Bundesliga
In der Globalisierungsfalle
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| Mittwoch, 9. Mai 2007Markus Feldenkirchen (Spiegel) versucht vergeblich, die Puzzle-Teile Mönchengladbachs zusammenzulegen. Unter dem Titel „Abstieg mit Ansage – wie aus dem Traditionsverein Borussia Mönchengladbach der beliebigste Club der Liga wurde“ faßt er die groben Fehler, die der Präsident und in den letzten Jahren in Sachen Personalentscheidungen gemacht habe, zusammen: „In Mönchengladbach paßt nichts mehr zusammen: die Anhänger nicht zur Mannschaft, das Geld nicht zum Abstieg, der Anspruch nicht zur Wirklichkeit, die Gegenwart nicht zur Vergangenheit. (…) Rolf Königs sieht nicht nach Gladbach aus, eher nach Wall Street, und als es die ersten Rückschläge auf dem Weg nach oben gab, reagierten er und seine Leute wie nervöse Parketthändler: Er ließ verkaufen, kaufen, verkaufen. Immer öfter, immer hektischer. Man probierte es mit Ewald Lienen als Trainer, der blieb sechs Monate, dann kamen Holger Fach, Dick Advocaat, Horst Köppel, Jupp Heynckes, und nun ist es Jos Luhukay, und niemand weiß, wie lange der bleiben wird. Jeder Trainer durfte Spieler einkaufen. Es war der Versuch, den Erfolg mit Geld zu erzwingen, aber ein Team kann man nicht bestellen. Niemand aus der Führung hat sich dafür interessiert, ob die Neuen zum Verein paßten, als Spieler, als Charaktere. Erfolgreich sind heute jene Vereine, die sorgfältig einkaufen, die Menschen suchen, kein Material, Vereine wie Werder Bremen. Fußballvereine profitieren von der Globalisierung, weil in einer unübersichtlichen Welt das Bedürfnis nach Heimat wächst, nach Bekenntnis und Zugehörigkeit – und sei es zu einem Fußballverein. Aber die Globalisierung ist auch eine Gefahr, weil der Markt größer und unübersichtlicher geworden ist. Die Clubführung ist in diese Falle getappt, und sie hat die Anhänger zur Flucht in die Vergangenheit getrieben.“
Großklubssehnsucht
Den mutmaßlichen Rangverlust Klaus Augenthalers beim VfL Wolfsburg führt Frank Heike (FAZ) auf den Führungswechsel beim Mutterkonzern zurück: „Man kann genau datieren, ab wann das Leben für Augenthaler zunehmend unbequemer geworden ist. Am Tag, als Audi die Macht bei Volkswagen übernahm, begann eine verschärfte Dienstaufsicht auch auf das tägliche Tun der VfL Wolfsburg-Fußball GmbH, der neunzigprozentigen Tochtergesellschaft von VW. Der neue Boß Martin Winterkorn machte Fußball am 1. Januar 2007 zur Chefsache. (…) Die Fragen auch anderer Räte an Augenthaler (und zunehmend an Manager Klaus Fuchs) lauten: Warum ist es Augenthaler in seinen achtzehn Monaten nicht gelungen, die Mannschaft spielerisch weiterzuentwickeln? Warum bekommt man für 50 Millionen Euro Etat nur Abstiegskampf bis zum letzten Spieltag geboten? Warum schaut Augenthaler dem Treiben auf dem Feld so emotionslos zu? Seit Jahren wurde die Aufsichtspflicht vom Hauptgeldgeber VW aber auch chronisch vernachlässigt: Pander, Strunz, Fuchs, sie alle durften sich bei der Zusammenstellung selbst verwirklichen, die Räte schauten zu und nickten Millionen-Transfers ab. Daß Volkswagen nicht länger nur zubuttert und zuschaut, könnte für Augenthaler nun schlecht, für den Verein aber gut sein. Schon jetzt interessiert sich bundesweit kaum jemand für den VfL. Wie sollte das erst in der Zweiten Liga aussehen?“ Christof Kneer (SZ) erwidert: „In Wolfsburg hat sich wieder mal jene Großklubssehnsucht ausgebreitet, die Augenthaler selbst im Fall des Klassenverbleibs den Job kosten könnte.“
Uli und Dieter unter Druck
Wolfgang Hettfleisch (FR) kocht die Hoeneß-Brüder auf 95 Grad: „Uli reagiert gewohnt bärbeißig und knöpft sich, um sein Mütchen zu kühlen, nur zu gern den nächstbesten Journalisten vor, der ihm irgendwie doof kommt. Spekulationen über mögliche Neuzugänge kommentiert er nicht. Und die Frage, die er eigentlich beantworten müßte, stellt ihm keiner direkt: Herr Hoeneß, warum haben Sie bei der Zusammenstellung des Kaders schwerwiegende Fehler gemacht? Auch Dieter kriegt diese Frage nicht zu hören. Bei ihm ist sie auch überflüssig. Daß er seit Jahren nicht das allerglücklichste Händchen bei der Auswahl neuer Spieler hat, weiß jedes Kind. Uli und Dieter Hoeneß mögen in ihrer Position unantastbar sein, unfehlbar in ihren Entscheidungen sind sie nicht. Die Brüder stehen unter Druck. Der Bayern-Manager muß nachweisen, daß ihm zur angekündigten Runderneuerung im Kader ein bißchen mehr einfällt als der Rückgriff auf Bewährtes (Zé Roberto) und die Hoffnung auf Spieler mit Entwicklungspotential (Schlaudraff, Jansen). Der Hertha-Geschäftsführer muß aus dem erwarteten frischen Geld durch die Ausgabe von Genußscheinen schleunigst eine respektable sportliche Rendite erzielen. Denn wer allzu lang wie ein Spitzenklub wirtschaftet, ohne einer zu sein, gerät zwangsläufig in finanzielle Verdrückung. (…) Wenn der Eindruck nicht täuscht, büßt Uli Hoeneß seine Paraderolle als Vor- und Querdenker der Liga allmählich ein. Neue, junge Fußballmanager rütteln an seinem Thron.“
NZZ: Petrik Sander gegen den Rest der Welt