Champions League
Der gescheiterte Versuch, das Altern zu leugnen
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| Donnerstag, 6. März 2008Milans Niederlage gegen Arsenal wird von Teilen der Presse als vergebliche Suche nach dem Heiligen Gral geschildert und als Epochenwandel gedeutet / Fenerbahces Torhüter Volkan Demirel setzt seine lange Liste an Pechvogeleien und Heldentaten in Sevilla erfolgreich fort (taz)
Christian Eichler (FAZ) erzählt die Niederlage Milans gegen Arsenal als einen Epochenumbruch: „Jung gegen Alt, selten war dieser im Sport stets reizvolle Kontrast so deutlich wie in diesem prickelnden Europa-Gipfel. Im Hinspiel hatte der ergraute Champion seine Abdankung noch so gerade vertagt. Im Rückspiel schien Milan wie ein alter Boxer, der seine einzige Chance im schnellen K.o. sucht. Eine halbe Stunde lang wirkte er bedrohlich mit seinen alten Instinkten. Doch dann kippte die Partie. Je länger sie dauerte, je mehr der Hochtempo-Spielfluss der Londoner dominierte, je isolierter die einzigen offensiven Jungkräfte der Italiener waren, die Brasilianer Pato und Kaka, desto mehr wirkte Milan wie der Boxer, der einen Kampf zu viel hat. Der K.o. kam kurz vor dem Schlussgong. Auch viele Milan-Fans applaudierten Wengers Tempotruppe. Und viele Arsenal-Anhänger zollten Milans Kämpen ihre Anerkennung, vor allem Paolo Maldini.“
Eichlers weitere Ausführungen klingen nach der vergeblichen Suche nach dem Heiligen Gral unter der Leitung eines Nachkommens von König Artus: „Nun rächt sich, dass der Klub zwar viel Geld in sein berühmtes Milan Lab gesteckt hat, das mit modernster Wissenschaft die Leistungen älterer Kicker stärkt und verlängert, kaum aber etwas, außer den zwanzig Millionen Euro für den Teenager Pato, in den Nachwuchs. Fußball als Altenpflege, dieses Konzept hat einige Jahre funktioniert und zwei Champions-League-Siege hervorgebracht, sich nun aber überlebt. Dazu passte das chirurgisch gestraffte, aber vom Verlauf des Abends maskenhaft gewordene Gesicht des 71 Jahre alten Klub-Besitzers Silvio Berlusconi, als er die Stätte des Scheiterns verließ. Die Essenz des Abends konnte ihm nicht gefallen: der gescheiterte Versuch, das Altern zu leugnen.“
Flurin Clalüna (Neue Zürcher Zeitung) ergänzt: „Milan steht vor der Erneuerung, der Halluzination beraubt, dieses wunderbare, aber alt gewordene Team überdauere die Ewigkeit, Spielerkarrieren ließen sich beliebig verlängern. Irgendwann wurde aus Erfahrung Stillstand. (…) Kaum je zuvor hat sich Milan im eigenen Stadion so quälen lassen müssen wie von diesem Arsenal-Team, das im Durchschnitt fast sechs Jahre jünger ist. Es gab auch in der Vergangenheit demütigende Niederlagen in San Siro, jene gegen Rosenborg vor über zehn Jahren zum Beispiel. Aber das 0:2 gegen Arsenal war anders. Es beerdigte den Mythos von der in Europa unbesiegbaren AC Milan.“
Abschiedsvorstellung eines großen Teams
Wolfgang Hettfleisch (FR) erlebt die Milan-Fans melancholisch: „Als das Aus besiegelt war, tat sich Ungewöhnliches: Die Fans der Rossoneri schluckten ihre Enttäuschung runter und applaudierten. Es war gewiss keine Reaktion auf die Leistung, die Titelverteidiger AC Mailand gegen den phasenweise drückend überlegenen Sieger Arsenal geboten hatte. Eher schien es, als verneigte sich der Anhang in der Ahnung, der Abschiedsvorstellung eines großen Teams beigewohnt zu haben.“
Die normalste Sache der Welt
Matti Lieske (Berliner Zeitung) hingegen kann den gängigen Deutungen nichts abgewinnen: „Sechs Jahre Unterschied im Durchschnittsalter, das konnte ja nicht gut gehen. So jedenfalls heißt es allenthalben, nachdem der mit diversen Fußballveteranen bestückte Titelverteidiger AC Mailand im Viertelfinale der Champions League am juvenilen FC Arsenal scheiterte. Das jedoch ist eine fragwürdige Theorie. Schließlich hätte Arséne Wenger bloß Jens Lehmann ins Tor stellen brauchen, schon wäre der Unterschied gar nicht mehr so groß gewesen. Außerdem war der AC Mailand auch im Vorjahr schon alt und hechelte in Italiens Liga den Spitzenteams hinterher. Die Champions League gewann er trotzdem, und dieselben Kommentatoren, die nun fortschreitende Vergreisung als Ursache des Niedergangs beklagen, bejubelten damals die phänomenale Reife und Abgeklärtheit der Grauen Panther aus Mailand. In Wahrheit ist das frühe Ausscheiden eines Titelverteidigers inzwischen die normalste Sache der Welt.“
Große Fortschritte
An anderer Stelle widerlegt Clalüna eine prominente Expertise über Arsenal: „‚Narzisstisch’ hatte Arrigo Sacchi den Fußball-Stil Arsenals genannt – ein Produkt selbstverliebter, junger Spieler. Das war offenbar eine Fehleinschätzung. Denn diese Generation hat in einem hochstehenden Spiel bewiesen, dass sie bereits über einen Reifegrad verfügt, der ihr nicht zugetraut worden war. So erfrischend wie sie ist in San Siro schon lange kein internationaler Gegner mehr aufgetreten.“
Kevin McCarra (Guardian) fügt an: „Es mag immer noch berechtigte Detailkritik an Arsenal geben, aber wie auch immer diese Saison enden mag – sie hat dem Klub große Fortschritte an verschiedenen Stellen gebracht. Vor einem Jahr schied Arsenal gegen das mittelmäßige Team des PSV Eindhoven aus. In diesem Jahr betritt die Mannschaft das Feld der letzten Acht, mit dem Gefühl, Selbstzweifel überwunden zu haben; stattdessen wird sie in der Lage sein, ihren Konkurrenten einige knifflige Aufgaben und schwierige Fragen zu stellen.“
Tsp-Portrait Emmanuel Adebayor
Legende im Tor
Beim Sieg in Sevilla bekommen wir mit Tobias Schächter (taz) beide bekannte Seiten des Fenerbahce-Tormanns zu sehen: „Volkan war erleichtert wie noch nie in seinem an Pannen reichen Fußballerleben. Es gibt wohl kaum einen Torhüter im Weltfußball, dessen Taten ebenso regelmäßig zu Gelächter anstiften wie zu bewunderndem Applaus. Auch am Dienstag hätte sich Volkan statt auf eine Ehrenrunde auf einen Spießrutenlauf einstellen müssen, wäre Fenerbahce Istanbul ausgeschieden. Dass aber am Ende Fenerbahce als erste türkische Mannschaft überhaupt ins Viertelfinale einzog, verdankte der türkische Rekordmeister dann doch den Paraden seines Keepers.“
Zurückblickend schmunzelt Schächter: „Die Fehlgriffe und Pechvogeleien des Modellathleten sind Legende. Vor zweieinhalb Jahren trat er gegen Schalke über den Ball und ermöglichte Kevin Kuranyi ein Tor. Als er einmal nach starker Leistung und einem gewonnenen Derby gegen Galatasaray sein Trikot in die Fankurve warf, verletzte er sich dabei schwer und musste lange pausieren. Volkan kann aber auch anders, und so wird er im Sommer als Nummer 1 der türkischen Nationalmannschaft zur EM reisen.“
Auf 101 great goals gibt’s die Höhepunkte zu sehen.
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