Am Grünen Tisch
Der Cristiano Ronaldo des Fußball-Parketts
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| Donnerstag, 31. Mai 2007Liebesbotschaften der deutschen Presse an Joseph Blatter, der heute wohl wiedergewählt wird und der seinen Kritiker John McBeth ins Leere laufen gelassen hat / Gerhard Mayer-Vorfelder hat auch einen Auftritt
Jens Weinreich (Berliner Zeitung) kommentiert spöttisch die Lage beim Fifa-Kongreß in Zürich: „Einer, der nicht begriffen hat, wie es läuft im Reiche Blatters, mußte seine Karrierehoffnung beenden: Der Schotte John McBeth wird wie erwartet doch nicht Fifa-Vizepräsident. Stattdessen nominierten die vier britischen Verbände, die traditionell einen Stellvertreterposten in der Fifa einnehmen dürfen, als Ersatz den Engländer Geoff Thompson. McBeth hatte vor einigen Tagen den unverzeihlichen Fehler begangen, Blatter zu kritisieren – vielleicht sollte man treffender formulieren: McBeth sagte die Wahrheit, als er Blatter als Trickser und Schlitzohr bezeichnete. Das weiß mittlerweile zwar die ganze Welt, doch so etwas gehört sich nicht in der Fifa unter den edlen Menschenfreunden, Friedenswahrern und unvergleichlichen Altruisten. Blatter verkauft die Entscheidung gegen McBeth natürlich als gelebte Demokratie. (…) Einer aus diesem Milliardenvolk, ein ganz besonders inniger Blatter-Jünger, wurde für seine ans debile grenzende Treue nun mit der Fifa-Ehrenmitgliedschaft ausgezeichnet: die deutsche Skandalnudel Gerhard Mayer-Vorfelder. MV wandte sich mit brüchiger Stimme an Blatter und seine Kameraden in der riesigen Halle: ‚Ich war immer stolz auf die Tätigkeit in der Fisa.‘ Damit ließ er seine Genossen einigermaßen verblüfft zurück. Fisa? Meinte Mayer-Vorfelder den Ruder-Weltverband? Oder den Automobil-Weltverband? Egal, man hat sich an verbale Brüchigkeiten des Schwaben längst gewöhnt. Es kommt nun auch nicht mehr drauf an, irgendwas wird er schon gemeint haben.“
Wolfgang Hettfleisch (FR) porträtiert den Fifa-Präsidenten und befaßt sich mit seinen Ambitionen für die Zukunft: „Joseph Blatter ist der Cristiano Ronaldo des Fußball-Parketts. Sein Repertoire an Tricks und Finten hat noch jeden Gegner aus dem Gleichgewicht gebracht. Und wenn er an einem Widersacher mal nicht so leicht vorbeikam, ließ er sich eben fallen und reklamierte Foulspiel. Seine Kritiker sind über die Jahre nicht weniger geworden, aber selbst bei den hartnäckigsten schlich sich irgendwann ein Gefühl der Ohnmacht ein. (…) Seine dritte Amtszeit soll von jenem Glanz beschienen sein, der ihm nach seinem Geschmack in der Vergangenheit so oft verwehrt geblieben war. Unter seiner Führung stieg der gemeinnützige Verein Fifa zu einem ökonomisch höchst erfolgreichen Weltkonzern auf. Mit einer erfolgreichen WM in Südafrika will er dokumentieren, daß die traditionelle Vorherrschaft der Europäer und Südamerikaner im Zeichen der Fußball-Globalisierung zu Grabe getragen wird. Blatter mag ein harter Machtmensch sein, aber er ist auch ein überzeugender Fürsprecher der weltumspannenden, egalitären und allgemeingültigen Werte seines Sports. Ob sich das vor allem aus Überzeugung speist oder doch eher aus der Sehnsucht nach persönlicher Anerkennung, mag jeder für sich selbst beantworten. Sicher ist, dass Blatter in seiner dritten Amtszeit verstärkt am eigenen Geschichtsbild basteln wird.“
NZZ: Stationen von Sepp Blatters Aufstieg zur Macht
Ein Hinweis: Das Sportnetzwerk, in den letzten Monaten Opfer eines Domain-Grabbers, ist wieder online. Die neue URL lautet: sportnetzwerk.eu. Es gibt ja derzeit kaum eine aktuellere Diskussion, als die, die das sportnetzwerk im Dezember 2005 angestoßen hat: die Misere des deutschens Sportjournalismus, insbesondere im Fernsehen. „Es lebt, jedenfalls schlägt das Herz des sportnetzwerks noch wie wild“, teilen die Gründer Jens Weinreich und Herbert Fischer-Solms in einer Rund-Mail mit. Und sie kündigen ein neues Buch an, einen Nachfolger der höchst lesenswerten Sammlung Korruption im Sport. Weiter heißt es: „Einige Funktionen wie Blog, Kontaktformular, Newsletter-Tool müssen noch eingerichtet werden, auch sind erst ein Teil der alten Texte wieder online, das dauert noch seine Zeit – und das hat ja auch Gründe: Die meisten Kollegen sind derzeit mit Doping ganz gut ausgelastet. Wie immer ist jeder dazu aufgerufen, an der Diskussion mitzuwirken.“