Deutsche Elf
Er gibt Orientierung auch durch seine Schwächen
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| Donnerstag, 13. März 2008Der DFB macht rhetorische Klimmzüge, um eine Ausnahmeregel für Oliver Kahn zu rechtfertigen
Abschiedsspiele für Nationalspieler sind abgeschafft; doch für Oliver Kahn macht der DFB noch mal eine Ausnahme. Einerseits kann Michael Horeni (FAZ) diese Entscheidung billigen, muss dafür aber sehr weit ausholen: „Die Zeiten heute scheinen wieder günstiger für jene, die Ehrungen, würdige Abschiede und protokollarische Traditionen wieder aufleben lassen wollen. Wo die Bundeswehr darüber nachdenkt, neue Ehrenzeichen für tapfere Soldaten zu schaffen, einige Universitäten ihren Absolventen das Diplom nicht mehr nur wie bisher durch die Sekretärin übergeben wollen, passt die Entscheidung des Vorstands des DFB, seine Elite zu ehren, ins veränderte gesellschaftliche Klima. Oliver Kahn ist der erste Profi, dem dieser Wandel in die Hände spielt. Ob der Torwart diesen formell ehrenvollsten Abschied verdient hat – darüber werden die Meinungen weit auseinandergehen angesichts eines Profis, dessen sportliches Lebenswerk in einem Ehrgeiz gründete, den er zu oft nicht kontrollieren konnte.“
Andererseits misstraut Horeni Wort und Schein: „Aber es geht bei den Abschiedsvorstellungen der Fußball-Millionäre nicht allein um die Ehre. Ein perfekt vermarktetes Abschiedsspiel ist viele Millionen wert, und wer die Bundesliga und ihre Maßstäbe kennt, der ahnt, dass der ideelle Wert einer Abschiedsparty mit dem Adler auf der Brust dort weit weniger zählt als die Abrechnung nach Eingang der Fernseh- und Zuschauereinnahmen – natürlich abzüglich einer Spende für irgendeinen guten Zweck. Die Ehrensache aber würde gewinnen, wenn der materielle Ertrag aus dem letzten Auftritt bis zum letzten Cent nur denjenigen zugutekäme, die ihn auch wirklich brauchen.“
Er hat eine unglaubliche Ausstrahlung auf Kinder
Der DFB hat wohl mit kritischen Fragen gerechnet. Theo Zwanziger wird in der FAZ mit Aussagen zitiert, die sich nicht gänzlich in Einklang bringen lassen: „Es ist und bleibt eine Ausnahmeregelung für Oliver Kahn – und dies ist der Person dieses großen Sportsmannes geschuldet“, sagt er auf der einen Seite. Auf der anderen Seite baut er allen Fällen vor: „Die einfachste Lösung wäre zu sagen: Wir machen das nie mehr. Aber das wäre verantwortungslos. Das ist nicht mein Stil. Wir werden Abschiedsspiele nicht mehr zur Regel machen. Aber wenn es eine große Sportpersönlichkeit gibt, die aus dem Kreis der anderen so deutlich herausragt, dass wir nicht jedes Jahr ein Abschiedsspiel machen müssen, dann kann eine solche Ausnahmesituation wieder eintreten.“
Überhaupt klingt Zwanziger sehr defensiv: „Die Ausnahmeregelung für Oliver Kahn ist nach meiner Sicht in hohem Maß in Ordnung. Ich weiß, dass andere das anders sehen werden.“ Und seine Laudatio ist aus der Abteilung „An den Haaren herbeigezogen“: „Es gibt mehrere Gründe. Erstens: Er ist Torhüter, und die Torhüter müssen anders als Feldspieler in der Regel lange warten, bis sie in der Nationalmannschaft die Nummer 1 sind. Zweitens: Er hat immer in Deutschland gespielt, das ist für mich ganz entscheidend. Er stand damit jede Woche im Fokus der deutschen Öffentlichkeit. Natürlich ist er ein Typ, der auch ein Stück spalten kann. Aber er hat eine unglaubliche Ausstrahlung auf Kinder, weil er Leistung von sich und seinen Mitspielern fordert. Dazu kommen natürlich seine besonderen Leistungen in der Nationalmannschaft. Ohne ihn hätten wir 2002 nicht das Finale der Weltmeisterschaft erreicht. Und dann gibt es noch diese außergewöhnliche Fair-Play-Geste bei der WM 2006, die man ihm eigentlich nicht zugetraut hat, nachdem Jens Lehmann den Vorzug erhielt. Das macht ihn in seiner Art einzigartig.“
Bei der Frage, wie sich diese Ehrung mit dem Kung-Fu-Schattenboxer und dem Ohr-Beißer Kahn vertrage, wird’s kabarettistisch: „Er gibt Orientierung auch durch seine Schwächen.“ Diesen großen Satz sollten Sie sich merken: Er gibt Orientierung auch durch seine Schwächen.