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Internationaler Fußball

Antisemitischer Zungenschlag

Oliver Fritsch | Freitag, 16. November 2007 Kommentare deaktiviert für Antisemitischer Zungenschlag

Raphael Honigstein (Financial Times Deutschland) spürt Englands Nervosität angesichts der fast aussichtlosen Lage in der EM-Qualifikation: „Am schlimmsten an dieser misslichen Lage ist für die stolze Fußballnation die Abhängigkeit von fremden Misserfolgen. Nur wenn die Kroaten in Mazedonien verlieren oder die Russen in Israel nicht gewinnen, kommt McClarens Mannschaft am Mittwoch gegen Kroatien überhaupt noch in den Genuss einer letzten Chance. Wie man es von den Ausländern erwartet hat, kneifen sie schon wieder, bevor es überhaupt losgeht. England setzte auf die Schützenhilfe von dem beim FC Liverpool angestellten Yossi Benayoun; Israels bester Spieler fällt nun aber mit einer Muskelverletzung gegen Russland aus. Und Alexander Ubarow, der aus Russland eingewanderte Torwarttrainer der Israeli, drückt zu allem Überfluss den früheren Landsmännern die Daumen. Man muss also nicht an die in den englischen Internetforen ohne echte Verve diskutierten Verschwörungstheorien (‚Roman Abramowitsch spendiert den Israeli Luxusautos, wenn sie verlieren’) glauben, um zu verstehen, dass Englands Fußballer heute im Wiener Ernst-Happel-Stadion vor einer ziemlich unmöglichen Aufgabe stehen: Sie sollen im Testspiel gegen Österreich Spannung für ein Endspiel aufbauen, das voraussichtlich gar nicht mehr stattfindet.

Wolfgang Hettfleisch (FR) missfällt, dass auch dunkle Töne erklingen: „Da die Nerven im Mutterland des Fußballs blank liegen, wird jeder noch so kleine Hinweis darauf, dass die Gastgeber die für sie bedeutungslose Partie nicht mit allerletzter Hingabe angehen könnten, auf der Insel sofort zum Skandal aufgeblasen. Die Konstellation ist, zugegebenermaßen, pikant: Chelsea-Boss Abramowitsch ist ein großzügiger Förderer der Sbornaja. Er zahlt Guus Hiddinks Millionengage aus eigener Kasse, hat für jeden Spieler 80.000 US-Dollar Prämie fürs Erreichen des EM-Turniers ausgelobt und unterhält enge Beziehungen nach Israel. Der einflussreiche israelische Spieleragent Pini Zahavi, ein Schwergewicht im globalisierten Handel mit Fußballprofis, gilt als wichtiger Ratgeber des russischen Milliardärs. Schon bei der Beförderung des Israelis Avram Grant zu Chelseas Cheftrainer mischten sich unappetitlich Töne in die Berichterstattung einiger englischen Zeitungen. Die Times scheute nicht davor zurück, unter Hinweis auf Abramowitschs ‚jüdisches Erbe’ zu erwähnen, der Ölmagnat sei ein häufiger Gast von Länderspielen der israelischen Auswahl und dabei auch schon ‚nahe den Umkleidekabinen’ gesehen worden – was auch immer das heißen soll. Ein latent antisemitischer Zungenschlag fand sich in diversen Berichten über die vorgeblich russisch-israelische – gemeint war offenbar: jüdische – Machtachse beim FC Chelsea.“

Nicht mehr die Elektrizität eines Weltklassestürmers

Ronald Reng (Stuttgarter Zeitung) teilt uns mit, warum Spaniens Nationaltrainer der Forderung der Fans und Medien nicht nachkommt, den Star Rául wieder zu nominieren: „Denkmäler lassen sich in keinem Land ohne Krach wegrücken, man erinnere sich nur, wie 1998 der Bundestrainer Berti Vogts durch den öffentlichen Druck umfiel und den gealterten Lothar Matthäus zurückholte. Spanien wird sich in den beiden Heimspielen gegen Schweden Nordirland für die EM 2008 qualifizieren (denn es braucht im schlimmsten Fall noch ein Unentschieden), es hat in diesem Jahr achtmal gewonnen, zweimal Remis gespielt, nie verloren – doch diese Freude geht im Reizklima verloren. (…) Luis Aragonés ist entschlossen, Raúl nie mehr zu nominieren. Er fühlt sich von ihm verraten. Er hat Raúl stoisch verteidigt, als dessen Form 2006 ins Unerkenntliche kippte, nur um dann zu sehen, wie der Kapitän bei der WM gegen seine zeitweilige Ersatzrolle meuterte und aus Egoismus die schlechte Laune ins Team brachte. Zudem übersieht Aragonés, anders als das Massenpublikum und die Madrider Jubelpresse, hinter Raúls frischem Schwung die Details nicht: Mit dreißig Jahren hat Raúl den Opportunismus eines erfahrenen Torjägers im Strafraum wiedergefunden, aber nicht die Elektrizität von Weltklassestürmern.“

Raúl: Tore, Tore, Tore

FR: Heimlich, still und leise hat sich Finnland gute Chancen auf die Qualifikation für die EM ermauert – mit einem Team, dessen Spieler ausnahmslos nicht in der Heimat spielen

SZ: Früher stand er im Irak unter Vertrag, heute betreut er Weißrusslands Fußballer: Bernd Stange sieht sich als Trainer, für Politik interessiert er sich nicht

BLZ: Wenn Fatih Terim, selbstgerechter Nationaltrainer der Türkei, die EM-Qualifikation verpasst, ist er seinen Job los

BLZ: Simon Rolfes steht für die aufstrebenden Vorwärtsdenker im Mittelfeld der deutschen Nationalelf

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