Bundesliga
Träge, unpräzise, verkrampft
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| Dienstag, 4. September 2007Nachtrag zum 4. Spieltag: die Sonntagsspiele in Karlsruhe, wo der Meister Stuttgart seine Mängel offenbart, und in Hamburg, wo dem Schiedsrichter das Leben von den Bayern schon vor dem Spiel schwer gemacht worden ist
Beim 0:1 in Karlsruhe erstellt Michael Ashelm (FAZ) eine Stuttgarter Mängelliste: „Auf dem Platz zeigt sich momentan eine Mannschaft, die dem schnellen, kombinationssicheren, zielstrebigen Kick der vergangenen Spielzeit nicht mehr entspricht. Träge in der Vorwärtsbewegung, unpräzise im Zuspiel und verkrampft beim Abschluss. Zwar argumentieren die Schwaben damit, dass sie auf wichtige Kräfte wie Cacau, Bastürk oder Delpierre wegen Verletzungen verzichten müssen; zudem sind andere lädierte Profis wie Gomez, Khedira und Boka gerade erst wieder fit geworden. Allerdings war der Stuttgarter Kader vor der Saison speziell dafür aufgerüstet worden, um der Doppelbelastung von Champions League und Bundesliga zu begegnen. Zudem dürfte die lethargische Spielweise von Karlsruhe mit den Personalproblemen sowieso nur am Rande etwas zu tun haben. Trainer Veh glaubt deshalb auch an eine ‚Kopf-Sache‘, neben fehlender Fitness oder mangelndem Spielverständnis zwischen neuen und alten Spielern. (…) Es ist eine der spannendsten Fragen in der Bundesliga, ob und wie schnell sich der Meister aus der verqueren Situation befreien kann.“
Tobias Schächter (SZ) stimmt ein: „Seit Saisonbeginn ringt der VfB um die Form, die eines Meisters würdig ist. Vier Punkte haben die Schwaben nach vier Spieltagen, so stotternd kam letztmals der 1. FC Nürnberg vor 39 Jahren als Meister in eine Saison. Dass der Start schwierig werden würde nach einer Vorbereitung mit vielen Verletzten und späten Zugängen, war Veh bewusst. Dass der VfB aber wie vor zwei Wochen in Berlin auch in Karlsruhe eine überlegen geführte Partie aus der Hand gab, sorgte für nachhaltige Irritationen.“
Sorge über eine plötzliche Sympathie
Wie gegen die Bayern bestehen? Frank Heike (FAZ) empfiehlt das Hamburger Spiel (1:1) als Anschauungsunterricht: „Der HSV hat vorgeführt, wie die Bayern zu stoppen sein könnten – wobei ja auch niemand ernsthaft erwarten konnte, dass die Mannschaft von Ottmar Hitzfeld weiterhin ohne Punktverluste und Gegentore durch die Liga fliegt. Jetzt sind die Erwartungen an die mit 70 Millionen Euro verstärkte Mannschaft wieder etwas geringer, die Bayern sind irdische Wesen geworden, und Hitzfeld hat ein paar Dinge, die er üben lassen, die er kritisieren kann. Es ist gut, schon zu Beginn der Saison auf den Boden der Tatsachen zurückzukehren, bevor eine Mannschaft zu viel von sich hält. Mit großem Einsatz und viel Energie, taktisch bestens eingestellt und von den Hamburger Fans angetrieben, verlangte der HSV den Bayern alles ab und hatte mehr verdient als den einen Punkt. Das Remis in einem guten und unterhaltsamen Spiel darf als Signal für die Liga betrachtet werden: Natürlich sind die Bayern keine perfekt programmierten Siegesroboter. So dürften einige der auf der Tribüne sitzenden Bundesligatrainer die bevorstehende Tagung in Hamburg etwas fröhlicher begonnen haben – Mirko Slomka etwa, der in zwei Wochen mit seinen Schalkern nach München reist und sich beim HSV abschauen konnte, wie ein laufstarkes Mittelfeld mit zwei bissigen ‚6ern‘ (de Jong und Jarolim) den Bayern die Lust am Spiel nahm.“
Klaus Hoeltzenbein (SZ) versetzt sich in die Lage des Schiedsrichters bei einem Bayern-Spiel und erläutert, was Uli Hoeneß angerichtet hat: „Zu begrüßen ist, dass die Liga jetzt nicht nur eine Länderspiel-, sondern vielleicht auch eine kleine Denkpause einlegt. Wenn sie sich wiedertrifft, wird zu prüfen sein, ob die Liga das, was da jüngst in Gang gesetzt wurde, auf Dauer wirklich aushält. Denn am ärmsten dran in diesem Debattenumfeld über die Macht des Zweikampfes sind, das zeigte sich am Beispiel des Florian Meyer, nicht die Spieler – es sind die Schiedsrichter. Sehr früh hatte Meyer sein Instrumentarium an Gelben Karten aktiviert. So wurde zwar Dampf abgelassen, aber auch zu Lasten der Münchner selbst, von deren viel bestauntem Spielfluss – unter Einfluss der vielen Pfiffe – kaum etwas zu sehen war. Insofern laufen die Bayern Gefahr, dass sich die selbst inszenierte Wildwest-Debatte auch gegen sie und ihre neue Hochkultur wendet. Viel richtig machen kann einer wie Meyer momentan nicht. Alles, was einer pfeift, wird gegen ihn verwendet. Pfeift er pro Bayern, tobt das HSV-Volk, er sei Uli Hoeneß auf den Leim gegangen. Pfeift er contra Bayern, fühlen diese sich nicht angemessen beaufsichtigt. Jeder Pfiff ist derzeit etwas ganz Besonderes, er wird auf einer Ebene interpretiert, für die der Schiedsrichter nichts kann.“
Klaus Bellstedt (stern.de) befasst sich mit der bayernfeindlichen Stimmung im Volkspark: „Den vermeintlichen Über-Bayern schlug auf den Rängen eine Hass-Atmosphäre entgegen, die junge Spieler wie Lell, Lahm oder Altintop vermutlich so noch nie erlebt hatten – und sie beeindrucken musste. Wenn dann noch ein Unparteiischer im Zweifel eher für Rot entscheidet, wie Meyer, dann dürften die Auswärtsspiele für den deutschen Rekordmeister in Zukunft noch einen Tick ungemütlicher werden, als sie es ohnehin schon sind. Uli Hoeneß mag das nicht groß interessieren, aber auf Dauer könnte die wissenschaftlich erwiesene Wechselwirkung zwischen Tribüne und Spielfeld für die Bayern ein Problem werden. Aber das haben sie sich dann selbst zuzuschreiben.“
Peter Unfried (Spiegel Online) sucht noch nach der richtigen Haltung gegenüber dem erneuerten FC Bayern: „52,73 Prozent der deutschen Fußball-Interessierten definieren ihre Beschäftigung mit der Bundesliga primär über eine herzliche Abneigung gegen den FC Bayern München. Dass diese guten Menschen nun ein echtes Problem bekommen, weil die Bayern plötzlich großartig Fußball spielen und sympathisch geworden sind, stand zuletzt in jeder Regionalzeitung. Ich selbst habe es auch schon mehrfach behauptet. Aber stimmt es wirklich? (…) Was die Sorge über die plötzliche Sympathie für Bayern betrifft, so darf man vielleicht noch mal dran erinnern, dass es nicht eben als ’sympathisch‘ gilt, mit über hundert Millionen (Ablöse und Verträge) zu schmeißen, um fair erworbenen sportlichen Rückstand auszugleichen. Man sollte auch nicht befürchten, dass Ribérys faszinierende Kunststücke Hoeneß und Kahn dauerhaft lächeln und schweigen lassen. Vor allem ist es ja auch so, dass Übermannschaften grade deshalb in Krisen geraten, weil sie Übermannschaften sind. Wem das zu vage klingt, der hat recht: Das ist zunächst nur ein inhaltlicher, nicht genauer zu definierender Platzhalter für eine Hoffnung. Das Neue ist tatsächlich, dass die Bayern in diesem Jahr nicht nur ein Liebes- oder Hassobjekt sind. Sondern das Fußballprojekt, dessen Entwicklung man im Detail verfolgen will. Aber: Bekanntlich ist die erste Frage aller Fußball-Interessierten stets: ‚Und, wie hat Bayern gespielt?‘ Man stelle sich vor, die Antwort lautete künftig regelmäßig: ‚Großartig.‘ Wäre das nicht der Horror?“
Alles ist möglich
Stefan Osterhaus (NZZ) hat keine Ahnung, wohin der Wolfsburger Weg unter Felix Magath führen wird: „Damals, im Hamburger SV, unter Ernst Happel, lernte der Spieler Magath kennen, was er als Ideal des Profifußballs empfand: Einen Spitzentrainer, der sein Umfeld beherrschte. Einen, dessen Entscheide, wirkten sie auch despotisch, unangefochten waren. Ein Team, das verinnerlichte, was der Alte wollte. Der Erfolg versöhnte die unterschiedlichsten Charaktere; Happels Verständnis von Strategie und Taktik bescherte Titel um Titel. Am Ende übertölpelte ein Hamburger Zoff im Juve-Tor zum Siegtreffer im Cup der Landesmeister – Magath. Jetzt ist er auf der Suche nach dem verlorenen Nest – vergeblich, in Hamburg, in Bremen. In Frankfurt, wo ihm ein Spieler hinterherrief, er wisse zwar nicht, ob Magath die ‚Titanic‘ gerettet hätte, doch die Überlebenden wären topfit gewesen. In Stuttgart aber, wo er kein Geld hatte, brachte er den Nachwuchs auf Trab. Angekommen in München, dem trügerischen Mekka aller Erfolgsuchenden, geriet der Leitwolf zwischen lauter Alphatiere. Uli Hoeneß, der Manager, diktierte die Transfers. Zwei Mal gewann das ‚Superhirn‘ (SZ) das Double. Doch der Rauswurf im Winter wirkte wie programmiert. Er war kein Trainer für die Bayern. Am Wochenende unterlag der teuer aufgerüstete VfL Wolfsburg der Berliner Reste-Fraktion 1:2. Plakate verkündeten die Spanne der Optionen: Abstieg oder Champions League. Wolfsburg unter der Regentschaft des Felix Magath im Jahre 2007. Alles ist möglich.“
Gute, alte Zeit – ob sie jemals wiederkehrt?