Deutsche Elf
Großbaustelle
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| Dienstag, 5. Februar 2008Verletzte, Sorgenkinder, zu wenig Zeit zur Vorbereitung, ein mahnender Manager – die Nöte der Nationalmannschaft beschäftigen die Presse
Michael Horeni (FAZ) teilt die Skepsis Oliver Bierhoffs und zieht zudem leise die Arbeit des Bundestrainers in Zweifel: „Lange sah es so aus, als würde Löw das Erbe der WM bruchlos fortsetzen. Tatsächlich aber haben sich in den vergangenen Monaten immer weitere Differenzen aufgetan in der Arbeit zwischen den Trainern Löw und Klinsmann. Manche Veränderung war der natürlichen Entwicklung der Mannschaft, manche dem unterschiedlichen Temperament geschuldet. Nicht nur in der Bewertung der Fitness gibt es unterschiedliche Akzente, wenn auch keine grundsätzlichen Differenzen. Löw richtet seinen Fokus stärker auf taktische Fragen. Das verschiebt angesichts der knappen Zeit auch die Gewichte in der Vorbereitung. In Fragen der Führung zeigen sich die unterschiedlichen Herangehensweisen ebenfalls immer deutlicher. Der verträglichere Trainertyp Löw hat bisher keine einzige unpopuläre personelle Entscheidung getroffen. In der Torwartfrage besitzt Jens Lehmann sein Vertrauen, obwohl er seinen Stammplatz verloren hat. Eine Forderung, sich in der Winterpause einen Verein zu suchen, bei dem er regelmäßig Spielpraxis bekäme, wurde nur kurz diskutiert, aber nie erhoben. Das trägt zum Bild eines auf Harmonie bedachten Trainers bei. Löw hat nun in der EM-Vorbereitung auch am WM-Bonus der Spieler zu tragen. Bei der EM-Nominierung dürfte er eine Rolle spielen, wenn es um verdiente Profis geht, die lange verletzt waren und Rückfälle erlebten (Frings, Ballack, Schneider) – oder in ihren Vereinen kaum zum Zug kamen (Podolski, Schweinsteiger). Ob eine solche Haltung, dem polarisierenden Klinsmann fremd, für das Team auch dauerhaft leistungsfördernd sein wird, muss sich unter schwieriger gewordenen Umständen erst zeigen. Auch die Zielvorgabe wird derzeit nicht mehr so eindeutig formuliert wie noch vor der WM. Nach der Auslosung vermied es die Führung der Nationalelf, den Gruppensieg als erstes Etappenziel vorzugeben. Jetzt ist von sechs bis sieben Titelkandidaten die Rede. Das Selbstbewusstsein war schon einmal größer.“
Michael Ashelm (FAS) macht auf die schwierigen Begleitumstände aufmerksam: „Vier Monate vor dem Start des Turniers befindet sich die Nationalelf in heikler Lage, und man muss feststellen, dass nach dem WM-Höhenflug unter Klinsmann und der erfolgreichen Nachfolgezeit mit Löw die Situation nie schwieriger war als heute. Fest steht schon jetzt, dass der Bundestrainer seine ursprüngliche Absicht nicht mehr umsetzen kann, rund um den Stamm aus erfahrenen Kräften eine Mannschaft aufzubauen und zu entwickeln, die, fein abgestimmt, als taktisch homogenes Gebilde beim Turnier in der Schweiz und Österreich noch einmal auf einem höheren Niveau wirken könnte, als man es bei der Weltmeisterschaft gesehen hatte. Dies war eigentlich Löws Ziel, als er im Sommer 2006 antrat. Doch eine nicht enden wollende Verletzungsserie, pausierende, angeschlagene oder in ihren Vereinen zu Reservisten verdammte Nationalspieler stören nun das Bild einer zu allem bereiten deutschen Nationalelf. Beim überzeugend starken 2:1-Sieg in Tschechien im März vergangenen Jahres kam die Nationalmannschaft zuletzt ihrem Optimalzustand am nächsten. Ein knappes Jahr später sieht alles anders aus, nimmt man Löws Team eher als Großbaustelle wahr. Eine Mannschaft der vielen Fragezeichen.“
Andreas Lesch (Berliner Zeitung) schließt: „Der Bundestrainer Löw ist oft und zu Recht gelobt worden. Jetzt jedoch beginnt seine bisher schwerste Prüfung. Er muss in den kommenden Monaten aus einer geschwächten Gruppe von Spielern eine konkurrenzfähige Mannschaft formen. Er hat dabei schlechtere Voraussetzungen als Klinsmann vor der WM.“
FAZ: Oliver Bierhoff schlägt Alarm
Bundestrainer Löw steht zunehmend unter kritischer Beobachtung