Bundesliga
Kein Platz für Krieg-der-Sterne-Assoziationen
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| Montag, 17. September 2007Die Bayern sind ernüchtert, die Schalker imponieren, die Frankfurter belegen die Qualität ihres Trainers, die Bremer machen einem Sorgen, die Bielefelder sind einfach gut, die Cottbusser sollten sich was schämen, über die Entlassung ihres Trainers nachzudenken – Pressestimmen zum 5. Bundesliga-Spieltag
Roland Zorn (FAZ) schildert das Gefühl der Bayern, durch ein erneutes Unentschieden aus süßer Nachtruhe gerissen worden zu sein: „In München greift nach den ersten magischen Ribéry-Shows und den anfänglichen Showdowns der Scharfschützen Klose und Toni neuer Realismus um sich. Es gibt noch Konkurrenten für die Bayern. Aus dem 1:1 in Hamburg und gegen Schalke sollte aber auch nichts Falsches abgeleitet werden: Nach wie vor ist das Künstler- und Kämpfer-Ensemble von der Säbener Straße der allererste Kandidat auf die Rückeroberung der Schale. Dass nach dem Unentschieden hier und da Pfiffe laut wurden in der Allianz-Arena, zeigte nur, wie unwirklich sich die Situation rund um die ‚Sterne des Südens‘ wieder einmal zugespitzt hatte. Weder besitzen die Bayern den Titel in Erbpacht, noch wird sich die Gegnerschaft geschlossen und freiwillig geschlagen geben, nur weil die großen Bayern ihr Team teuer wie nie aufgerüstet haben. Was die Münchner nun schnell finden müssen, ist die nüchterne Orientierung in einer Landschaft der nicht einlösbaren Traumvorstellungen. Der Fußball bietet auch seinen herausragenden Darstellern keinen Platz für Überfliegerphantasien, für weißes oder rotes Ballett, für ‚Krieg der Sterne‘-Assoziationen.“
Jörg Hanau (FR) lässt Ottmar Hitzfelds Erklärung nicht durchgehen: „Darüber Klage zu führen, unter der Woche auf zehn Nationalspieler verzichten zu müssen, mutet angesichts der Transferpolitik arg befremdlich an. Der physische wie psychische Kräfteverschleiß war augenscheinlich, aber unvermeidbar. Der ‚Zirkus Ribery‘ geizte zu Beginn seiner Vorstellung nicht mit magischen Momenten. Eine halbe Stunde lang kickten die Bayern zum Zungenschnalzen. Das hätte reichen können, um munter aufspielende Schalker abzuschießen.“ Elisabeth Schlammerl (Stuttgarter Zeitung) hingegen verweist auf die Qualität des Spiels: „Wenn Spiele wie das gegen Schalke zu den schlechteren gehören, dann ist weiterhin für beste Unterhaltung gesorgt. Der Bundesliga-Gipfel war eine perfekte Demonstration hochklassiger Taktik, sehenswerter Fußballtechnik und zumindest eine Stunde lang auch hohen Tempos beider Mannschaften.“
Daniel Theweleit (Spiegel Online) empfihelt den Bayern einen Torwartwechsel: „Vielleicht haben wir am Wochenende eine ernste, nicht nur vorübergehend Schwäche des gottgleichen FC Bayern München gesehen: An dieser Stelle sei einfach einmal behauptet, dass Ivan Rakitics Treffer von einem wirklich guten Torhüter gehalten worden wäre. Oliver Kahns Sprung war zu kurz, zu spät, wie auch immer. Und es ist längst nicht das erste Gegentor in den vergangenen beiden Jahren, das ziemlich haltbar aussah. Der Titan hat seinen Zenit längst überschritten. Sein Spiel mit dem Fuß entspricht schon ein halbes Jahrzehnt nicht mehr modernsten Ansprüchen, die Strafraumbeherrschung gehörte noch nie zu Kahns Stärken, und seine Spieleröffnungen sind traditionell bestenfalls mittelmäßig. (…) Die galaktischen Virtuosen sind mit fußballerischen Mitteln antastbar. Nicht nur auswärts bei einem um sein Leben kämpfenden HSV, sondern auch in der eigenen Arena. Vielleicht wird der Kampf um den Titel ja doch nicht so langweilig wie allgemein angenommen.“
Stefan Osterhaus (NZZ) ergänzt: „Es war erschreckend, wie sich der ehemalige Welt-Torhüter Kahn in Zeitlupentempo nach dem Ball streckte. (…) Die Bayern zelebrierten mit ihren Weltklasseleuten Spielkultur, wie dies einem nicht mehr als ordentlich besetzten Team wie Schalke kaum möglich ist. Klose und Ribéry spielten im Strafraum Doppelpass und setzten Lell in Szene, doch der Außenläufer, eine der Überraschungen im Bayern-Team, scheiterte an Neuer, einem Keeper, wie ihn die Münchner seit einiger Zeit nicht mehr in ihren Reihen haben. Die Fehlspekulation von Kahn nach einer Flanke in der 89. Minute hätte fatal enden können, wären Schalkes Angreifer gedankenschneller gewesen.“
Dominanter Konterfußball
Mit Hochachtung warnt Christof Kneer (SZ) vor Schalkes Taktik: „In München hat die Liga phasenweise das Idealbild jenes FC Schalke erlebt, den sich Mirko Slomka am Reißbrett entworfen hat. Es ist ein FC Schalke, dem man leicht in die Falle geht, weil man immer versucht ist, seinen Spielstil für demütig zu halten. Die Schalker lassen den Gegner gerne spielen, und wenn sie den Gegner so weit haben, dass er sich überlegen fühlt, hauen sie plötzlich einen Konter raus, der auf die Überlegenheit des Gegners leider keine Rücksicht nehmen kann. Selbst die tatsächlich überlegenen Bayern haben sie auf diese Weise überfallen, und wer gegen Schalke erstmal hinten liegt, bekommt es mit einer athletischen Defensive zu tun, die vom stählernen Bordon befehligt wird. Am Beispiel Schalke zeigt sich, was passieren kann, wenn man ein Stilmittel vom Mief der Vergangenheit befreit. In diesen modernen Zeiten fing der gute, alte Konter gerade an, etwas streng zu riechen, aber die Schalker haben ihn kräftig durchgelüftet. Zuletzt galt der Konter nur noch als Steilpass des kleinen Mannes – als eine Art Notwehr, angewendet von unterlegenen Teams, die das Spiel nicht selbst gestalten können. Die Schalker aber spielen einen Fußball, der den Kontercharakter mit dominanten Elementen mischt.“
FAZ: Schalke auf Augenhöhe mit den Bayern
Veredelungen
Ralf Weitbrecht (FAZ) rehabilitiert Friedhelm Funkel nach dem 2:1-Sieg Frankfurts gegen Hamburg: „Zwei Kunstschüsse von Meier, dazu eine kämpferische Grundeinstellung: Das Rezept der Eintracht, es mit klassischen Tugenden gegen den scheinbar übermächtigen HSV zu versuchen, ging tatsächlich auf. Wohl auch deshalb, weil die Mannschaft von Friedhelm Funkel die seit Monaten stärkste Vorstellung in der Bundesliga zeigte und selbst spielend das Handicap überwand, mit nur einem ‚halben‘ Stürmer anzutreten. Wieder einmal nämlich war der Auftritt von Michael Thurk eine herbe Enttäuschung. Dass sich Funkel immer wieder den Vorwurf anhören muss, er könne angeblich keine Mannschaft weiterentwickeln und nach vorne bringen, hat eine andere Dimension erreicht: Er kann es augenscheinlich doch! Seine noch vor Jahresfrist wankelmütigen und in ihren Leistungen schwankenden Profis haben im vierten Jahr seiner Frankfurter Amtszeit deutlich an Format und Kontur hinzugewonnen. (…) Beide Mannschaften haben bewiesen, dass sie dank der Ruhe, Umsicht und Erfahrung ihrer Fußballlehrer Funkel und Huub Stevens einen sichtbaren Veredelungsprozess durchlaufen haben.“
Tobias Schächter (SZ) fügt hinzu: „Dieser Erfolg gegen einen vermeintlich Großen der Liga nährt die Zuversicht in Frankfurt, dass diese Funkel-Eintracht im dritten Erstligajahr nach zwei Zitterspielzeiten einen weiten Satz nach vorne machen könnte. Es war vor allem die Dramaturgie dieses Spiels, die den Hessen Hoffnung gibt. Acht Minuten vor dem Ende erzielte Rafael van der Vaart per Foulelfmeter den Ausgleich für die HSV. In der letzten Saison wäre dies das Signal zum Zittern gewesen, aber die Eintracht hielt diesmal kühl die Ordnung und nutzte die Chance zum Sieg. Das sind neue Qualitäten.“
Kein Kult, aber Zweiter in der Ersten Liga
Peter Penders (FAZ) teilt uns mit, was der Arminia im Vergleich mit anderen Klubs ähnlichen Zuschnitts fehlt – und, vor allem, was sie diesen voraushat: „Der außerhalb Bielefelds nur mit Augenzwinkern begleitete Höhenflug der Arminia hätte bei anderen Vereinen unter ähnlichen Bedingungen mediale Beben ausgelöst. Mainz als Tabellenzweiter oder Aachen oder Freiburg oder der FC St. Pauli? Diese Klubs haben vergleichbare Stadien, besitzen jedoch einen schwer erklärbaren Kultfaktor. Nicht nur diese über ihre Stadtgrenzen hinausgehende Beliebtheit unterscheidet diese Klubs von der Arminia: Sie spielen alle in der Zweiten Liga. (…) Spieler entwickeln, sie günstig holen und teuer verkaufen, trotzdem die Identität bewahren – das ist der Spagat, den die Arminia bewältigen muss. Das Stadion heißt zwar Arena, hat aber nichts mit den Palästen zu tun, die woanders mit Hilfe der WM entstanden sind, und niemand in Bielefeld würde eine Plastikkarte aufladen wollen, um sich eine Bratwurst kaufen zu können. Das klingt mehr nach Lagerfeuerromantik am Strand als ein All-inclusive-Cluburlaub, und vielleicht lässt sich deshalb kein Eventpublikum und schon gar kein Landesvater sehen wie etwa in Frankfurt, Hannover, Kaiserslautern oder einst in Mainz. Die Kultklubs aber sind alle Außenseiter – mehr Außenseiter aber als das nicht beachtete Bielefeld geht kaum.“
Letzter Standortvorteil
Richard Leipold (FAZ) fasst sich nach dem 0:3 der Bremer in Dortmund an den Kopf und sucht nach Zeichen der Hoffnung: „Die Ruhe des Stoikers Schaaf zeichnet Werder seit langem aus. Zumindest dieser Standortvorteil scheint nicht in Gefahr. Hätte Werder nicht so eine gewachsene Struktur, so erfahrene Führungskräfte, den Bremern könnte angst und bange werden vor dem Spiel in Madrid. Quer durch die Mannschaftsteile ist ihnen nahezu alles an Leichtigkeit abhanden gekommen, was sie glaubten zurückgewonnen zu haben nach ihrem schwerfälligen Start. Lange galt Bremen im deutschen Fußball als Muster an Stabilität. Aber geschwächt durch zahlreiche Ausfälle beim Stammpersonal, wirkt der Rest der Crew unsicher und fahrig; nicht einmal routinierte Kräfte wie die beiden Innenverteidiger Per Mertesacker und Naldo oder auch Mittelfeldspieler Baumann können sich davon freisprechen oder freispielen. Als der Dortmunder Wirbelsturm Mitte der ersten Hälfte Orkanstärke erreichte, waren die Etablierten so hilflos wie der Rest der Besatzung. Was sich in der Rückrunde der vergangenen Saison vereinzelt angedeutet hat, wird bei Werder nun häufiger sichtbar. Unter Druck verliert die Mannschaft ihre Souveränität. Ihr fehlen Führungsspieler der Kategorie Torsten Frings und Tim Borowski, die einen mentalen oder spielerischen Abwärtstrend umkehren können und dazu dem Gegner allein durch ihre Präsenz Furcht einflößen.“
Blüte in Cottbus und Rostock
Thomas Kilchenstein (FR) will nicht glauben, dass Petrik Sander in Cottbus in Frage steht: „Genau das ist das Schicksal der kleinen Klubs: Sie dürfen sich auf dem Transfermarkt keine Patzer erlauben. Andere, größere und finanzkräftigere Klubs können Fehleinkäufe eben leichter verkraften. Bei Vereinen wie Energie Cottbus, Hansa Rostock, VfL Bochum oder auch Mainz 05 geht es nach einem einzigen Fehlgriff oft schon ans Eingemachte. Und der Trainer ist dann der Dumme. Wenn er sich nicht des Rückhalts des Präsidenten sicher sein kann, sind seine Tage gezählt. Mit Ulrich Lepsch, einem Sparkassendirektor, kann Sander offenbar nicht gut. Seit der gescheiterten Vertragsverlängerung gilt das Verhältnis der beiden als belastet. Sander ist sicherlich kein einfacher Mann. Das Erfolgsmodell Energie Cottbus aber trägt allein seinen Namen. (…) Der Fluch der guten Tat hat Energie voll erwischt, die Erwartungen stiegen mit jedem Erfolg ein Stückchen mehr. Schon der Aufstieg 2006 war eine Überraschung, der souveräne Klassenerhalt ein Jahr später eine Sensation.“
Josef Kelnberger (SZ) klopft den Cottbussern und Rostockern, 17. und 18. der Ersten Liga, auf die Schultern und stellt klar: „Energie ist wie Hansa ein kleiner Verein, und wer endlich blühende Landschaften im Fußball-Osten sehen will, sollte bedenken: Cottbus und Rostock erleben eine Blüte, angesichts der wirtschaftlichen Bedingungen, wie Aue und Jena in Liga Zwei. Wer klagen will, findet Anlass in Magdeburg und Dresden, wo Klubs mit großer Tradition es nicht schaffen, sich aus der Drittklassigkeit zu befreien – und Anlass zur Depression in Leipzig, an der Wiege des deutschen Fußballs. Dort funkelt das WM-Stadion des Ostens, dort erlebt die Wirtschaft einen beachtlichen Boom, aber der führende Klub, Viertligist Sachsen, hat gerade wieder Mühe, seine Rechnungen zu bezahlen. Wieder soll die Stadt helfen, wieder träumt man von einem Großsponsor, von russischen Millionen, einer Investorengruppe, wie sich gerade eine bei Carl Zeiss Jena engagiert. Zur Not will man einfach das überaus erfolgreiche Nachwuchszentrum schließen. Das ist echter Aberwitz.“
Überwunden geglaubte Mängel
Jürgen Höpfl (FAZ) legt skeptisch die Worte des Nürnberger Trainers aus: „Da mochte Hans Meyer noch so bemüht darauf verweisen, einen solchen Vergleich ‚ungern und sehr selten‘ zu ziehen: Allein, dass er ihn zog, belegt den Unterschied zwischen dem 1. FC Nürnberg der vergangenen Saison und dem 1. FC Nürnberg des aktuellen Spieljahres. ‚Das Unentschieden dürfen die Jungs wie einen Sieg feiern‘, sagte der sonst kritische Meyer: ‚Heute haben wir gewonnen!‘ Eine Punkteteilung als Gute-Laune-Indikator? Gleich dreimal hatten die Nürnberger in ihrer erfolgreichen letzten Runde gegen Hannover gesiegt, 3:1 und 3:0 in den Punktspielen sowie im Elfmeterschießen des Pokal-Viertelfinales. Doch diesmal erfreuten sie sich an einem Remis, weil ihnen dieses 2:2 nach einem 0:2-Rückstand die dritte Heimniederlage der jungen Saison ersparte. ‚Eineinhalb Jahre war der liebe Gott ein Clubberer‘, wurde Meyer pathetisch: ‚Zuletzt hatte ich das Gefühl, er wendet sich von uns ab.‘ Mangelnder himmlischer Beistand ist nicht der alleinige Makel in der Mannschaft; auch das schnöde Handwerk offenbart überwunden geglaubte Mängel. Torwart Jaromir Blazek kämpft als Schäfer-Nachfolger noch um die unbestrittene Rolle als Rückhalt einer Viererkette, die nicht mehr die solideste ihrer Zunft ist. Probleme, die sich im Mittelfeld und Angriff fortsetzen: Das Offensivspiel läuft unrund, erschöpft sich in unwirksamen Flachpässen.“