Ascheplatz
Doppelmoral und Neidgesellschaft
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| Donnerstag, 3. Mai 2007Der Fall Miroslav Klose – Ursache für Kritik an Bayerns Geschäftsethik und Indikator für Bremer Disharmonie
Udo Muras (Welt) treibt die Bayern in die Enge: „Auch das gehört leider zur Praxis des Vorzeigeklubs: Es ist nicht vergessen, daß Spielern wie Sebastian Deisler und Sebastian Kehl vorab Millionenshecks überreicht wurden. Dies wurde 2001 aufgedeckt und offenbarte die Anwerbepraxis der Bayern. Ebenso wenig vergessen ist der Geheimvertrag der Bayern mit der Kirch-Mediengruppe. Schon in den achtziger Jahren standen die Bayern am Pranger wegen der Transfers von Matthäus und Brehme – auch da hieß der Manager Uli Hoeneß. Es ist derselbe Mann, der etwa im Fall Christoph Daum rigoros für die Wahrheit eintrat, was ihm viel Ansehen auch bei Bayern-Gegnern einbrachte. Es kann nicht sein, daß für den FC Bayern München nur die Gesetze gelten, die ihm selbst nutzen. Das nennt man Doppelmoral.“
Andreas Lesch (Berliner Zeitung) entmummt die Transferstrategie der Bayern als Muskelspiel: „Die Münchner, die sonst oft und gern als Moralapostel auftreten, lassen nicht nur jeglichen Stil vermissen, wie bei den dreisten Verhandlungen mit Klose. Sie scheinen ihre Personalpolitik auch weniger an ihren Bedürfnissen auszurichten als vielmehr an ihrem Ego. In der Not zeigen die Münchner verstärkt die Reflexe und Schwächen, die ihre Personalpolitik seit Jahren prägen. Sie wollen die Zukunft planen, aber sie leben in der Vergangenheit; deshalb haben sie ihren früheren Trainer Ottmar Hitzfeld reaktiviert, deshalb ist nun ihr ehemaliger Mittelfeldspieler Ze Roberto als Zugang im Gespräch. Sie wollen mit Finanzkraft protzen; deshalb wird über einen Edelkicker wie Arjen Robben vom FC Chelsea diskutiert. Sie wollen Rivalen wie Werder Bremen zeigen, daß sie mächtiger sind als sie; deshalb haben sie ihnen Jan Schlaudraff weggeschnappt, deshalb haben sie so hartnäckig um Klose geworben. Wenn der FC Bayern einen Plan hätte, dann würde er zuerst, mit all seiner Potenz, einen Regisseur suchen – einen Mann, der sein ideenfreies Allerweltsgekicke endlich belebt.“
Nicht mehr erste Geige
Axel Kintzinger (Financial Times) deutet Kloses Ankündigung, seinen Vertrag in Bremen zu erfüllen, als Niederlage der Münchner: „Dem FC Bayern werden in diesen Wochen nicht nur sportlich die Grenzen gezeigt. Seit gestern wissen die Verantwortlichen des Klubs, daß sie auch auf dem Transfermarkt nicht mehr die erste Geige spielen – nicht einmal in der Bundesliga.“ Frank Heike (FAZ) pflichtet bei: „Die Entscheidung ist auch als politischer Sieg Werders zu werten: man hat dem Münchner Werben nicht nachgeben und sich nicht zermürben lassen. Offen bleibt aber, was Klose im nächsten Jahr machen wird, wenn er ohne Ablöse gehen kann. In der Mannschaft dürfte die Kunde von Kloses Verbleib nach monatelangem Zögern für Erleichterung sorgen: Spieler wie Diego, Borowski, Wiese oder Fritz beobachten genau, wie Werder sich auf seinem Weg verhält, nicht nur national, sondern auch international als deutsche Nummer zwei wahrgenommen zu werden – hinter dem FC Bayern. Im Falle Klose sind sie nun sogar vor dem FC Bayern gelandet.“
Keinen Gott neben mir
Lesch gibt an anderer Stelle zu bedenken: „So geräuschlos, wie die Bremer es gern hätten, werden sie die Rückkehr zum Alltag nach den Irrungen und Wirrungen der vergangenen Tage kaum gestalten können. Nach wie vor ist fraglich, ob Klose gegen Barcelona im Weserstadion nicht mindestens ein kräftiges Pfeifkonzert bevorsteht.“ Ralf Wiegand (SZ) stimmt ein und revidiert die Hinrundenchronik der Bremer: „Ob die Bremer Kundschaft diesen Kompromiß akzeptiert, der nach jetzigem Sachstand bedeutet, daß Klose 2008 ablösefrei nach München wechseln und somit ein Jahr lang als künftiger Bayern-Spieler im Werder-Trikot auflaufen wird, dürfte schon gegen Espanyol Barcelona zu prüfen sein. (…) Tatsächlich war es von Anfang an eine viel unruhigere Saison, als anhand der Leistungen Werders auf dem Platz zu ahnen gewesen ist. Im Mittelpunkt der Bremer Neidgesellschaft: der neue Spielmacher Diego. Der kleine Brasilianer war schon als Zögling Peles und Freund von Real Madrids Talent Robinho angekündigt worden und galt nach den ersten Auftritten sofort als kommender Superstar – in einem Team, in dem die raren Superstarplätze schon mit dem vom deutschen Sommermärchen berauschten WM-Torschützenkönig Klose und dem WM-Zweikampfkönig Frings besetzt waren. Kloses Umfeld soll sich schon früh in der Spielzeit über die egoistische Spielweise des neuen Ideengebers beklagt haben, der weniger auf ihn eingehe als früher der viel schneller abspielende Johan Micoud. Auch Frings mochte so ohne jede Gegenwehr keinen neuen Gott neben sich haben.“
taz: Der FC Bayern bedient sich verschiedener Medien, um gezielt Informationen zu streuen, die dann weder dementiert noch bestätigt werden, und fühlt sich pudelwohl in seiner Rolle als Global Player
SZ: Wie Ottmar Hitzfeld versucht, eine echte Hitzfeld-Mannschaft zu bauen