Bundesliga
Nürnberg ist und bleibt für Trainer unberechenbarer als andere Klubs
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| Mittwoch, 13. Februar 2008Hans Meyer ist überraschend schnell entlassen worden – die Journalisten und Blogger kritisieren die Art der Trennung, zeigen aber auch Verständnis, hier und da dominiert sogar Antipathie gegenüber Meyer
allesaussersport hat sich im Internet umgehört und rekonstruiert, wie die Entlassung Hans Meyers an die Öffentlichkeit gedrungen ist: „Der Beschluss wurde am Sonntagabend gefällt, Hans Meyer offiziell aber erst am Montag gegen 19.30 Uhr informiert. Laut einem Telefongespräch mit BÄHs [gemeint ist DSF; OF] Thomas Herrmann wusste Meyer um 19 Uhr noch nichts von seinem ‚Glück’, das die Bild-Zeitung Minuten vorher auf der Website verkündete. Das reicht eigentlich schon aus, um irgendwo im Kapitel ‚persönliche Integrität’ im Bodensatz zu landen, aber es geht noch schlimmer: Offensichtlich haben ein oder zwei Vereinsobere das Sabbelwasser nicht mal für 24 Stunden halten können. In einem Fall hat gestern Vormittag ein FCN-Verantwortlicher nichts Besseres zu tun, als den Mitarbeitern eines Autohauses gegenüber zu plaudern. Im FCN-Forum ist ein Fan aufgetaucht, der davon spricht, dass der Vizepräsident Finanzen Franz Schäfer gestern Nachmittag ebenfalls die Botschaft verbreitete. Vielleicht ist es der gleiche Vorgang wie die Autohaus-Geschichte, aber wenn Präsidiumsmitglieder nicht in der Lage sind, solche Interna für sich zu behalten, während der abgeschossene Trainer noch nichts ahnend eine Pressekonferenz hält, dann ist das mit ‚unterirdisch’ nur unzureichend beschrieben. Sollten sich die Vorwürfe und Namen bewahrheiten, ist es eigentlich ein Akt der moralischen Hygiene, ein solches Präsidiumsmitglied zum Rücktritt zu zwingen.“
Auch Andreas Lesch (Berliner Zeitung) rügt die Nürnberger Verantwortlichen um Michael A. Roth zünftig: „Die Fußball-Bundesliga ist nie ein Streichelzoo für sensible Seelchen gewesen. Sie hat sich immer als Geschäft verstanden, in dem die raue Gangart dominiert. Die Art aber, wie der 1. FC Nürnberg jetzt Hans Meyer entlassen hat, ist mehr als eine der üblichen Stillosigkeiten der Branche. Sie ist Ausdruck bemerkenswerter Niveauarmut. Sie zeugt davon, dass die Nürnberger eine Führung ohne Führungsqualitäten haben. Die Nürnberger behaupten, sie hätten in den vergangenen Wochen mit verschiedenen Übungsleitern verhandelt, um für einen möglichen Rückzug Meyers ins Rentnerleben gewappnet zu sein. Diese Argumentation ist verlogen: Hier ist nicht ein reibungsloser Trainerwechsel irgendwann in vager Zukunft vorbereitet, sondern ein verdienter Mitarbeiter in einer Nacht-und-Nebel-Aktion gnadenlos abserviert worden.“
Es gibt vermutlich keinen schwierigeren Job
Jan Christian Müller (FR) gibt zu bedenken: „Etwas mehr Respekt hätte der so rüde Geschasste für seine Arbeit verdient gehabt, unabhängig davon, dass sich die Entscheidung durchaus als objektiv richtig herausstellen kann. Zumal sich der Thüringer, dessen Verhältnis zur Mannschaft am Ende gelitten haben soll, sich zuletzt zusehends ärger von den Medien verfolgt fühlte. Das ist keine gute Basis für erfolgreiche Arbeit in einer extremen Drucksituation. Meyer ist nicht das erste Beispiel dafür, dass ein Trainer, der Woche für Woche die richtigen Antworten selbst auf die schwierigsten Fragen wusste, schon in der Saison darauf ratlos wirkt. Thomas Doll hat das beim Hamburger SV erlebt, den er vom letzten Platz in die Champions League und postwendend zurück auf den letzten Platz führte. Armin Veh begann in Stuttgart im Niemandsland, coachte die Mannschaft zum Titel und nun zurück ins Niemandsland. Es gibt vermutlich keinen schwierigeren Job auf der Welt, als 25 Fußballprofis langfristig zu einer erfolgreichen Gemeinschaft zu coachen. Auch nicht für einen alten Fahrensmann.“
Er ist der Star
Steffen Dobbert (zeit.de) weist auf die guten B-Noten von Meyers Mannschaft: „Hans Meyers Team zählt dank seines spielerischen Potenzials, seines taktischen Verständnisses, seiner guten Spielanlage und dank der Systemvariabilität zu den besseren Bundesligisten. Wenn es nach der Anzahl der Torschüsse ginge, würde Nürnberg derzeit statt gegen den Abstieg um einen Platz im Uefa-Cup mitspielen. In der Chancenverwertung belegen sie allerdings den letzten Rang. Von 301 Schüssen landeten nur 22 regelgerecht im Tor. Eine intelligente Vereinsführung könnte darauf kommen, dass ihr Trainer gute Arbeit abliefert.“
Christoph Ruf (Financial Times Deutschland) erörtert die Zweischneidigkeit von Meyers Rhetorik: „Für Meyer mag die Mannschaft der Star sein, für die Öffentlichkeit ist er es. Genau das dürfte manch eitlen Offiziellen im Vorstand und Aufsichtsrat des Vereins stärker gestört haben als die zuletzt niederschmetternden Ergebnisse. Und auch außerhalb des Vereins war er zuletzt nicht nur unumstritten – unabhängig vom sportlichen Erfolg. Meyer ‚nerve’ mit seinen Witzeleien, hieß es immer öfter bei denen, die als Reporter seine Scherze hören mussten. Im Grunde aber übergeht Meyer mit Charme, Ironie und Witzen am Rande des guten Geschmacks gern die ihm als gesichert erscheinende Erkenntnis, dass die meisten Journalisten einen Pflichttermin abarbeiten – und weder an ihm als Person noch am Fußball ernsthaft interessiert sind. Mit Bild lebt Meyer nicht erst seit seiner Gladbacher Zeit, in der ihn das Blatt anrempelte, in einer Dauerfehde. Allein dafür muss man ihn eigentlich mögen.“
Mit Fußballunverstand diskutiere ich nicht
Trainer Baade legt sich darauf fest, dass Meyers Ironie unangebracht gewesen sei: „Wichtig bleibt aber aufm Platz, und aufm Platz spielen immer noch seine Spieler. Seine arrogante, durchaus ungerechtfertigt überhebliche Art – was hat Hans Meyer schon geleistet, außer ein, zwei drei Meisterschaften oder Pokalsiege in einer Liga auf Regionalliganiveau? – gepaart mit einer Art, bei der niemand mehr weiß, wann er Ironie benutzt und wann er gerade ernsthaft spricht, kann bei Fußballern, und seien wir auch im Jahr 2008 und fast alle haben es geschafft, sich bis zum Abitur durchzumogeln, nicht dauerhaft ankommen. Anders wäre das natürlich, wenn er die Hobbymannschaft von Monty Python oder gar der deutschen Journalistenschar trainiert hätte, dann wären seine Interviews und Halbzeitansprachen durchgehend mit Applaus versehen worden. Es scheint, als hätte sich Hans Meyer das falsche Metier ausgesucht. Wäre er Trainer im Hockey mit seinem mehrheitlich akademischen Publikum, würde er heute noch als Kandidat für den Bundestrainerposten gehandelt. Bei all seinen rhetorischen Leistungen und Ausfällen darf man eben nicht vergessen: Wichtig ist und bleibt allein die Zielgruppe.“
Auch Stefan Osterhaus (Neue Zürcher Zeitung) lässt sich von Meyer abstoßen: „Zweifel an seinen Methoden wischte Meyer gern mit einem Satz beiseite: ‚Mit Fußballunverstand diskutiere ich nicht.’ Dabei erweckte er den Eindruck, als vereine sich in seiner Person der Fußballsachverstand der Kollegen Hitzfeld, Lippi und Wenger. Einen Spitzenklub aber hatte Meyer während seiner Karriere nicht trainiert. (…) Am Ende blieb das Präsidium um Roth einmal mehr seiner Linie treu. Nürnberg ist und bleibt für Trainer unberechenbarer als andere Bundesligaklubs.“
taz: Meyer, ein Opfer seines Erfolgs
SZ: Feuerwehrmann mit Konzept – der Zeitpunkt der Meyer-Entlassung ist unverständlich. Mit der Verpflichtung von Thomas von Heesen haben die Verantwortlichen aber wenigstens eine gute Nachfolgerwahl getroffen
Ernst und eitel – oder geistreich und konsequent?