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Bundesliga

Der synchrone Niedergang von Stuttgart und Nürnberg ist unerklärlich

Oliver Fritsch | Montag, 11. Februar 2008 Kommentare deaktiviert für Der synchrone Niedergang von Stuttgart und Nürnberg ist unerklärlich

Der Meister und der Pokalsieger werden die Saison wohl nicht mehr erfolgreich beenden können, und die Journalisten versuchen sich vorsichtig an Antworten auf die Frage nach dem Warum; Leverkusen und Hamburg begeistern Presse und Publikum; Frankfurt ist langsam auf solidem Pfad nach Oben – die Pressestimmen zum 19. Spieltag

Peter Stolterfoht (Stuttgarter Zeitung) befasst sich nach der erneuten Niederlage des VfB (1:3 gegen Hertha BSC) mit der verpassten Chance, die Meisterschaft aus dem letzten Jahr zu einer Fortentwicklung genutzt zu haben: „In Stuttgart wurde der strategische Fehler begangen, vor allem in die Breite des Kaders zu investieren. Es kamen viele Mitläufer, aber kein einziger Ausnahmekönner. Bei der Attraktivität, die ein frischgebackener Deutscher Meister ausstrahlt, wären aber ganz andere, gezieltere Transfers machbar gewesen. Diese Möglichkeit wird der VfB nach einer verkorksten Saison nicht mehr bekommen. Damit ist auch die Chance zunächst einmal wieder vertan, sich ganz oben in der Tabelle zu etablieren.“

Auch Jan Christian Müller (FR) kritisiert, sarkastisch, die Stuttgarter Einkaufsabteilung: „Nicht ein Neuzugang hat sich bislang als Verstärkung erwiesen. Der in der Winterpause von der Wolfsburger Bank geholte Sergiu Radu wechselte nur den Klub, nicht aber den Status. Gledson wurde zurück nach Rostock geschickt, Ewerthon zu Espanyol Barcelona, Torwart Raphael Schäfer auf die Ersatzbank, wo Stürmer Ciprian Marica schon auf ihn wartete. Yildiray Bastürk durfte zuletzt immerhin konturlos mitspielen. Die Transferbilanz könnte trister nicht sein. Horst Heldt und Armin Veh sind selbstkritisch genug, sich ihrem Versagen zu stellen. Sie betreiben nun Krisenmanagement mit Augenmaß. Der Titel hat ihnen zudem intern so viel Respekt verschafft, dass sie von Boss Erwin Staudt und Aufsichtsratschef Dieter Hundt (noch) nicht grundsätzlich in Frage gestellt werden. Die durch das Verpassen von Champions League-Viertelfinale und Uefa-Cup-Achtelfinale auch finanziell noch verschärfte Situation im Niemandsland der Bundesliga lässt nun für die kommende Saison kaum teure Einkäufe zu. Also auch keine Fehleinkäufe. Das ist doch mal eine gute Nachricht.“

Michael Horeni (FAZ) rätselt, ähnlich und doch anders als im letzten Jahr, über Meister Stuttgart und Pokalsieger Nürnberg, das nach dem 1:1 gegen Rostock nach wie vor auf einem Abstiegsplatz rangiert: „Unendlich weit zurück liegen jene Tage, in denen Schwaben und Franken sich mit ihren Trainern Armin Veh und Hans Meyer aufmachten, die Liga zu überrumpeln. Es waren die beiden großen Erfolgsgeschichten der vergangenen Saison. Sie kamen aus dem Nichts und waren eigentlich völlig unerklärlich. Der synchrone Niedergang von Stuttgart und Nürnberg ist in seinem Ausmaß nun eigentlich genauso unerklärlich wie die Titelerfolge zuvor.“

Von einem Extrem ins andere

Auch Philipp Selldorf (SZ) widmet sich den beiden Erfolgscoachs des letzten Jahres und baut möglichen Zweifeln an ihnen vor: „Derzeit ist die Hilflosigkeit der beiden Männer offensichtlich. Sie sind vom einen Extrem ins andere geraten und wissen auf die Dynamik der Entwicklungen keine Antwort. Der eine – Meyer – mag das aberwitzige Verletzungspech beklagen, der andere – Veh – die Folgen einer missratenen Einkaufspolitik. Diese unbestreitbare Fakten heben die Haftbarkeit der Trainer nicht auf. Über deren Schicksal befinden irgendwann die Vereinsgerichte, doch bevor sich die Verantwortlichen in Nürnberg und Stuttgart ihre Ansicht bilden, sollten sie einen Blick nach Frankfurt und Leverkusen werfen: Dort hatten Friedhelm Funkel und Michael Skibbe jahrelang gegen wuchernde Skepsis und ein notorisch negatives Ansehen kämpfen müssen. Inzwischen weiß natürlich jeder echte Anhänger, dass Funkel und Skibbe schon immer brillante Baumeister des Erfolgs waren.“

Schwindelerregender One-Touch-Fußball

Bernd Müllender (Berliner Zeitung) reißt es beim 1:1 zwischen Leverkusen und Hamburg von den Sitzen: „Dem Offensivspektakel zwischen Bayer Leverkusen und dem Hamburger SV hätten ein triumphaler Glückssieger und ein tragischer Loser gut zu Gesicht gestanden. Oder zumindest ein 4:4. Hohe Ballsicherheit, schnelle Ballzirkulation mit einer Fülle offensiver Finessen bei Leverkusen, geradlinig fixer Konterfußball des HSV. Zwei extrem passsichere Teams, die die Abwehrspieler hetzten und ungewöhnlich viele Aktionen bis zum Abschluss durchspielten. Krachende Schüsse, Chancen hier im Dutzend und dort auch, meist zunichte gemacht von zwei weiteren glänzenden Linienwarten in der Lehmann-Republik.“

Christian Kamp (FAZ) sagt Leverkusen eine schöne Zukunft voraus: „Es schien, als wollten beide Mannschaften den Schatten des Super-Sonntags nutzen, um selbst noch einmal zu probieren, wie hoch sie in dieser Saison hinaus können. Da waren die Leverkusener, die eine halbe Stunde lang mit schwindelerregendem One-Touch-Fußball vorführten, dass sie technisch keinen Vergleich in der Liga zu scheuen brauchen. Barnetta, Rolfes, Schneider und Barbarez heißen die Schwungräder dieser Kombinationsmaschine, die, einmal in Gang gesetzt, nur schwer zu bremsen ist. Selten hat sich eine Mannschaft so viele Möglichkeiten gegen den von Huub Stevens‘ Organisationsdenken geprägten HSV herausgespielt wie diese Bayer-Elf. Die Hamburger wären nicht die erste Mannschaft gewesen, die sich am knisternden Bayer-Spiel die Finger verbrennt. Es ist in den vergangenen Wochen fast ein wenig zu kurz gekommen, dass Michael Skibbe aus einer Mannschaft, die vor nicht allzu langer Zeit noch ebenso regelmäßig wie beängstigend unter ihren Möglichkeiten geblieben war, ein Ensemble geformt hat, das einer klaren Spielidee folgt und inzwischen auch die entsprechenden Resultate liefert. Den Leverkusenern, so scheint es, gehört die Zukunft.“

Selldorf ruft Bravo: „Besäße die Leverkusener Rasenbühne einen Vorhang, man hätte ihn mindestens 43 Mal aufziehen müssen, damit sich die beiden Ensembles vor den applaudierenden Besuchern verneigen.“

Ruhe und Abgeklärtheit

Ralf Weitbrecht (FAZ) stellt der Frankfurter Führung ein solides Zeugnis aus: „Die Eintracht im Fußballjahr 2008 ist mehr als nur Millionen-Neuzugang Martin Fenin. Bestärkt durch wirtschaftliche Erfolge der vergangenen Jahre, hat der vom Vorstandsvorsitzenden Heribert Bruchhagen angeführte Klub bisher ein feines Händchen gehabt. Frühzeitig wurde der Vertrag mit Trainer Friedhelm Funkel um ein weiteres Jahr verlängert. Langfristig wurden vielversprechende Kräfte wie Marco Russ, Patrick Ochs und eben Fenin gebunden. Zudem hat es Funkel mit der nötigen Ruhe und Abgeklärtheit verstanden, den richtigen Mix zwischen jungen und routinierten Profis zu finden.“

Doch keine Champions League

Ulrich Hartmann (SZ) stellt beim 3:3 gegen Cottbus Ernüchterung in Bochum fest: „Voller Gram waren nach dem Überraschungssieg in Bremen diesmal die Bochumer. ‚Das ist eine gefühlte Niederlage’, sagte der Trainer Koller, und die offenbar zittrige Presseabteilung des Klubs kopierte die frische Tabelle darob derart schief aufs aktuelle Informationspapier, dass die Punktstände der achtzehn Mannschaften überhaupt nicht zu sehen waren. Mit 23 Zählern balancieren die Bochumer tabellarisch dermaßen unentschieden zwischen Himmel und Hölle, dass es Koller ein Anliegen war zu betonen, niemand dürfe sich einbilden, ‚wir spielen hier um die Champions League’. Wer solche Gedanken nach dem 2:1 von Bremen versehentlich zugelassen hatte, wurde in die triste Realität heimgeholt, denn die Bochumer machten gegen Cottbus trotz ihrer drei Tore zwischenzeitlich einen solch verwirrten Eindruck, dass sie in Ballbesitz und bei 3:2-Führung von ihren Fans sogar ausgepfiffen wurden.“

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