Bundesliga
Anti-München
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| Freitag, 15. Juni 2007In Wolfsburg sind große Töne nach wie vor willkommen / Lob für Bayerns neue Politik des Geldausgebens
Ingo Durstewitz (FR) kann keine Grundlage für den hohen Anspruch entdecken, mit dem Felix Magath seinen Arbeitsbeginn in Wolfsburg kundtut, und fragt sich, ob der VfL aus seinen Fehlern schlau wird: „Der VfL Wolfsburg dreht die Uhren zurück, die Ziele von heute sind die Ziele von gestern. Das Motto lautet: zurück in die Vergangenheit. Nun wird wieder geklotzt, nicht mehr gekleckert. Abstieg? I wo! Meisterschaft, Königsklasse! Der zum Startrainer aufgestiegene Magath deliriert eifrig mit. Der passionierte Schachspieler gefällt sich in der Rolle des Großmeisters. Klingt nach latentem Realitätsverlust. Weil weder Real noch Chelsea oder der AC Mailand Bedarf auf der Trainerposition meldeten, stieg er nach Wolfsburg hinab, um den Werksklub zu neuer Glorie zu führen. Nur zur Erinnerung: In den vergangenen beiden Spielzeiten zog der VfL kurz vor Schluß den Kopf aus der Schlinge und lief als Tabellenfünfzehnter ein. Ob der neue Messias das weiß? Es ist ein riskantes Spiel. Magath fiel nie durch ausgeklügelte Einkaufspolitik auf. Er trägt nun überdies Verantwortung für 70 Mitarbeiter. Daß ihn soziale Kompetenz und Menschenführung auszeichnen, hat bislang nun wirklich noch keiner behauptet.“
Frank Heike (FAZ) wagt eine Prognose: „Der Neuanfang mit Macher Magath dürfte die letzte Chance sein für den VfL: Klappt es nun in den kommenden Jahren nicht, sich oben zu etablieren, dürfte Volkswagen die Schatulle nach fünf Trainern und drei Sportdirektoren in fünf Jahren endgültig schließen. Etwa 25 Fans begrüßten Magath, als er seinen neuen Dienstwagen bekam. Genau ein Autogramm mußte er schreiben. Das ist Wolfsburg. Ein Anti-München.“
Signal an Europa
Christian Eichler (FAZ) findet die Investitionen der Bayern gut und freut sich auf die neue Saison: „Der FC Bayern tut endlich was für die Bundesliga. Er gibt sein Geld diesmal nicht allein dafür aus, der nationalen Konkurrenz Spieler wegzukaufen; Spieler, deren Einkauf die Qualität der Liga nicht steigert und häufig auch nicht die der Bayern, denn es ist schon lange her, daß ein Münchner Einkauf in München besser geworden ist – Spieler, deren Einkauf die Bayern nur deshalb stärkt, weil er die Konkurrenz schwächt. Nein, erstmals gibt der FC Bayern richtig Geld aus, um im Ausland groß einzukaufen, und zwar nicht in der Rubrik günstige Gebrauchte wie Lizarazu und Sagnol oder Makaay und van Bommel, sondern in der Kategorie Weltstars. (…) Daß der einzige Gigant des deutschen Fußballs nun die Muskeln spielen läßt, ist gut für alle. Eine Saison mit schlechten Bayern, wie die letzte, ist kein Problem, sie trägt zum Unterhaltungswert der Liga bei. Eine zweite oder gar dritte wäre aber gefährlich. Es muß wieder Spaß machen, die Bayern zu sehen. Und es muß wieder Spaß machen, sie verlieren zu sehen. Beides war zuletzt nichts besonderes mehr.“
Volk ohne Raumdeckung hält der Vereinsführung vor, die Schwachstelle nicht erkannt zu haben: „So wird das nüscht. So viele Tore können Ribéry, Toni und meinetwegen auch Klose und der Große Zé vorne gar nicht schießen und vorbereiten wie van Buyten, Lucio und Kahn hinten kassieren. Trotz zweier ‚Weltstars‘ sind die Schlüsselpositionen – Tor, Innenverteidiger, der 6er – beim Rekordeinkaufsmeister nach wie vor unzureichend besetzt. Und die Halbherzigkeit der Bemühungen kann man daran ablesen, daß Kahn – in der Spielanlage ähnlich antiquiert wie Matthäus als Libero bei der EM 2000 – nach dieser desaströsen Saison nicht ersetzt wird. Er war nicht schlecht, und auf der Linie ist er nach wie vor überdurchschnittlich, aber Kahn kann den modernen Fußball als letzter Mann nicht spielen, den Enke, Schäfer und vor allem Neuer so hervorragend beherrschen. Auch Wiese ist ein solcher Paradenkönig alter Prägung und daher für den schönen Offensivfußball an der Weser eigentlich ein Hemmschuh.“
Heiko Specht (FAS) beleuchtet die neue bayerische Politik ökonomisch: „Mit den Mega-Transfers hat der FC Bayern ein Signal an Europa gesetzt. Es gab auch keine andere Wahl mehr. Über Jahre haben die Münchner mit Stolz von sich behauptet, finanziell gesund dazustehen, während die internationale Konkurrenz in Kürze sicher geschlossen Konkurs anmelden müsse. Diese Ansicht erwies sich als falsch. Der FC Bayern drohte immer weiter an Boden zu verlieren. Europaweit passierte ihm das, was der heimischen Konkurrenz im Kräftemessen mit den Münchnern widerfährt: Die Schere klafft zu weit auseinander – ein Wettstreit auf Augenhöhe ist nicht mehr möglich. (…) Einen zweiten Umbruch wird es nicht mehr geben. Was nun beim FC Bayern geschah, soll nicht die radikale Abwehr vom Prinzip der Vernunft darstellen. Finanziell ist die Qualifikation zur Champions League, obwohl die neue Mannschaft ausschließlich vom vielzitierten Festgeldkonto bezahlt wurde, ein Muß.“