Champions League
Schalke schießt keine Tore und liegt sich in den Armen
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| Donnerstag, 8. November 2007Gegensätzliche Meinungen in der Presse zum 0:0 Schalkes gegen Chelsea: die Leistung wird anerkannt, die Reaktionen auf das Spiel verhöhnt / Kein Bremer Spieler erreichte in Rom annähernd seine Normalform (Berliner Zeitung) / Filippo Inzaghi stellt den Torrekord Gerd Müllers ein
Peter Penders (FAZ) widmet sich eher den Schalker Worten als dem Schalker Spiel und spottet darüber, dass es sich über ein 0:0 freut: „So richtig scheinen sie in Gelsenkirchen immer noch nicht zu glauben, dass sie tatsächlich mitmachen dürfen, wenn die großen Vereine Europas gegeneinander antreten. Da kann man schließlich schnell einmal unter die Räder geraten, und deshalb ist es umso schöner, wenn man ab und an zeigen darf, dass man doch mithalten kann. Woanders zählt nur das Ergebnis, auf Schalke, wo so vieles anders ist, gilt das nicht. Gut haben sie gespielt, so gut, dass sie eigentlich hätten gewinnen müssen. Am Ende aber stand es 0:0, was die Chancen des FC Schalke, über die Gruppenphase hinauszukommen, nicht dramatisch verbessert hat und deshalb im Grunde zu wenig Ertrag darstellt. In München hätten die Zuschauer womöglich gepfiffen, wenn dem FC Bayern Ähnliches widerfahren wäre, ganz sicher aber wären sie unzufrieden nach Hause gegangen. In Gelsenkirchen aber herrschte das Gefühl, dass sich halb Königsblau vor Begeisterung darüber in den Armen lag, die illustre Millionentruppe deutlich beherrscht zu haben. Natürlich, fast hätten sie diese Partie gewonnen, aber diese einschränkenden vier Buchstaben gehören fest zur jüngeren Schalker Geschichte. (…) Das größte Manko des FC Schalke, das im Fußball obendrein in jedem Fall das schwerwiegendste Problem darstellt, wurde auch trotz der insgesamt beachtlichen Leistung deutlich: Schalke schießt keine Tore.“
Stefan Osterhaus (NZZ) ergänzt und weist auf die Lustlosigkeit des Gegners hin: „Wer Mirko Slomka und anderen Schalkern zuhörte, der gewann den Eindruck, dass der Bundesligist dem weltbesten Team, das voller Zuversicht und motiviert bis unter die Haarspitzen angereist war, einen Punkt abgetrotzt hatte. Doch leider standen die Dinge anders, der Auftritt der Londoner durfte als Exempel einer geistlosen Combo begriffen werden, der ein temperamentvoller Animateur vom Zuschnitt José Mourinhos dringlicher denn je fehlt. Und es war wie immer nach ordentlichen Spielen der Schalker gegen renommierte Teams. Der Nachweis, mithalten zu können, erfreute Gemüter und Herzen.“
Mörderisches Tempo
Philipp Selldorf (SZ) hingegen gewinnt dem Schalker Spiel viel Gutes ab: „Gelungen war die Korrektur des herrschenden Eindrucks. Am Freitag hatte Schalke in Cottbus die schlechteste Saison-Leistung geboten, sie fügte sich in einen Trend der Erfolglosigkeit. Gegen Chelsea folgte – auch gegen die eigenen Erwartungen – die bisher beste Vorstellung dieses Halbjahres. Fast über die gesamten neunzig Minuten hatten sie den Hochdruck auf die Gäste halten können, trotz des Fehlens üblicherweise tragender Akteure wie Kevin Kuranyi und Fabian Ernst. Der Applaus der Anhänger hielt länger an, als die Engländer brauchten, um nach dem Spiel in ihre dunklen Klubanzüge zu steigen.“
Klaus Bellstedt (stern.de) stimmt ein: „Schalke lieferte eine derart rassige Leistung ab, dass sich so mancher Zuschauer die Augen reiben musste. Waren das wirklich die zuletzt so mausgrauen Königsblauen, die da von der ersten Minute ein mörderisches Tempo vorlegten und sich Chancen im Minutentakt erarbeiteten?“
Sich selbst schwindelig gespielt
Sven Bremer (Berliner Zeitung) kritisiert die Verlierer aus Bremen: „Kein Spieler erreichte annähernd seine Normalform. Und das gegen einen Gegner, der nicht zufällig in Italiens Serie A gegen den Abstieg spielt. Die Norddeutschen dagegen haben in der Bundesliga seit Wochen nicht mehr verloren und sind zum Teil überzeugend aufgetreten. Voraussetzung ihres Spiels ist Schnelligkeit. Im Idealfall, und dem kommt Werder bisweilen nahe, resultiert daraus ein Kombinationsfluss, der den Gegner von einem Schwindel in den anderen treibt. Am Dienstag aber spielte Bremen sich selbst schwindelig. Weil kaum ein Pass den Mitspieler fand. Weil keiner in der Lage oder Willens war, dem anderen zu helfen. Das ist umso verwunderlicher, da die Bremer zusammengerückt waren in den vergangenen Monaten. Sie hatten immer wieder Rückkehrer integriert und Rückschläge verkraftet.“ Frank Hellmann (Tagesspiegel) führt fort: „Die Niederlage entsprang zwei Szenen, bei denen der selbst ernannte Oliver-Kahn-Erbe Tim Wiese nicht sonderlich gut aussah.“
Ätsch statt bumm
62 Tore im Europapokal – Filippo Inzaghi hat Gerd Müllers Rekord eingestellt. Christof Kneer (SZ) hofft im Sinne Müllers auf einen weiteren Treffer Inzaghis: „Gerd Müller muss nun seinen Rekord mit Filippo Inzaghi teilen, und das hat Gerd Müller nicht verdient. Inzaghi ist ein großartiger Mittelstürmer und doch ist er ein Spieler, mit dem keiner gern verglichen wird, es sei denn, man legt zufällig Wert darauf, als durchtriebener Elfmeterschinder und verschlagener Herumlungerer zu gelten. Der sei wohl in der Abseitsposition auf die Welt gekommen, hat Alex Ferguson einmal über Inzaghi gesagt, und das ist eine Art Kompliment gewesen. Er ist ein Mittelstürmer, der dahin geht, wo es den anderen wehtut. Sein Spiel ist die reinste Schadenfreude, und wenn er ein Tor wittert, dann stiehlt er im Zweifel auch dem eigenen Mitspieler den Ball vom Fuß, weshalb viele seiner Tore statt im Sport- auch im Polizeibericht stehen könnten. Dann macht es bumm!, hat Gerd Müller einmal gesungen. Bei Inzaghi macht es nicht bumm. Bei Inzaghi macht es ätsch.“
FAZ-Bericht Liverpool–Besiktas (8:0)
NZZ-Bericht Barcelona–Glasgow Rangers (2:0)