Bundesliga
Schalker Lust am Leid
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| Mittwoch, 5. September 2007Pressestimmen zum 24. Spieltag: Jörg Böhme, eine Gefährdung für den Gegner / Bayerns Rückkehr ins Titelrennen / Schalkes Straucheln / Bremen stemmt sich der Schwäche entgegen / Leverkusen hat zwei Weltklassespieler
Oskar Beck (Welt) stellt Jörg Böhme zur Rede, der den Nürnberger Torwart Raphael Schäfer im Gesicht attackiert und damit in Gefahr gebracht hat: „Wie eine tickende Zeitbombe ist Böhme in den Schäfer gerauscht, volle Pulle, mit gestrecktem Bein und offener Sohle voraus – so wenig friedfertig war Böhme im Sozialverhalten letztmals, als er sich im Rahmen der Jugendsünde vor Jahren als Schuldeneintreiber übte, was ihm damals eine saftige Geldstrafe und sechs Monate auf Bewährung einbrachte, wegen Beihilfe zur schweren Körperverletzung. Schäfer hat jedenfalls verdammt Glück gehabt, sonst würde er jetzt mit vierzehn gebrochenen Gesichtsknochen und zwei Glasaugen durchs Leben irren, und im schlimmsten Fall müßte sich der 1. FC Nürnberg gar nur noch überlegen, ob er für seinen Kapitän den Vereinssarg aus Eiche, Buche oder Kiefer nimmt. (…) Das ist Fußball? Dann muß der Fußball aber dringend aufpassen und anläßlich der Aktion ‚Saubere Liga‘ nicht mehr nur wie die Bild-Zeitung einen ‚Schwalben-Inspektor‘ beschäftigen, der die Schummler, Schauspieler, Scheintoten, Schwindler, Schlitzohren, Spitzbuben, Schlawiner, sterbenden Schwäne und sonstigen Strolche entlarvt, sondern auch die zweibeinigen Kampfhunde in kurzen Hosen mit ihrer unkontrollierten Gewalt – diese fragwürdigen Vorbilder für die Fanatiker auf der Tribüne, die den unfairen Treter hochleben lassen und den Schäfer, einen im hohen Maß Tadellosen, bei jedem Ballkontakt auspfeifen und beschimpfen. Zu den Schiedsrichtern noch ein Wort. Sie zeigen in solchen Fällen verblüffend ungern, was Mut ist.“
Andreas Burkert (SZ) kommentiert die Schwäche von Bayerns Konkurrenten: „Die durchaus unterhaltsame Zuspitzung im Meisterkampf ist kein Schalker Problem – es ist eines der Liga, der nun die gerechte Strafe blüht: der FC Bayern. In den wichtigen europäischen Ligen haben sich nicht zufällig die Alphatiere abgesetzt von der Herde, während hierzulande vergebens nach einem würdigen Nachfolger der Münchner gefahndet wird. Denen mag noch so viel mißlingen, doch eines verlieren sie niemals: ihren Status als Schreckgespenst. Nur die Bayern haben sich bisher das Leiden der anderen historisch verdient; wenn kaum noch etwas geht, können sie wenigstens auf eine Aura zurückgreifen. Womöglich täten Schalker und auch Bremer gut daran, nicht zurückzublicken. Nur auf sich schauen, möchte man ihnen zurufen und ausnahmsweise Partei ergreifen. Die Bayern feixen zwar bereits und haben sich den Auftrieb redlich erarbeitet. Doch auch sie werden wissen: Ihr Titelgewinn wäre eine Meisterschaft der Schwäche.“
Mittelmaß de luxe
Klaus Hoeltzenbein (SZ) fällt die Zurückhaltung der Bayern auf: „Es wird also wieder gefährlich für die Liga, die lange dachte, es könne mal wieder ein anderer Meister werden. Noch aber haben die Bayern ihre große, bissige PR-Maschine nicht angeworfen, sie wissen, wie fragil ihr Ensemble ist, und daß Berlin zwar den ersten Auswärtssieg 2007 brachte, sportlich aber noch keine Offenbarung. (…) Am Ende mußte man doch wieder an den Jahreszeiten-Theoretiker Uli Hoeneß und seine Botschaft vom Herbst denken: ‚Der Nikolaus war noch nie ein Osterhase!‘, hatte er in akuter Bayern-Krise verraten. Schon an Ostern könnten die Bayern wieder ganz oben sein. Wo aber werden im Mai wohl die größten Pfingstochsen stehen?“
Zum Thema Pfingstochse
Ronny Blaschke (FR) befaßt sich mit der Qualität des Münchner Spiels: „Der FC Bayern nutzte seine ersten beiden Chancen. Danach konzentrierte er sich auf die Verwaltung. Diese Dramaturgie erinnerte an Hitzfelds erste Amtszeit. Der FC Bayern vernachlässigte Ästhetik und bevorzugte Arbeit. Die Bayern interpretieren das zu ihren Gunsten: Die Hierarchieprobleme der jüngeren Vergangenheit scheinen behoben zu sein, das liegt auch an den Führungsqualitäten Mark van Bommels. Das Mittelfeld indes ist wenig meisterlich, die Abwehr dagegen bewegt sich auf gefühltem UI-Cup-Niveau. (…) Der FC Bayern spielt Mittelmaß de luxe, gewinnt hin und wieder und bleibt vorn dabei – weil sich die Konkurrenten nicht entscheiden können, wer die schnellste Schnecke ist.“
Ohne Tränen keinen Titelgewinn
Jörg Hahn (FAZ) schüttelt den Kopf über die Klage des Schalkers Zlatan Bajramovic, der den Fans bei der Niederlage gegen Hamburg „wenig Fußballverstand“ nachgesagt hat: „Darf ein Theaterbesucher eine Aufführung schlecht finden ohne Regieausbildung, kann ein Konzertgast ohne Konservatoriumsabschluß das Orchester kritisieren? Warum eigentlich nicht? Der Kunde zahlt und schweigt, wenn es ihm nicht gemundet hat? Nie und nimmer. Wenn der Braten versalzen ist, kommt schließlich auch nicht der Koch aus der Küche, um seinen Gast zu beschimpfen. In den besseren Häusern zumindest wird das so gehalten. Und die Schalker Arena ist doch auch keine Pommesbude, wo man weggejagt wird, wenn man sich über ein Tütchen ranziger Ware empört. Eine gefestigte Mannschaft setzt sich auch ohne Fan-Unterstützung oder gar trotz einer feindseligen Stimmungslage durch. Ein selbstsicherer Spieler läßt sich durch die veröffentlichte Meinung nicht ins Bockshorn jagen. (…) Mal sehen, wie es dem Klub gelingt, dieses atmosphärische Zerwürfnis aus der Welt zu schaffen.“
Philipp Selldorf (SZ) will so etwas wie eine Schalker Lust am Leid erkannt haben: „Es gab führende Klubfunktionäre, die sich genau daran erfreuten, daß dieses Spiel die Geschichte des Vereins auf die einzig angemessene Art fortgeschrieben hätte. In Schalkes Historie ist das Tragische eine Konstante, und das 0:2 empfanden viele Anhänger tatsächlich wie einen Schicksalsschlag in der Familie. Die von der herrschenden Meinung abweichende These des Schalker Vorstandsmannes lautete daher: Ohne Tränen gibt es auch keinen Titelgewinn.“
Erster Schritt
Christian Kamp (FAZ) nimmt das 3:0 Bremens gegen Bochum unter die Lupe: „Werders Versuch, nach der Pause eine souveräne Spitzenmannschaft zu geben, mißlang gründlich. Was als Spielkontrolle gedacht war, drohte wie so oft in den Vorwochen zu einem Gegentor zu führen. Werder Bremen benötigte letztlich eine Portion Glück, um den ersten Schritt aus dem Februar-Tief erfolgreich hinter sich zu bringen. Dazu beigetragen hatte auch eines der größten Sorgenkinder der vergangenen Wochen, Nationalstürmer Klose. So unglücklich er vor dem Tor auch agierte, seine Qualitäten als Vorbereiter bewies Klose nachhaltig.“
Philipp Selldorf (SZ) lobt zwei Leverkusener nach dem 3:1 gegen Stuttgart besonders: „Hätte Bayer 04 von den Besuchern nachträglich einen Bernd-Schneider-Zuschlag erhoben, wäre wohl eine Menge Geld zusammengekommen. Immer wenn man meinte, daß ihm jetzt aber nicht schon wieder eine brillante Idee kommen könne, machte er das nächste Mal einen schönen Trick, eine Drehung, einen Haken und spielte den perfekten Paß. 33 Jahre ist Schneider alt, und man sollte hoffen, daß er der Bundesliga noch viele Jahrzehnte erhalten bleibt. Mindestens. Ähnliches ließe sich über René Adler sagen, der zwar erst zwei Bundesligaspiele absolviert hat, aber bereits eine Berühmtheit ist. Die Paraden des Torwarts in der Spätphase des Spiels retteten Bayer den Sieg. Hans-Jörg Butt mußte es auf der Bank ertragen. Bitter für ihn, daß er nach einem im Dienst der Mannschaft erlittenen Feldverweis seinen Stammplatz an einen Jüngeren verloren hat. Am bittersten aber ist wohl, daß er sich darüber nicht einmal ernsthaft beschweren kann.“
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