften Schiedsrichterentscheidungen und sportlicher Unterlegenheit auf den Punkt: „Selten hat es so ungerecht ein so gerechtes Ergebnis gegeben.“

Benachteiligungsgewitter

Flurin Clalüna (NZZ) bilanziert die russische Fußballjustiz: „Gilardino war in der zweiten Halbzeit verwarnt worden, weil er trotz vermeintlicher Offsideposition seine Aktion zu Ende führte und den Ball ins Tor schoß. Damit lag der Schiedsrichter falsch, wie er überhaupt mehrmals (Penalty-Entscheidungen) ein ziemlich gerecht verteiltes Benachteiligungsgewitter veranstaltete. Seine Fehlerquote lag zwar hoch, rechtfertigt die Aussage des Bayern-Präsidenten Franz Beckenbauer aber nicht, der von einer ‚absoluten Frechheit‘ sprach und wegen des (ungerechtfertigten) Elfmeters gegen die Bayern absurd-verschwörerisch anfügte: ‚Ich hatte das Gefühl, der Schiedsrichter hat nur auf so eine Situation gelauert.‘ (…) Ohne Phantasie hatten die Münchner zwar gespielt, aber mit Ordnung und Zähigkeit. Bestimmt war die AC Milan 75 Minuten lang das deutlich bessere Team, aber wenn es – wie in der italienischen Presse geschrieben wurde – stimmen soll, daß dies vor allem in der ersten Halbzeit die bisher beste Saisonleistung der Mailänder gewesen war, dann kann sich der ‚Diavolo‘ nicht allzu viel darauf einbilden.“

Defensiver Torwart

Christof Kneer (SZ) lobt Michael Rensing und warnt ihn vor Betriebsblindheit: „Bayerns junger Torwart hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, daß Oliver Kahn sein Vorbild ist. In der Tat hat Rensing auf großer Bühne ein Spiel vorgeführt, das sehr nach Kahn aussah. Auch das erste Gegentor durch Pirlos Kopfballheber, das ihn etwas unglücklich zwischen Tor- und Fünfmeterlinie erwischte, hätte Kahn auf dieselbe Weise kassieren können; auch Kahn gilt eher als defensiver Torwart, der die Torlinie im Zweifel dem Strafraumgetümmel vorzieht. Rensings Torwartstil orientiert sich sichtbar am großen Kahn, es gibt Ungünstigeres, was man einem jungen Torwart nachsagen kann. Dennoch würden sie sich im Klub manchmal wünschen, daß ihr Talent etwas mehr dem Rensing in sich vertraut. Inzwischen gilt Kahn ja als Vertreter der alten Torwartschule, und so hoffen sie in München, daß sich Rensing im täglichen Miteinander mit seinem Vorbild das moderne Mitspielen nicht wegtrainiert.“

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