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Spiele zwischen gleich starken Mannschaften sind oft langweilige Angelegenheiten

Oliver Fritsch | Dienstag, 11. September 2007 Kommentare deaktiviert für Spiele zwischen gleich starken Mannschaften sind oft langweilige Angelegenheiten

Profitiert eine Liga von mehr Ausgeglichenheit? Muss mehr reguliert und umverteilt werden? Der Economist (London) findet ein paar gute Gründe, die dagegen sprechen

Die Auffassung, dass Fußball-Ligen von finanziellen Umverteilung und wirtschaftlicher Ausgeglichenheit im allgemeinen profitieren, gewinnt im deutschen und im europäischen Fußball zunehmend Anhänger – vor allem unter Vertretern kleiner und mittelgroßer Klubs, aber auch unter neutralen Beobachtern. Befürworter der zentralen TV-Vermarktung und der solidarischen Verteilung des TV-Gelds machen diese These gerne für ihre Argumentation geltend. Manche Politiker fordern eine strengeres Eingreifen der EU in die Fußballregeln, etwa Außerkraftsetzungen vom Wettbewerbsrecht.

Zum Beispiel heißt es, wenn auch sehr vage und vorsichtig, im Weißbuch Sport, das die EU im Juli 2007 als Leitfaden publiziert hat: „Die Kommission empfiehlt den Sportorganisationen, gebührend auf die Einführung und Beibehaltung von Solidaritätsmechanismen zu achten. Bei den Sportmedienrechten kann ein solcher Mechanismus die Form einer zentralen Vermarktung der Medienrechte oder einer Einzelvermarktung durch die Vereine annehmen, die in beiden Fällen mit wirksamen Solidaritätsmechanismen verknüpft sein müssen.“ Allerdings hat das Weißbuch diejenigen Lobbyisten enttäuscht, die ein Mehr an Regulierung im europäischen Klubfußball gefordert hatten, etwa Theo Zwanziger und Karl-Heinz Rummenigge.

Der Economist, wohl das einflussreichste Magazin der Welt, hingegen entkräftet die Gleichheitsthese, den Fußball mit dem US-Sport vergleichend, der übrigens deutlich stärker umverteilt: „In den USA versuchen die Basketball-, Baseball-, Hockey- und Football-Ligen Ungleichheit dadurch zu lindern, indem sich die Teams Einkommen und sogar ihre Talente teilen, zum Beispiel durch „drafts“. Doch ist es nicht bewiesen, ob das notwendig oder überhaupt wünschenswert ist. Maßnahmen, die eine Zunahme an Gleichheit in einer Liga bewirken sollen, nehmen ihrem Wettbewerb die Schärfe – und damit Sportmännern vermutlich den Antrieb, Bestleistungen zu erbringen. Im Sport geht es um mehr, als homogen zusammengestellten Mannschaften dabei zuzusehen, wie sie sich messen. Die NBA etwa hat viel von ihrem Glanz verloren, seitdem mit Michael Jordans Karriere auch die Dominanz der Chicago Bulls endete. Ebenso lehrt der Popularitätsgewinn von Golf seit dem Aufstieg Tiger Woods‘, dass im Sport Helden und das Können Einzelner wichtiger sind als Gleichheit. Europas Fußball war ohnehin nie eine ausgeglichene Angelegenheit. Die erste Profi-Saison im Jahr 1889 war ein Spaziergang für Preston North End, das in allen zweiundzwanzig Spielen ungeschlagen blieb. Meisterschaften in Portugal, Griechenland, Holland und Schottland werden fast immer von den gleichen zwei oder drei Klubs gewonnen. Für Ligen in größeren Ländern trifft das fast genauso zu. Manchester United hat seit der Gründung der Premier League 1992 neun von fünfzehn Titeln gewonnen. Das alles hat den globalen Siegeszug des Fußballs, der sich viel besser importieren lässt als die ‚gleichere‘ Konkurrenz aus den USA, nicht aufhalten können. Politiker lieben die Idee der Gleichheit; Sportler sollten sich davor hüten. In der Politik geht es um Mehrheiten, Stimmungen und Vorteile; im Sport geht es um Spitzenleistungen und Individualität, um Gewinnen und Verlieren. Die beiden passen nicht zusammen. Im großen und ganzen ist es besser, wenn Politiker der Versuchung widerstehen, sich in die Belange des Sport einzumischen.“

In einem zweiten Artikel wird zunächst ein Alleinstellungsmerkmal des Sports eingeräumt: „Im Gegensatz zu anderen Branchen müssen sich Wettbewerber im Sport absprechen, etwa um den Spielkalender und die Regeln des Wettbewerbs abzustimmen. In den meisten anderen Geschäftsfeldern begrenzen Konkurrenten den kommerziellen Erfolg, doch im Sport haben ein Interesse an der Wettbewerbsfähigkeit von Rivalen.“ Doch ändert dieser Befund nichts an der Bejahung der Liberalisierung; unterstützend wird der englische Sportökonom Stefan Szymanski sinngemäß zitiert: „Die Pyramidenstruktur von Ligen mit Auf- und Abstieg hält die Interessen kleinerer Klubs am Leben. Lokale Rivalitäten und die Chance für Underdogs, einen Favoriten zu blamieren, befriedigt andere Bedürfnisse von Fußballfans, vermutlich sogar höher einzuschätzende als Ausgeglichenheit. In der Tat sind Spiele zwischen etwa gleich starken Mannschaften oft langweilige Angelegenheiten, von taktischer Vorsicht geprägt. Wer will das schon sehen?“

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