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Ball und Buchstabe

Das Fundament im Geist des Wiederaufstehens

Oliver Fritsch | Mittwoch, 6. Februar 2008 Kommentare deaktiviert für Das Fundament im Geist des Wiederaufstehens

Heute vor fünfzig Jahren verunglückte von Manchester United auf dem Münchner Flughafen, ein Teil des Teams verstarb – was diese Tragödie für den Klub bedeutet, wie er und Uniteds Feinde heute damit umgehen

Richard Williams (Guardian) erinnert an das Erbe der Busby Babes: „In bestimmtem Sinne ist München 1958 die Geburt des modernen Manchester United – eine Tragödie, die den Klub zusammenschweißt und die ihm ein emotionales Fundament bietet, auf dem seine Spieler, seine Mitarbeiter und seine Fans gemeinsam und sicher auch schwere Zeiten bestehen können. Zudem sichert sie ihm in vielen Herzen einen Platz, die unter normalen Umständen United verschlossen wären. Wo immer es auftritt, wohin immer es reist – Man United trägt das Vermächtnis des englischen Fußballs dieses bitteren Februartags.“

Christian Eichler (FAZ) fügt hinzu: „Diese Geschichte hält eine gewaltige Erinnerungsmaschine in Gang. Schon seit Jahren zeigt die ‚Munich clock’ an der Südost-Ecke des Old Trafford die Minute der Tragödie, 15.04 Uhr. Nahebei steht die Tafel mit den Namen der Opfer, erhebt sich ein in Bronze gegossener Busby. Nun kommt eine Dauerausstellung im südlichen Tribünengang hinzu, der fortan ‚Munich Tunnel’ heißen wird. An diesem Mittwoch um 15.04 Uhr gibt es einen Gedenkgottesdienst. (…) Der Mythos von Manchester sieht in der überstandenen Katastrophe die Wurzel jener Siegesmentalität, die den Verein heute ausmacht. Trainer Alex Ferguson übernahm von seinem schottischen Landsmann Busby den Appell an die Spieler, ‚die Leute von den Sitzen zu reißen’. Dass sein größter Erfolg, der Champions-League-Sieg 1999, ausgerechnet gegen ein Team aus München gelang, und das am 90. Geburtstag von Busby, hat Ferguson als einen Wink des Schicksals bezeichnet. Für den Klub ist der Gedenktag auch die Demonstration seiner globalen Popularität, die nicht zuletzt in jener Ur-Katastrophe begründet liegt. So wie sich Real Madrid durch die Rückbesinnung auf das ‚weiße Ballett’ der fünfziger Jahre im sportlichen und geschäftlichen Erfolg neu definierte, so fand Manchester United, das andere Weltunternehmen des neuen, globalen Fußballs, sein Fundament im Geist des Wiederaufstehens, Nie-Aufgebens, der überwundenen Katastrophe. Diese Integrität schafft Popularität, man versteht sie überall auf der Welt. Dass United heute eine globale Gemeinde (und Wirtschaftskraft) hat wie sonst nur Real, ist für Geschäftsführer David Gill auch eine Folge von 1958: ‚Vieles von dem, was diesen Verein heute ausmacht, wurde aus der Tragödie geboren.’“

Geschmacklosigkeit ohne Grenze

Raphael Honigstein (FR) macht uns darauf aufmerksam, dass sich Man Uniteds Feinde nicht an der Trauer beteiligen und dass auch innerhalb der eigenen Fan-Gemeinde Zweifel an der Aufrichtigkeit existieren: „In den 90er-Jahren, als kommerzieller und sportlicher Erfolg sich gegenseitig verstärkten, schlug in Liverpool, Leeds und anderswo die Abneigung gegen die Verehrung der Toten in blanken Hass um. Die Geschmacklosigkeit kennt seither keine Grenzen: United-Fans werden als ‚Munichs’ verspottet, bei Torerfolgen setzen gegnerische Fans mit ausgestreckten Armen zum Sturzflug an. Im protestantischen England werden Helden nicht an der Größe der Taten, sondern an der Größe ihres Leids gemessen; mit dem Verlust einer halben Mannschaft kann kein anderer Klub konkurrieren. Dazu kommt das Gefühl, dass ManU München mehr oder minder bewusst zu einem wichtigen Teil seiner Marke gemacht hat. Der 6. Februar 1958 ist in den Augen der ManU-Fans der Geburtstag des modernen United. Mittlerweile weiß man übrigens auch, dass die Überlebenden des Unglücks vom eigenen Verein kaum unterstützt wurden. Jackie Blanchflower und Johnny Berry, die nach München nicht mehr spielen konnten, mussten aus vereinseigenen Häusern ausziehen, um Platz für Neuverpflichtungen zu machen. Erst nach öffentlichem Druck fand vor zehn Jahren ein Benefizspiel im Old Trafford statt, dabei kam eine Million Pfund an Spenden zusammen. United stellte damals die Kosten für die Stadionmiete voll in Rechnung. So etwas will man diesmal vermeiden. Dem aktuellen Team wurde eine DVD über das Unglück gezeigt, um 15:04 findet am Mittwoch in der Stadt ein Gottesdienst statt. Am Mittwoch tritt England gegen die Schweiz in Wembley an, eine Schweigeminute wird es dort übrigens nicht geben. Der Verband hat zu große Angst vor Pfiffen und Schmährufen von den United-Hassern im Stadion.“

Als würde man Werbung auf einem Grabstein anbringen

Broder-Jürgen Trede (Financial Times Deutschland) macht Geldmacherei ausfindig: „Der Umgang mit der eigenen Geschichte erweist sich für ManU wieder einmal als diffizile Angelegenheit. Der reichste und bestvermarktete Fußballklub der Welt scheint an der eigenen Vorgabe zu scheitern, diesen wichtigen Jahrestag komplett frei von Kommerz zu halten. Ausrüster Nike und der Versicherungskonzern AIG als Hauptsponsor haben zugestimmt, dass United in Retrotrikots im Stile der 50er-Jahre auflaufen darf. Die Spieler werden schlichte rote Jerseys mit weißem V-Ausschnitt tragen, durchnummeriert von 1 bis 11 – ohne Spielernamen auf dem Rücken und vor allem ohne Werbung auf der Brust. Kritiker sehen in dieser Idee einen cleveren Marketing-Schachzug. Und tatsächlich mehren sich schon die Anfragen, wo und wann denn das ‚Anniversary Dress’ zu erwerben sei. Besonders kritisch wird zudem ein Banner diskutiert, das seit Januar den Haupteingang von Old Trafford ziert. Zu sehen ist ein Foto des Teams von 58 vor seinem Auftritt in Belgrad. Dazu ein Auszug aus dem ‚Manchester United Calypso’, dem berühmten Fanlied, das seit fünfzig Jahren zur Erinnerung an die Babes gesungen wird. Peinlich: Das Banner zitiert nicht nur das Lied unkorrekt, sondern ist auch noch mit einem Sponsorenlogo versehen. Ein Fan fragt im ManU-Internetforum stellvertretend für viele: ‚Was hat das Logo da zu suchen? AIG hat nichts mit den Busby Babes zu tun. Es ist ein bisschen so, als würde man Werbung auf einem Grabstein anbringen!’“

Welt: Das Schicksal der Busby Babes bewegt die Briten immer noch

NZZ: Aus der bisher schwächsten Mannschaft seiner gesamten Trainerlaufbahn, der englischen Nationalelf, soll Fabio Capello ein Siegerteam schmieden. Begonnen hat er wie gewohnt – mit dem Aufbrechen alter Hierarchien
FR: Capello vor seinem ersten Spiel mit England

BLZ: Michael Ballack hat sich nach seiner Verletzung als Führungskraft beim FC Chelsea etabliert

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