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Geraten die Vereinsärzte unter Systemzwang und Erfolgsdruck?

Oliver Fritsch | Donnerstag, 15. November 2007 Kommentare deaktiviert für Geraten die Vereinsärzte unter Systemzwang und Erfolgsdruck?

Verletzte Nationalspieler: Geben Bundesligavereine ihren Spielern zu wenig Zeit zur Heilung? / Bundestrainer Joachim Löw ist der Presse eine unangefochtene Autorität in strategischen Fußballfragen

Zweifel an den Fußballärzten – einige Nationalspieler leiden an wiederaufgebrochenen Verletzungen; Michael Ballack kann nun endlich wieder trainieren. Philipp Selldorf (SZ) kann nicht ausschließen, dass ihnen die Bundesligavereine zu wenig Zeit zum Kurieren gegeben haben: „Es wurden immer wieder neue Fristen für den Wiedereinstieg gesetzt, statt der Heilung Vorrang und Zeit zu geben. Mit diesem Problem ist Ballack kein Einzelfall, eher ein Musterbeispiel. Joachim Löw muss auf mehrere Akteure verzichten, die an ihrer Unentbehrlichkeit im Klub leiden. Torsten Frings zum Beispiel, der nach seiner Ende Juli erlittenen Knieverletzung Anfang Oktober wieder für Werder spielte, drei Wochen später aber erneut krankgeschrieben wurde. Eingehende Untersuchungen ergaben, dass das Knie doch noch nicht so gesund sei wie angenommen, hieß es in Bremen. Nun fehlt er bis zur Rückrunde. Christian Pander spielte in Schalke wochenlang unter Schmerzen mit einem Bluterguss im Oberschenkel, weil auf seinem Posten keine Alternative zur Verfügung stand. Nach einer Zwangspause fing er, wie er dann selbst befand, zu früh wieder an, inzwischen setzt ihn eine Innenbanddehnung matt. In Leverkusen erlebt Bernd Schneider die längste Verletzungspause seiner Karriere, auch ihn traf nach der Mitte September erlittenen Verletzung der Wille seines Klubs auf schnelle Gesundung. Das erste Bulletin war eine Art Wunschvorstellung: Von einem Bluterguss war die Rede, Physiotherapeut Trzolek aktivierte bereits seine berüchtigten Blutegel; das wahre Problem – ein Außenbandschaden – wurde erst Wochen später erkannt. Geraten die Vereinsärzte unter Systemzwang und Erfolgsdruck?“

Dazu zitiert Selldorf Joachim Löw: „‚Die Klubs müssten sich fragen, was sie ihrem Personal zumuten können’. Ottmar Hitzfelds Rotation, derzeit das große Politikum in München, hält der Bundestrainer für unerlässlich: ‚Ein Klose, Ribéry und Toni müssen in drei Wettbewerben Top-Leistungen bringen, aber das geht nicht in allen 60 Spielen. Die Dosierung zwischen Belastung, Regeneration und Training muss stimmen.’“ Außerdem wird Löws Meinung zum Ausbau des Betreuungspersonals wiedergegeben: „Ich kann mich da nur wiederholen. Es ist unabdingbar, in den Trainerstab zu investieren – es braucht Spezialisten, die den Spielern Vorgaben machen und sie auch überwachen. Das ist wichtiger, als ständig noch einen Spieler und noch einen Spieler zu kaufen.“

Messerscharfer Kritiker

Frank Hellmann (FR) rät der Liga, auf den klugen Löw zu hören: „Der Bundestrainer hat Recht, wenn er die fehlende Bereitschaft zum Üben elementarer Dinge im deutschen Berufsfußball moniert; wenn er sich darüber mokiert, dass vielen Fußball-Lehrern eine Philosophie abgeht und die Ausbildung der Trainergilde verbesserungsfähig ist. Löw ist kein Mann, der wie Jürgen Klinsmann die Konfrontation sucht. In fundamentalen fachlichen Fragen geht es ihm um Kompromiss und Konsens, deshalb war es beinahe weise, auch anzuregen, dass sich DFB, DFL und Trainer schleunigst an einen Tisch zu setzen hätten. Bleibt nur die Frage, ob die weisen Ratschläge wirklich bei der Liga das nötige Gehör finden oder in der bereits fehlgeleiteten Diskussion fruchtlos verhallen.“

Andreas Lesch (Berliner Zeitung) stimmt ein: „Der Bundestrainer hat sich innerhalb von noch nicht einmal anderthalb Jahren seine eigene Welt geschaffen. Er ahnt, dass in dieser Welt die üblichen Regeln der Branche nicht gelten. Er sagt Sätze, die bei den meisten Bundesligaklubs zum Aufreger für einen Tag taugten. Er weiß nicht nur, was er will; er sagt es auch. Nach wie vor sieht sich Löw in einer Position der Stärke, nach wie vor lässt er es sich nicht nehmen, als Vordenker des deutschen Fußballs aufzutreten. Er spielt diese Rolle gut. Er wirkt nicht so verbissen und oberlehrerhaft wie Klinsmann, er verpackt seine Botschaften eleganter. Aber im Kern ist seine Kritik messerscharf. Löws Ansichten wirken schlüssiger, durchdachter und moderner als die Wortmeldungen vieler Bundesligafunktionäre. Löw kanzelt das Gejammer von Karl-Heinz Rummenigge, die Bundesliga brauche mehr Geld vom Fernsehen, locker im Vorbeigehen ab.“

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