Champions League
Ein kitschiges Schalker Stück schaurig-schöner Art
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| Donnerstag, 13. Dezember 2007Auch im Moment des großen Erfolgs kommen die Schalker nicht ohne Ärger aus: die zweideutige Solidaritätsgeste der Mannschaft für die suspendierten Krstajic und Rakitic überlagert in der Presse den Sieg gegen Rosenborg Trondheim / Die Bremer enttäuschen in Piräus die Journalisten vollends / Der Uefa-Pokal, Deutschlands neue Heimat
Philipp Selldorf (SZ) gibt Schalke in der Champions League eine Außenseiterchance: „In Deutschland ist Schalke seit der Jahrhundertwende als Spitzenklub etabliert, aber in dieser Liga der Mogule und Metropolenvereine sind die Gelsenkirchener eine kleine Nummer. Für sie stellt der Eintritt ins Achtelfinale eine neue Dimension dar, daher brach nach dem Sieg auch so eine irrationale Begeisterung aus: Es ist ein gewaltiger Fortschritt und eine Belohnung für die Politik der vergangenen Jahre, als man sich traute, an einem wirtschaftlich extrem schwierigen Ort das neue Stadion zu bauen und dafür hohe Schulden aufzunehmen. Italiens, Spaniens und Englands Fußball-Adel, Schalkes künftige Gesellschaft, wird diesen Erfolgseffekt allerdings nur als Randnotiz wahrnehmen. Was natürlich nicht heißt, dass die Schalker ab sofort chancenlos sind. Vereine wie Eindhoven oder der FC Porto haben bewiesen, dass die Champions League Platz lässt für die Cleveren. Schalkes Vorrunden-Kampagne bot in ihren besten Momenten (von den Leiden gegen Valencia schweigt man besser) Anlass für Zuversicht: Beim 0:0 gegen Chelsea gewagt, im Hinspiel gegen Trondheim schlau und im Rückspiel entschlossen. Aus der Vereinigung dieser Elemente könnte Trainer Slomka noch große Abende kreieren.“
Bloßstellung des Trainers
Jan Christian Müller (FR) schüttelt den Kopf und deutet die Verbundenheitsgeste der Schalker Spieler für ihre zwei suspendierten Kollegen (sie hielten den Fans jubelnd deren Trikots hin) als einen Affront gegen ihren Trainer: „Die unprofessionellen Profis Mladen Krstajic und Ivan Rakitic haben – daran ändert das Erreichen des Achtelfinals nichts – Slomkas Autorität mit ihrem dummdreisten Diskobesuch vor dem für Schalke bisher wichtigsten Spiel des Jahrtausends untergraben. Dass Bajramovic und weiteren Mitspielern nach dem Sieg nichts Besseres einfiel, als ausgerechnet die Trikots derjenigen in die Höhe zu halten, die den Trainer zuvor im Stich gelassen hatten, dürfte Slomka als peinliche Bloßstellung wahrgenommen haben.“ Richard Leipold (Tagesspiegel) sieht das ähnlich: „Genau genommen grenzte die Solidarität mit Zlatan Bajramovic und Freunden an eine Frechheit – ganz gleich, ob sie sich gegen den Trainer, den Verein oder gar die Fans richtete. Da zieht der Klub zum ersten Mal in seiner Geschichte ins Achtelfinale der Champions League ein und erwirtschaftet zwölf Millionen Euro zusätzlich, aber alle Welt fragt sich, wer für oder gegen wen demonstriert.“
Selldorf wertet etwas milder: „Insgesamt etwas kitschig das Stück, aber auf Schalker Art auch schaurig-schön – nur für den Trainer schwierig zu vertreten. Einerseits stand da ja die inakzeptable Regelübertretung, andererseits der erfreuliche Effekt, dass die Mannschaft wie erhofft neuen Gemeinsinn geschöpft hatte. Nun musste Slomka darauf achten, dass Rakitic und Krstajic nicht den Weg der Legende der Banditen Frank und Jesse James nahmen – dass Gesetzlose zu Helden verklärt würden.“ Und Daniel Theweleit (Berliner Zeitung) verweist auf die gute Leistung der Mannschaft: „Der Vorgang erinnerte nicht nur in seiner Widersprüchlichkeit an die Wagenburg-Stimmung während des Presseboykotts vor einem Jahr. Wie damals profitierte die Mannschaft vom Effekt des wachsenden Zusammenhalts, und derart gestärkt spielte Schalke im finalen Gruppenspiel.“ Bajramovic wird mit den erstaunlichen Worten zitiert: „Sie sind, in Anführungszeichen, meine Landsleute – da habe ich mein Herz für die beiden auf dem Platz gelassen.“ Zur Erläuterung: Bajramowic ist Bosnier, Krstajic Serbe, Rakitic Kroate.
FAZ-Bericht und Bildstrecke Schalke–Trondheim
Die sportlichen Schalker Höhepunkte
Schwellenklub in Europa
Stefan Osterhaus (Neue Zürcher Zeitung) schreibt geschockt über das Bremer 0:3 in Piräus: „Die Diskussionen um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Klubs dürften anhalten, Stoff hierfür lieferte vor allem Werder Bremen. Mit viel Getöse als letzte Chance zelebriert, mündete die griechische Expedition in ein Desaster. Die Bremer blieben ihrer irrationalen Linie treu. Real oder im letzten Jahr Chelsea wurden im Weserstadion im Stile eines Klasseteams dominiert, in Auswärtsspielen wurde gegen Gegner solchen Formats zumindest ein passabler Eindruck hinterlassen. Er wird durch Auftritte wie in Piräus oder in Rom konterkariert, indem sich Werder schwächeren Gegnern beinahe widerstandslos geschlagen gab. Befindet sich Bremen in der Favoritenrolle gegen Teams mit fußballerischen Limiten, verkehrt sich der Vorteil der hohen Bremer Spielkultur ins Gegenteil. Denn der Versuch der spielerischen Lösung bedeutet dann meistens, dass der Einsatz zu kurz kommt.“
Sven Bremer (Financial Times Deutschland) meint, dass Bremen an seiner einseitigen Offensivstrategie gescheitert ist: „Stets zu versuchen, Hurra-Fußball zu zelebrieren, kann offenbar auch dazu führen, dass die Spieler verkrampfen, wenn ihnen Spaßverderber wie die aus Piräus gegenüberstehen. Die Griechen traten auf wie eine XXL-Ausgabe von Energie Cottbus. Defensiv eingestellt, kampfstark, taktisch diszipliniert und in der Lage, Fußball zu spielen. Werder hat durch seine offensive Spielweise viele Freunde gewonnen – und hohe Erwartungen geweckt. Offensichtlich sind sie zu hoch. Denn genauso, wie die Bremer Profis ihre Fans zu begeistern wissen, enttäuschen sie die Anhänger maßlos. Weil sie international stagnieren. (…) Werder ist und bleibt so etwas wie ein Schwellenklub in Europa.“
Rückschritt
Jörg Marwedel (SZ) ergänzt: „Sie können, wie unlängst, an guten Tagen Real Madrid 3:2 schlagen. Aber es gab eben auch enttäuschende Augenblicke. Augenblicke, in denen man merkte, dass man noch immer nicht so weit ist, wie man gern wäre: ein Klub, der sich auf gleichem Niveau mit den besten Vereinen der Welt bewegt. Werder Bremen ist nur ein deutscher Spitzenklub, das Spiel in Piräus zeigte, dass es für mehr vorerst nicht reicht.“ Christian Kamp (FAZ) fügt hinzu: „Vier Jahre Champions League haben Werder offenbar nicht genügt, um in Europas Liga der Besten ein ausreichendes Maß an Verlässlichkeit in die eigenen Leistungen zu bringen; das zeigten vor allem die Heimniederlage gegen Piräus und der schwache Auftritt bei Lazio Rom. Weil damit im Gegensatz zu den ersten beiden Jahren das Achtelfinale nun schon zweimal nacheinander verpasst wurde, machte das Wort vom Rückschritt die Runde.“
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Ein Stockwerk drunter
Roland Zorn (FAZ) findet sich fürs Erste mit der Zweitligahaftigkeit des deutschen Klubfußballs ab: „Deutschland hat seinen internationalen Stammplatz ein Stockwerk unter der Beletage gefunden: im Uefa-Pokal. Dort werden sich vom Februar an die Bundesliga-Spitzenklubs drängeln wie seit Jahren nicht. Nun, da das frühe deutsche Scheitern im Prestige-Wettbewerb eher die Regel als die Ausnahme ist, gewinnt der in Deutschland jahrelang übersehene Uefa-Pokal wieder an Reiz. Dort wenigstens ist was zu holen, kaum jedoch in der Liga der superreichen oder megaverschuldeten Klubs, deren finanzielle Kraftakte zur Aufrechterhaltung der sportlichen Chance auf den begehrtesten aller Vereinspokale manchmal hochriskant anmuten.“
NZZ-Bericht Glasgow Rangers–Olympique Lyon (0:3)
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