Unterhaus
Zweitklassiges Getöse mit viel Herz
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| Mittwoch, 24. Oktober 2007Das 2:2 zwischen Mönchengladbach und Köln hat einen hohen Unterhaltungswert, legt aber auch die Schwächen beider Teams offen / Die Zweite Liga, ein Zuschauermagnet (SZ) / Schmähungen gegen Dietmar Hopp – „die Kritiker wären gut beraten, sich das Modell TSG Hoffenheim etwas genauer anzusehen“ (Welt)
Philipp Selldorf (SZ) geht mit Köln und Mönchengladbach ins Gericht: „Ümit Özat ist ein Exempel der immer noch willkürlich wirkenden Kölner Einkaufspolitik und ein Phänomen auf dem Fußballplatz. Er spielt Außenristpässe besser als Roberto Carlos, was bisher aber nur selten vorkam beim FC. Dauernd dagegen fällt auf, dass sein Tempo dem eines Strafgefangenen im Steinbruch entspricht. Die Zeit scheint still zu stehen, wenn er stoisch seine Arbeit macht. Özat ist derzeit womöglich die phlegmatischste Erscheinung in den deutschen Profiligen. In Gladbach trug er dennoch Prägendes bei, namentlich zur ersten Halbzeit, die von vollendeter Ereignislosigkeit war. Borussias Sportdirektor Christian Ziege bestand zwar später darauf, dass der torlose Stillstand bis zur Pause das Ergebnis taktischer Disziplin gewesen sei, weil ‚in einem Derby die beiden Mannschaften nicht einfach losrennen wie die Vollirren‘, doch konnte man ihm da nur teilweise folgen. Die Spieler machten nicht den Eindruck von fußballerischen ‚Vollirren‘, wohl aber, pardon, von Volldeppen. Staunend verfolgten die Besucher, wie es die Kölner Ümit und Chihi wiederholt nicht schafften, mit ihren Freistößen die einsam mitten im Feld postierte Gladbacher Ein-Mann-Mauer zu überwinden; wie Torwart Mondragon bei einer zarten Rückgabe über den Ball tölpelte; wie überhaupt das Kölner Aufbauspiel eine einzige Revuenummer zu sein schien nach der Devise Kraut und Rüben. Kaum zu glauben, wie wenig Ordnung der teure Meistertrainer Christoph Daum dieser Mannschaft bisher beigebracht hat. Borussia wirkte zwar als Team stärker, trug aber noch weniger Produktives zusammen als der FC. Doch dann zeigte sich, dass beide Teams ihre speziellen Qualitäten haben und sicher um den Aufstieg mitspielen werden.“
Auch Roland Zorn (FAZ) kommt zu einem durchwachsenen Urteil: „Viel Getöse drumherum, viel Leidenschaft, viel Herz: So sollen Derbys sein. Gerade in Zeiten des durchgestylten, ökonomisierten und kommerziell ausgeschlachteten Profifußballs bieten sie der lieben Fan-Seele ein bisschen Halt und Wärme und Nahrung für Geschichten und Erinnerungen. Umso mehr, wenn sie von einer Minute auf die andere zu wilden Episoden werden. Eine Halbzeit lang passierte nichts, langweilte alles an diesem sehnsüchtig erwarteten Zweitligagipfel; dann wurde es turbulent. Vier Tore binnen acht Minuten und dazu ein gelb-roter Farbtupfer, der dem bösen Buben des Tages galt: Dieses Drunter und Drüber brachte Stimmung in die ausverkaufte Bude. (…) Die zwei Teams gaben bei allem Eifer jederzeit zu erkennen, dass sie derzeit doch nur zweitklassig sind. Dass die Gladbacher, im Moment die Nummer eins dieser stark wie selten besetzten Liga, und der augenblickliche Tabellensiebte Köln das Zeug dazu haben, am Ende der Spielzeit wieder in angestammte Gefilde aufzusteigen, wurde auch sichtbar. Aber im allgemeinen Derby-Getümmel eben nur phasenweise.“
Gladbach gegen Köln, Duell mit Tradition
Großes Publikum
Selldorf (SZ) streicht die Anziehungskraft der Zweiten Liga heraus: „Diesmal versammelt die Zweite Liga ungewöhnlich viele gute Argumente: berühmte Klubs mit prominenten Akteuren, mit Millionenstars und einem Millardär als Mäzen. Durch die Ballung im Westen und Mittelwesten gibt es jede Woche ein anderes heißes Derby. So viel hat man vorher schon gewusst, nun stellt sich aber auch noch sportliches Niveau ein und ein großes Publikum. Der Hit des Wochenendes war das Spiel zwischen 1860 München und Greuther Fürth mit 60.000 Zuschauern, da konnte keine Erstligapartie mitbieten, und schon auf Platz drei folgt das rheinische Duell zwischen Gladbach und Köln mit 54.000 Fans. Blickte früher die deutsche Zweite Liga mit ihren durchschnittlich 5.000 Dauergästen sehnsüchtig nach England, wo die Second Division solide fünfstellige Besucherzahlen führte, so ist es nun die Serie A, die gern einen Anklang wie Deutschlands Liga B erleben würde.“
Hobbing
Udo Muras (Welt) protokolliert die Anfeindungen gegen Dietmar Hopps Hoffenheim: „In der Rhein-Neckar-Provinz ereignen sich derzeit unerfreuliche Dinge, die mit menschlichen Ur-Instinkten zu tun haben. Kurz gefasst geht es um vier Buchstaben: N-E-I-D. Neid auf die etwa 6,3 Milliarden Euro des Dietmar Hopp, Mäzen der TSG, die 1990 in der A-Klasse kickte und mittlerweile in der Zweiten Liga zwar angekommen, aber nicht willkommen ist. Wo die Mannschaft auch aufkreuzt, die Schmähschriften hängen schon an den Zäunen. Mal bitter-ironisch (‚Eure Armut kotzt uns an‘), mal anklagend (‚Ihr macht unseren Sport kaputt‘), mal beleidigend (‚Fußball ist kein Spielplatz für impotente Millionäre‘). Wobei die Beleidigung auch darin besteht, Hopps Vermögen dermaßen respektlos zu reduzieren. Die Fans von Kaiserslautern entschlossen sich zu einer Art Hass-Choreographie und rissen nebenbei den Ballfangzaun der TSG ein. Es scheint, wir müssen ein neues Wort lernen: Hopp-Mobbing, kurz Hobbing. (…) Die Kritiker wären gut beraten, sich das Modell TSG Hoffenheim etwas genauer anzusehen. Da ist kein Raumschiff gelandet, dem ein fremder Potentat entstieg. Da erfüllt sich nur ein erfolgreicher Geschäftsmann mit ehrlich verdientem Geld seinen Traum.“
allesaussersport über die Art, wie sich Klaus Toppmöller in Kaiserslautern ins Spiel zu bringen versucht