Bundesliga
In Wolfsburg schießt Geld Tore und verhindert Gegentore
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| Montag, 18. Februar 2008Der Sieg der Wolfsburger in Schalke fällt auf den Trainermanager Felix Magath zurück; der anhaltende Schwung und die Ästhetik der Karlsruher erfüllen die Wünsche und die Sehnsucht der Fußballliebhaber; Duisburg im Pech; Nürnberg verliert schön – die Pressestimmen des 20. Spieltags
Christof Kneer (SZ) entdeckt immer wieder neue Seiten an Felix Magath, der mit seinem VfL Wolfsburg schon wieder gewonnen hat, diesmal 2:1 in Schalke: „So lange gibt es diesen Trainer nun schon, und noch immer weiß keiner genau, wofür er steht. Magath mag die strenge Körperlichkeit des Spiels, ansonsten ist bisher keine wirklich eigenständige Spielidee überliefert. Magath gilt als eine Art Fitnessdienstleister, der dem strategischen Gespür seiner Spieler vertraut, und das junge Glück des VfL ist noch kein Gegenbeweis für diese These. Die neue Nachricht aus Wolfsburg betrifft eher den Manager Magath – der hat mutig einen sehr interessanten Kader komponiert, mit bisher unbekannten Ausländern (Grafite, Simunek, Costa), mit unterschätzten Talenten (Gentner) und unterklassigen Profis (Schäfer). Auf Dauer wolle er nicht drei Jobs auf einmal machen, hat Magath gesagt. Wenn der Manager Magath weiterhin so schlau einkauft, dann kann er sich vielleicht bald einen neuen Trainer suchen.“
Jan Christian Müller (FR) stimmt zu, fürchtet sich aber ein wenig vor den Neureichen: „Magath hat sich die Globalisierung des Fußballmarktes mit Kennerblick zunutze gemacht Und ist auf dem besten Weg, den Beweis anzutreten: Geld schießt Tore, Geld verhindert Gegentore. Niemand soll sich wundern, wenn der Erstligist aus der Retorte eines gar nicht mal so fernen Tages in der Champions League mitspielt. Hoffentlich nicht zusammen mit Bayer Leverkusen und der TSG Hoffenheim.“
Kollektiv voller eigenmotivierter, gut ausgebildeter Profis
Peter Heß (FAZ) analysiert den Erfolg und die Spielkultur des Karlsruher SC und warnt seine Spieler, dieses Biotop zu verlassen: „Was stellt den KSC Jahrgang 2007/08 nun über jeden Aufsteiger der vergangenen zehn Jahre? Was macht ihn zu einer Mannschaft, die in der Lage ist, Leverkusen nach einem 0:2 niederzuspielen anstatt niederzuringen, was befähigt ihn, Spieltag für Spieltag zumindest gehobene Bundesligaklasse zu bieten? Die Antwort lässt sich nicht in einen Satz pressen. Aber der entscheidende Punkt ist, dass Trainer Edmund Becker eine Vielzahl von Spielern gefunden oder entwickelt hat, die bereit sind, Initiative zu ergreifen und Verantwortung zu übernehmen. Die absolute Abwesenheit von Alibifußball zeichnet den KSC aus. In vielen Bundesligateams gehen die Kombinationen von zwei, drei Spielern aus, die zwei drei weitere einsetzen. Die anderen sind Räumezusteller, Balleroberer, Ballträger. Beim KSC versetzt sich fast jeder in die Lage des ballführenden Kollegen. Es wäre falsch, den Aufschwung der Karlsruher an einer Einzelperson festzumachen, höchstens an Becker. Das Geheimnis ihres Erfolges ist das starke Kollektiv voller eigenmotivierter, gut ausgebildeter, aber individuell keineswegs überragender Profis. Die Konkurrenz ist auf den Aufsteiger des Jahrzehnts längst aufmerksam geworden und lockt die Emporkömmlinge mit lukrativen Angeboten. Aber ob die KSC-Helden als Einzeltäter für ihre neuen Vereine genauso wertvoll sein werden wie in ihrem gewohnten Verbund, dahinter darf zumindest ein Fragezeichen gesetzt werden.“
Besonders qualvolles Scheitern
Richard Leipold (FAZ) versucht, den Duisburgern nach ihrem erneut knappen Misserfolg Trost zu spenden: „Vielleicht wäre die Niederlage für die Duisburger leichter zu verkraften oder wenigstens leichter zu verstehen gewesen, wenn sie so weitergespielt hätten wie in der ersten Halbzeit. Dann hätten sie vermutlich weitaus höher verloren, aber sie hätten die Gewissheit gewonnen, dass sie in der Bundesliga nicht das Geringste zu suchen haben. So, wie das 2:3 gegen den VfB Stuttgart zustande kam, riss es jedoch eine tiefere Wunde, als es etwa ein glattes Debakel vermocht hätte. Wieder war es die verlängerte 90. Minute, die aus dem Scheitern des MSV ein Drama machte. Kurz vor Schluss schien alles auf ein Unentschieden hinauszulaufen, erkämpft dank einer Aufholjagd in der zweiten Hälfte. Diese Dramaturgie machte das Duisburger Scheitern besonders qualvoll. Wieder nahm das Unheil spät seinen Lauf – als der MSV sich schon als moralischer Sieger einer spannenden, wenn auch fußballerisch schwachen Partie wähnte. Aber schon bei der Analyse machten die Duisburger den nächsten Fehler. Sie verfielen in Selbstmitleid und redeten sich ein, höhere Mächte seien schuld oder gar die eigenen Fans.“
Vor- oder Nachteil?
Frank Heike (FAZ) findet beim 0:2 in Bremen Gefallen am Stil der Nürnberger, zweifelt aber an der Wahl ihrer Waffen: „Wer in der noch frischen Rückrunde mal einen Blick auf Duisburg oder Bielefeld geworfen hat, konnte sich am ‚Club’ erfreuen: Da läuft der Ball durch die Reihen, es wird kaum gebolzt, und selbst in Unterzahl versuchte Nürnberg, sich nach vorn zu kombinieren. Alles sah durchdacht und geordnet aus – es bleibt nur die Frage, ob das ein Vor- oder Nachteil im Kampf gegen den Abstieg ist. Es gilt als ausgemacht, dass diese Frage am Sonntag beantwortet werden kann: Nürnberg erwartet Energie Cottbus. Und auch in dieser Partie wird der ‚Club’ versuchen, dem drohenden Unheil spielerisch zu entgehen.“
Gaukelei
Andreas Rüttenauer (taz) begeht ein Sakrileg und dreht der Bundesligakonferenz den Ton ab: „Wenn ein Flughafenausbau geplant wird, eine neue Autobahn, wenn die Kinder aus dem Neubaublock anfangen, auf der Straße Fußball zu spielen, dauert es nicht lange und eine Bürgerinitiative wird gegründet. Der Kampf gegen die Lärmbelästigung wird erbittert geführt, auch wenn er noch so aussichtslos scheint. Nur gegen den Krach, den die ARD-Radiosender jeden Samstagnachmittag veranstalten, gegen den will sich so recht niemand zur Wehr setzen. Warum fordert niemand die Abschaltung der Bundesligaschlusskonferenz, der allwochenendlichen Lärmverschmutzung via Äther. Wer einmal ein Spiel von Cottbus im Stadion gesehen hat, wer bei Hertha im Olympiastadion zu Gast war, wer je in Hannover 90 Bundesligaminuten verbracht hat, der weiß, dass nicht stimmt, was die Schlusskonferenz der Hörfunkreporter vorgaukelt.“