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Internationaler Fußball

Ein Eselsarbeiter, ein englischer Carsten Jancker

Oliver Fritsch | Montag, 10. September 2007 Kommentare deaktiviert für Ein Eselsarbeiter, ein englischer Carsten Jancker

England besiegt auch dank dem Rückkehrer Emile Heskey Israel 3:0 / Mehr Worte als Taten – Italien und Frankreich schießen keine Tore / Holland gewinnt unlekker

Christian Eichler (FAZ) widmet sich dem ungewohnt unfallfreien 3:0 Englands gegen Israel: „Es war erstmals seit Jahren ein englisches Team, in dem die Stars keine Rolle spielten. Und das gerade deshalb glänzte und die eigenen Landsleute überraschte. Die erhitzte öffentliche Wahrnehmung und Darstellung des englischen Fußballs hatte nach dem 1:2 gegen Deutschland eine jener realitätsfernen Katastrophenstimmungen erzeugt, die alle paar Jahre wieder den Untergang des Mutterlandes vorwegzunehmen scheinen: Fußball als gefühlte Apokalypse, als ständige emotionale Übertreibung eines Zeitvertreibs, der in Wirklichkeit viel zu sehr vom Zufall lebt, als dass man ihm Existentielles abgewinnen könnte. ‚England hatte das Schlimmste erwartet‘, beschrieb es die Times“. Und dann wurde es ein netter Abend.“

Raphael Honigstein (FR) blickt erstaunt auf den Rückkehrer Emile Heskey: „Eine Wiedergeburt von McClarens England möchte man angesichts des ungefährdeten Sieges gegen ängstlich und unkonzentriert spielende Israelis noch nicht attestieren, doch immerhin wurde der zuletzt galoppierende Verfall gestoppt. Die ersatzgeschwächte Truppe zeigte ihre beste Leistung seit McClarens 4:0-Auftaktsieg gegen Griechenland vor dreizehn Monaten. Besonders der Rückgriff auf den zuletzt in der EM 2004 eingesetzten Heskey erwies sich als geeignetes Mittel gegen die vor allem körperlich unterlegenen Besucher: Der Stürmer von Wigan Athletic zeigte die gewohnte Mischung aus bulliger Effizienz und technischen Unzulänglichkeiten, das reichte schon aus. Emile William Ivanhoe Heskey, der meistverspottete Nationalspieler der vergangenen Jahre wurde im neuen Wembley tatsächlich zu McClarens schwarzem Ritter und auch ohne Torerfolg zum Matchwinner.“

Eichler fügt einen wenig schmeichelhaften Vergleich an: „Vorn ersetzte Emile Heskey den verletzten Weltstar Wayne Rooney, und das war etwa so, als hätte Joachim Löw Carsten Jancker ins Nationalteam zurückgeholt. Und doch wurde Heskey der vielleicht entscheidende Mann. Denn er war es, der Englands Spiel einen Fokus gab: als physisch imposanter Vorposten, als Zielpunkt und Ableger. Heskey machte die ‚Eselsarbeit‘, wie das im Englischen heißt. Er wurde der starke Partner, neben dem Michael Owen seine Laufwege fand und aufblühte.“

Die Höhepunkte (ZDF Sportstudio)

Ohne Tore, ohne Spektakel

Dirk Schümer (FAZ) empfiehlt Italien nach dem 0:0 gegen Frankreich eine Verjüngung: „Vielleicht waren die italienischen Minimalisten, gegen die die Franzosen vor allem in der ersten Hälfte laufstark und kompromisslos agierten, nicht einmal auf einen Sieg aus gewesen. Der Sturm mit den beiden Veteranen Pippo Inzaghi und Alessandro Del Piero hat vor zehn Jahren bei Juventus Turin seine besten gemeinsamen Zeiten erlebt. Diesmal konnten selbst fußballerische Laien ahnen, dass der schmächtige Inzaghi, gegen die athletische französische Deckung auf sich allein gestellt, kein Land sehen würde. Auf die Azzurri, die wie gewohnt in der Abwehr glänzten, werden weitere Sorgen zukommen. Denn vorne vertrauten sie einzig auf die Freistöße und Ecken von Andrea Pirlo. Dabei ist vielleicht nicht der Umbruch nach dem Titelgewinn das eigentliche Problem, sondern das Ausbleiben eines echten Neuanfangs. Solange offensive Talente wie Di Natale, Iaquinta oder der gar nicht erst eingeladene Gilardino Komparsen der satten Veteranen bleiben, droht sich der kämpferische Weltmeister wieder zum König des Catenaccio, zum unattraktiven Maurermeister des europäischen Fußballs, zurückzuentwickeln.“

Birgit Schönau (SZ) hätte Taten Worten vorgezogen: „Viel Lärm um nichts. Dabei hatten sich beide, Franzosen wie Italiener, im Vorfeld doch soviel Mühe gegeben. Revanche, Vendetta, die üblichen, unsinnigen Vokabeln, bis zum Abgewöhnen wiederholt von der Sportpresse beider Länder – die dann unisono das Publikum verdammte. Die 80.000 hatten nämlich die Marseillaise ausgepfiffen. Gellend, ohrenbetäubend und peinlich. Aber vielleicht nicht peinlicher als das enervierende Gockelgehabe von Raymond Domenech und einiger seiner Spieler, die die Italiener vor dem Spiel als Schieber, Schwalbenkönige und Provokateure bezeichnet hatten, als Finsterlinge, die besser mauscheln können als Fußball spielen. (…) In einer Partie ohne Tore, ohne Spektakel und ohne große Chancen setzten die Franzosen ziemlich unverblümt auf ein Remis – und erhielten es, ohne sich dafür zu verausgaben. Die Italiener hingegen trauten sich nicht, das 1:3 im vorigen September auszuwetzen. Roberto Donadoni, der es als Nachfolger von Weltmeistercoach Marcello Lippi an Energie, Durchsetzungsvermögen, und Ergebnissen fehlen lässt, schickte für die operazione vendetta als einzigen Stürmer den immergrünen Filippo Inzaghi auf’s Feld.“

Viel stand auf dem Spiel, und von Rache und Revanche war vorher die Rede – doch dann lieferten die WM-Finalisten von 2006 den Zuschauern nur gepflegte Langeweile

Bertram Job (NZZ) schreibt über den 2:0-Sieg Hollands gegen Bulgarien: „In der Vorwärtsbewegung wurde das anspruchsvolle Fußballpublikum nur selten mit flüssigen Spielzügen verwöhnt. Das holländische Postulat vom anmutigen Sieg – die ‚lekkere overwinning‘ – blieb damit auch im 38. Spiel unter der Leitung von Bondscoach van Basten unerfüllt. Solange der ehemalige Weltklassestürmer jedoch nicht aufhört erfolgreich zu sein, wird man ihm im Mutterland der Fußball-Ästhetik auch einen Arbeitssieg gegen Bulgarien verzeihen.“

Lekker oder unlekker?

NZZ-Bericht Portugal–Polen (2:2)

NZZ: Ein weiterer Neuanfang des chilenischen Nationalteams – diesmal unter dem Argentinier Marcelo Bielsa

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