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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Bundesliga

Etwas völlig Neuartiges

Oliver Fritsch | Montag, 13. August 2007 Kommentare deaktiviert für Etwas völlig Neuartiges

Pressestimmen zum 1. Spieltag 07/08: Schwärmerei über Bayern München / Respekt vor dem Hamburger SV / Warnung an die Wolsburger Vereinsführung vor der Machtfülle Felix Magaths / Bremens Schlafanfall / Stuttgart und Schalke imponieren

Philipp Selldorf (SZ) erfreut sich an Bekanntem: „Die Bundesliga ist gläsern geworden. Sämtliche Vorhersagen sind eingetroffen: Bayern vom Start weg Erster, weil viel Geld viele Tore schießt; Stuttgart noch spielstärker; Schalke mühselig, aber zäh wie Leder; Bremen mit Anlaufproblemen; Hamburg wieder vorn dabei; Leverkusen schön, aber umständlich; Hertha ein Notstandsprojekt; Wolfsburg ein notorischer Fall von Freudlosigkeit; Dortmund erfüllt wieder die Erwartungen nicht; Middendorp ein Magier, Böhme der Ribéry von Bielefeld. Der Faszination der Liga wird diese Erwartbarkeit aber keinen Schaden zufügen: Auch das ‚Traumschiff‘ hat hohe Sehbeteiligung, obwohl jeder Handlungsstrang von Anfang an durchschaubar ist. Die Vertrautheit hat etwas Beruhigendes, die Welt abseits des Fußballs ist unruhig genug.“

Christian Eichler (FAZ) wartet in seiner Analyse mit einer Detailbeobachtung auf: „Es ist ein gutes Indiz für den neuen, auch vom stürmischen Aufsteiger Karlsruhe belebten Geist und die deshalb wieder wachsende Klasse der Liga, dass ihre aufregendsten und in der Summe auch torgefährlichsten Akteure kleine, kompakte Mittelfeldzauberer sind, und das schon vor Ribéry. Van der Vaart etwa, der in Hamburg die Form seiner Debütsaison wiedergefunden hat; Diego, der in Bremen letzte Saison 13 Tore schoss, 15 vorbereitete und nun beim 2:2 in Bochum an beiden beteiligt war. Und auch Schalke zeigt mit dem jungen Özil und Neueinkauf Rakitic, dass der Weggang von Lincoln keinen kreativen Verlust bedeuten muss – und dass man für neue Spielfreude keine 70 Millionen ausgeben muss wie der gefühlte Meister aus München.“

Abhängigkeit von einer einzelnen Person

Jan Christian Müller (FR) betrachtet die große Macht Felix Magaths in Wolfsburg sehr skeptisch und folgert aus dem 1:3 des VfL gegen Bielefeld: „Derselbe Magath, der es bei den Bayern noch toll fand, viel Sachverstand im Vorstand vorzufinden und sich vordringlich mit Trainerarbeit zu beschäftigen, findet es jetzt plötzlich viel besser, den Sachverstand allein auf sich und sein Trainerteam zu konzentrieren. Das ist gefährlich, weil dadurch eine erhebliche Abhängigkeit von einer einzelnen Person entsteht, bei deren Scheitern sämtliche sportlichen Strukturen ersatzlos zusammenbrechen würden. Zumal Magath, der um sich herum ausnahmslos alte Bekannte wie Seppo Eichkorn oder Bernd Hollerbach scharte, längst für ein Reizklima in der Geschäftsstelle gesorgt hat; zuletzt, indem er den bei den Fans sehr beliebten Teammanager Roy Präger kaltstellte. Vorher, als er Torwarttrainer Jörg Hoßbach aussortierte. Eiserne Besen sind in diesen Wochen nicht das erste Mal durch Wolfsburg gefegt. Magath demonstriert lediglich gängige Management-Methoden, die auch nebenan, im Hause Volkswagen, nicht unbekannt sind. Neue Freunde macht man sich so nicht. Umso wichtiger ist es für den eigenwilligen Trainer-Manager, der in seiner bisherigen Karriere mehr durch Erfolge auf dem Fußballplatz denn auf dem Transfermarkt auffällig geworden ist, dass seine Mannschaft künftig besser Fußball spielt. Viel besser.“

Leckerbissen

Andreas Burkert (SZ) erkennt schwärmend an, dass Bayern München beim 3:0 gegen Hansa Rostock alle Erwartungen übererfüllt hat: „Es ist vorher sagenhaft viel geredet und geschrieben worden über den runderneuerten FC Bayern. Und in der Vorbereitung mitsamt des Zeitvertreibs Liga-Pokal und zuletzt beim Cupduell mit Burghausens Amateuren haben zwar alle ahnen können, was möglich sein könnte mit dieser sündhaft teuren Artistentruppe; selbst der den mächtigen Münchnern in tiefer Abneigung verbundene Teil der Menschheit musste dabei wohl schweren Herzens eine Neugier am aufwändigsten Renaissance-Projekt des deutschen Fußballs einräumen – oder schlimmstenfalls gar Vorfreude unterdrücken. Am Samstag indes zählten all diese Trockenübungen und Vorpremieren nichts mehr, und wie angespannt auch die Bauherren dem Ernstfall entgegen sahen, war im Gesicht von Uli Hoeneß zu lesen. Der Bayern-Manager wirkte angestrengt, als hätte ihn Frau Tao Tao ein Stündchen in die Mangel genommen. Doch als sich der Vorhang hob unter der grauen Wolkendecke und den Blick auf ein letztlich eindrucksvolles 3:0 preisgab, raunte und lachte bald auch Hoeneß. Und diejenigen, die gewöhnlich kurz nach Spielbeginn rasch zum Würstelstand eilen, weil dort dann endlich die Massen verschwunden sind – sie blieben diesmal vorsichtshalber sitzen. Denn minütlich bekamen sie vom Start weg etwas völlig Neuartiges vorgeführt.“

Auch Elisabeth Schlammerl (FAZ) schmeckt dieser Leckerbissen: „Es hat schon Tradition, dass für die Zuschauer auf den teuren Plätzen, die in einer der zahlreichen Lounges der Allianz Arena verköstigt werden, die Halbzeiten des FC Bayern München höchstens vierzig Minuten dauern. Früher in die Pause gehen, später wiederkommen – verpasst haben sie auf dem Rasen meist nichts in letzter Zeit. Am Samstag hielt sich der Strom der Hungrigen in Grenzen, und das hat vermutlich mit dem runderneuerten Rekordmeister zu tun, der beste Unterhaltung bot und damit den Appetit auf Kaffee und Kuchen etwas zügelte.“

Charaktertest bestanden

Roland Zorn (FAZ) wertet das 2:2 zwischen Stuttgart und Schalke als Titelbewerbungsschreiben beider Teams: „Dass sich die Stuttgarter wie die Schalker Chancen ausrechnen dürfen, mit den gleich auf Platz 1 vorgepreschten Bayern Schritt halten zu können, hat auch mit den gewachsenen Strukturen in beiden Teams zu tun. Die Schalker Konterspezialisten begannen ohne einen einzigen Neuzugang und bewiesen schon vor der Pause eine vom VfB nicht nachhaltig gestörte Homogenität; die Stuttgarter Offensivmannschaft ließ sich ihr komplexer aufgebautes Kurzpassspiel auch nach dem 0:1-Rückstand nicht kaputtmachen. Am Ende hatten beide Mannschaften den Charaktertest auch deshalb bestanden, weil sie ihr Spiel beibehielten und zumindest phasenweise durchsetzen konnten.“

Es bleibt nicht viel Zeit

Dass Werder Bremen den Bochumern trotz 2:0-Führung schnell den Ausgleich gestattet, legt Richard Leipolds (FAZ) Stirn in Falten: „Feuer pflegt besonders gefährlich zu sein, wenn es einen im Schlaf überrascht. Genau das widerfuhr den Bremern. ‚Wir haben die ersten fünf Minuten nach der Halbzeit geschlafen‘, schimpfte Schaaf. Nach dem bösen Erwachen ging es, nicht nur auf dem Platz, darum, den Schaden zu begrenzen. Den Verlust zweier Punkte mag Werder so früh in der Saison verschmerzen. In erster Linie kommt es darauf an, Schäden zu verhindern, die so ein Erlebnis innerlich hervorrufen kann. Den Bremern bleibt nicht viel Zeit, ihre Form zu finden oder wenigstens zu verbessern. Am Mittwoch stehen sie in der Champions-League-Qualifikation dem kroatischen Meister Dinamo Zagreb gegenüber, drei Tage später tritt Titelfavoriten Bayern München im Weser-Stadion an. Mit Blick auf dieses Programm fällt es nicht leicht, den mühsam errungenen Teilerfolg in Bochum als Mut- oder gar Muntermacher zu interpretieren.“

Spitzenmannschaft?

Christian Kamp (FAZ) hat nach dem 1:0 in Hannover den Hamburger SV auf seinem Zettel und schreibt enttäuscht über den Verlierer: „Eine ausgezeichnete Raumaufteilung, ungeheure körperliche Frische, Zweikampfstärke und nicht zuletzt eine gehörige Portion Spielfreude – die Hamburger brachten schon eine ganze Menge davon mit, was eine Spitzenmannschaft ausmacht. (…) Es war trotz einer ausgesprochen guten Vorbereitung längst nicht garantiert, dass die Hamburger so schwungvoll starten würden. Schon oft waren die Erwartungen in der Hansestadt – und bisweilen auch in der Mannschaft selbst – dem Leistungsstand des HSV voraus. Und um zu sehen, wie wenig Vorschusslorbeer wert sein kann, musste man sich nur den Auftritt der ebenfalls hoch gehandelten Hannoveraner ansehen.“

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