Ascheplatz
Irritierendes Signal
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| Dienstag, 26. Februar 2008Karl-Heinz Rummenigges Lobbying beim Bundeskartellamt provoziert eine Erneuerung der Diskussionen um Einzelvermarktung und die Solidarität in der Bundesliga
Matti Lieske (Berliner Zeitung) verortet den Besuch Rummenigges beim Bundeskartellamt in guter alter FC-Bayern-Tradition: „Wieder einmal sind die Münchner offenbar entschlossen, die seit jeher ungeliebte Zentralvermarktung der Fernsehrechte zu kippen. Gegen die Verteilung der TV-Gelder unter den Profiklubs nach einem – erfolgsorientierten – Solidaritätsprinzip hatten sie schon früher diverse Angriffe gestartet. Einmal ließen sie sich gar vom Hause Kirch eine Art geheime Stillhalteprämie zahlen, und als die Sache heraus kam, war es ihnen kein bisschen peinlich. Ein anderes Mal deutete Franz Beckenbauer an, man könne ja auch in Italien mitspielen, wenn sich die Bundesliga so ziere. Jetzt wäre es dem Klub, der sonst gern gegen jede Einflussnahme seitens des Staates oder der EU wettert, scheinbar auch nicht peinlich, wenn er sich bei der Jagd nach zusätzlichen Millionen hinter dem Kartellamt verstecken könnte. Und dass man gerade 80 Millionen Euro für Spieler ausgegeben hat und immerhin auf Platz sieben der Liste der reichsten Klubs gelandet ist, trägt erst recht nicht zur Mäßigung bei.“
Roland Zorn (FAZ) erkennt eine kleine Differenz zwischen Wort und Tat: „Dem Besuch des Münchner Konzernchefs beim Bundeskartellamt haftet so gar nichts Solidarisches mit den Interessen der anderen Bundesligateilnehmer an. Da auch die Bayern wissen, dass die Bonner Behörde die Segnungen oder Verwerfungen der Zentralvermarktung im Auge und unter Kontrolle behält, geht von dem Besuch eines der ersten Ligarepräsentanten ein irritierendes Signal aus. Das Kartellamt ist aber auch darüber im Bilde, dass außer den Bayern so gut wie alle anderen Bundesligaklubs an der bisher geübten und für den Konsumenten durchaus nicht schädlichen Zentralvermarktung festhalten wollen. Da in Italien demnächst die Einzelvermarktung der Fernsehrechte an der Serie A zugunsten eines Gesamtmodells à la Bundesliga oder Premier League gekippt werden soll, weist der paneuropäische Trend mehr in Richtung der in Deutschland üblichen Praxis.“
Zorn beschäftigt sich zudem skeptisch mit den möglichen Folgen einer Einzelvermarktung für die Liga: „Für die Bayern viel mehr Geld, hieße auch, dass das Gros der Vereine von den Brosamen leben müsste, die beim Geldverteilungsmachtkampf übrig blieben. Was das für die Wettbewerbssituation innerhalb der Bundesliga bedeutete, kann sich jeder ausmalen. Was heute noch reizvoll und einigermaßen ausbalanciert erscheint, geriete aus den Fugen. Das Sozialsystem Bundesliga wäre nachhaltig gestört. Besser wäre es, die Bayern blieben dem bewährten Ausgleichssystem treu und verschafften sich dazu exklusiv ein paar weitere Pfründe – etwa über die Auslandsvermarktung der Liga. Wer den Blick über die Superreichen in der Serie A und der Primera División hinaus richtet, sieht schnell, dass italienische und spanische Ligaverhältnisse in der Summe alles andere als nachahmenswert sind.“
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